Der Bauer auf dem Markte.


Der Bauer auf dem Markte, Carl Jordan

Selten wird man so viel Gelegenheit haben, die Charaktere unserer Bauern zu studiren, wie auf den drei Fleischmärkten, die im Winter in Meran abgehalten werden.

Es strömen da die Bauern aus der ganzen Umgebung Merans zusammen.

Da kann man den behäbigen Burggräfler mit seiner Bäuerin, die fast respektvoll immer hinter demselben herläuft, bei seinen Einkäufen beobachten.

Da kommt der Bauer aus dem Mittelgebirge mit seiner kurzen, lodenen Kniehose und schwarzwollenen Strümpfen. Der Haflinger mit seinem langhaarigen Saumpferde, beladen mit den ledernen Getreidesäcken, dann der Passeirer, der Ultner, der bedächtige Vintschgauer mit der singenden Mundart, kurz Material zur Beobachtung menschlicher Eigenthümlichkeiten [Eigentümlichkeiten] in Hülle und Fülle.

Der Marktplatz bildet ein bewegtes, buntes Bild. Die ganze lange Laubengasse ist eine große Fleischbank und dazwischen durch winden sich die Schaaren von Bauersleuten "wôs es lei derschôppet".

Der Struzer hat für die Marktleute glattweg zwei Einteilungen. Solche, die "lei a fezzele schaugn kennnen und blind unfoaln", das will sagen, ohne eigentlich zu kaufen sich um die Preise erkundigen; zweitens aber "kafete Leut", die wieder in zwei Kategorien eingetheilt werden in "Gleime" und "Raare".

Zwischen den Fleischständen haben die Grödner, das Handelsvolk Tirols, ihre Waaren auf die verlockendste Weise ausgelegt und die Verkäuferinnen machen mit ihren Blasengelgesichtern heute die freundlichste Miene.

Und wie umdrängen die kichernden Bauerndirnen diese Stände, handelnd, feilschend und — wünschend.

Es ist eine Eigenthümlichkeit, daß unsere Bauerndirnen oft die längste Zeit damit zubringen, sich alles mögliche zu wünschen.

"Sigst Moida, wenn i Geld gnua hatt, nahm i in seln Fürtigstroaf, in seln blown, ôder von seln Miaderleibl müaßatn die roathen Blüamlen und gela Stroafn drinn sein".

Weiter oben gegen den Pfarrplatz "huckn" die Bauernweiber mit ihren verschiedenen Waaren, nicht etwa, daß sie dieselben, abgesehen von der versäumten Zeit, theurer verkaufen können, wenn sie selbst zu Markte gehen; o nein! sondern weil da das Geld in ihre Tasche fließt; "derhuam stöckt ôlls der Baur in und wou sollest nôr in Kaffee hernemmen."

In weiten Körben sind da die verschiedensten Boden-Produkte ausgebreitet. "Ausgfüslte Versöln", weiße, Halbweiße oder "Bleckarschlen", "Höchstagüatlen", "gspregglte und glôtte Schwôbm", "Köstkearn", "Schnitz" und "Klonatzn", "Môgn" dann Zwiebel, Rüben u. s. w.

Das neue Maß haben sich die Weiber am allerschnellsten angeeignet, weil " af die nuidn, sturzenen Maßlen ban khaufetn Meßn lông nit sou viel audn geat, wia ba die ôltn hülzenen."

Weiter oben kommen dann die Knoblauchhändler, ihre Waare mit großem Geschrei ausrufend. Knoblauch spielt in der Küche unserer Bauern eine große Rolle, denn er "treibt ban foaßtn Essn die Wind oubm und untn".

Pardon, wenn ich etwas zu deutlich geworden bin; ich bin eben Beobachter in jenen Schichten unserer Bevölkerung, wo man keine französischen Umschreibungen

kennt. Und im Grunde genommen bliebe die Ungezogenheit gleich, ob französisch oder deutsch.

Den Pfarrplatz selbst nehmen die Eisenkramer ein, an welche sich die Schuhnägelhändler, die Hutmacher, die Sarnthaler Strick- und Strumpfwaren - Händlerinnen, die Käseausschneider, die Uhrmacher und Schuster anschließen.

Dies wäre also mit kurzen Worten die Bildfläche, auf der wir den Bauern beobachten wollen.

Am Markttag ist Bauernfeiertag und hiezu legt er sich "'s Kluanfeirtiggwônd un", nie wird aber die weiße Schürze beim Meraner Bauern fehlen. Ich sah einmal bei einer Feuersbrunst einen Bauernknecht, der sich nur noch mit knapper Noth retten konnte, ohne Hosen herumlaufen; die Schürze aber hatte er selbst in dieser großen Gefahr nicht vergessen.

Treten wir an jenen Fleischstand heran. Der Handel zwischen dem Bauern und dem Struzer hat eben begonnen. Mißtrauisch wird das "Fôckene" auf allen Seiten betrachtet und betastet, "'s kannt oft a sötts kranerisches Fleisch" sein, wie es spekulative Schweinemetzger einführen und von Passeirer Struzern ausschrotten lassen. Endlich erkundigt er sich "wôs es gsteat", und der Struzer antwortet, um die Billigkeit ganz besonders zu markiren: "o lei a zwoaafufzig Kreuzerlen", worauf die Kundschaft, und wenn der Preis auch wirklich noch so billig wäre, unfehlbar antwortet: "a sell war nit übl."

Nun kommt eine lange Geschichte, wie er schon vor drei Jahren "a amol a sötta Stückl, der Speck wird um an zwerchen Finger schmäler gwesn sein", gekauft hat, und "'s ist gôr nicht ergiebig gwesn." Der Verkäufer versichert aber, "'s Fackl sei völli 's Kind in der Hütt gwesn" und die Bäuerin hat "lei ôgloßne Milch" gefüttert und die "schianstn hôlb roggenen und grischenen Friegl". Es sei eigentlich eine Sünde ein solches Futter für die Schweine, "aber hôlt a Fleischt werds, woach wia a Butter."

Und nun wird lange hin- und hergerathen [raten], was das Stück etwa wiegen könnte. Dabei betheiligen sich die Kibitze, es gibt auf den Märkten gerade wie beim Kartenspiel solche. Endlich kommt der Handel zum Abschluß, die "Schnöllwôg" wird vom Käufer genau kontrollirt, noch ein Viertelstündchen herumgerathen, "wôs môchets epper in ôltn Gwicht" und dann holt der Bauer, immer mit einem Seufzer, seine Brieftasche hervor, die er in der inneren Westentasche trägt, blättert einige Zeit in den Guldenzetteln, bläst wohl auch vorsichtig hinein, um nicht zwei auf einmal zu erwischen, und dann wird Rechnung gemacht. Kauft er ein Schaff z. B., so wird selbes genau und eingehend besichtiget und dabei die Geschichte des alten Schaffes, für das er nun einen Ersatz sucht, erzählt und besonders dessen gute Eigenschaften hervorgehoben. Dabei hat es immer die Hälfte von dem gekostet, welches er nun kaufen will.

Eine Lieblingsbeschäftigung der Bauernburschen ist es, an den Ständen der Eisenkramer oft halbe Stunden lang die Schaf- und Kuhschellen auf den Klang zu probiren [probieren] und es ist etwa nicht ausgemacht, daß jeder dieser Bursche ein Käufer ist. "O baleib", sagt der Meraner. Ich beobachtete einen solchen Menschen gewiß gut eine halbe Stunde, wie er immer suchte und klingelte und probirte, als gelte es für sein Kuhgeläute einen schön klingenden Fünfklang zusammenzufinden.

Endlich zuckte es wie helle Freude über sein Gesicht und triumphirend sagte er zu seinen geduldig zusehenden Kameraden: "Sell hôn i miar denkt, daß i una find, de sou thut wia inserer Blaß ihre", und vergnügt wanderte er seines Weges.

Bei den Uhrmachern kann man oft beobachten, daß die bäuerliche Kundschaft eine Taschenuhr vollständig in den Mund steckt, "um in Schlôg" besser zu hören. Auf einen lauten Schlag der Unruhe in den Taschenuhren gibt der Bauer sehr viel.

"Mensch, dös ist a guate Uhr, de hearst aus 'n Sock außer schlôgn", sagt er.

Nie aber kauft der Bauer für sich, sondern immer für andere, um so sein Handeln zu beschönigen. "Mei für un wars miar gleich, ôber für ôndere kafn ist soufl hôrt".

Sehr schwer wird ihm die Wahl bei den Schuhnägeln. Da klaubt er halbe Stunden lang an dem Häufchen herum, mißt die Dicke seiner Schuhsohlen, sucht zu errathen, wie viel Stücke etwa auf ein Pfund gehen, endlich kauft er ein kleines Quantum.

Und nun kommen die Sensen an die Reihe. "Mensch, a Segnes muaß klinglen", und auf den Klang wird sie durch Anschlagen auf den Boden genau geprüft. Auch mit dem Daumennagel wird die Härte der Schneide untersucht und dann beginnt der Handel mit denselben Modalitäten, wie sonst üblich. Er macht vielleicht auch ein Angebot und entfernt sich langsam mit der Bemerkung: "Krôd müaßn hôbm thua i sie sist nit die Segnes". Aufmerksam horcht er aber zurück, ob ihn der "Krumer" nicht zurückruft.-

Bauern, Carl Jordan

Am allerhärtesten ist aber die Wahl mit den Wetzsteinen. Da wird eine Ewigkeit untersucht, gewetzt, geklopft und sogar an den Steinen mit der Zunge probirt, "ob sie kirnig sein und epper nit muasn." Ein Wetzstein gilt als ein wichtiges Utensil, und wie es berühmte Rennpferde oder Jagdhunde gibt, so finden sich in unserer Umgebung Wetzsteine, die darin berühmt sind, "daß sie a Schneid môchn, wia a Gift".

Die Händler haben beim Verkauf der Wetzsteine einen eigenen Kniff. Ist ein Bauer recht wählerisch, fängt der pfiffige Wälsche ebenfalls an Steine zu untersuchen. Hiebei wird er vom Bauern aufmerksam beobachtet. Auf einmal versteckt er einen Stein auffällig unter den übrigen. Er kann nun sicher sein, daß er diesen, wenn er nicht gerade auffallende Fehler hat, verkauft. "Aha", denkt sich der Bauer, "der Walsche hôt an Giftstuan gfundn und will 'n verstöckn" "O baleib, Mensch, sou bin i nit, daß i dös nit gspür." Man muß aber auch bedenken, daß "a Schneid wia a Gift" für den Mäher allerdings bei dem Umstande eine große Erleichterung seiner Arbeit ist, als ihm das Heu fast bis an die Hüften reicht.

Beim Käsehändler sticht er sich erst ein Quantum "Koster" ab, bis er endlich sein "Trumm" kauft.

Wie komisch ist es zuzusehen, wenn er eine gestrickte wollene Jacke von allen Seiten betastet, anprobirt [anprbiert] und wieder auszieht, um die Probe gleich von vorne zu beginnen, allen Rathschlägen der Umstehenden ein geneigtes Ohr schenkt und mit der Hand das Gewicht der Wolle versucht, um den Werth [Wert] der Jacke eher bestimmen zu können.

Einen hübschen Zeitvertreib findet er am Stande der Buchbinder. Er bewundert da in Gesellschaft die Kalender-Illustrationen und vor allen Dingen wird nachgesehen, "wia viel Feirtig af Verluhr gian" (wie viel Feiertage auf Sonntage fallen und so verloren sind). Der "billige Jakob", ein Standjude, der mit seinem Schund die Märkte unsicher macht, findet am Bauern selbst eine kleine Kundschaft. Ein Bauer bemerkte mir gegenüber ganz treffend: "Wenn sei Wôôr eppes nutz war, brauchet der Mensch nit soufl zu rödn."

Selten wird der Bauer beim Schuhmacher "'s Gschüach" anprobiren. Er dreht die Schuhe, die er kaufen will, lange Zeit hin und her, versucht sie an den Sohlen abzubiegen, gibt seinem Zweifel Ausdruck "ob sie a für eppes sein" und wenn endlich der Handel abgeschlossen ist, bindet er sie an den Schnüren zusammen und hängt sie über die Schultern.

Ebenso kauft er beim Hutmacher die Hüte für seine Buben aufs Augenmaß, heißt das, er probirt jeden Hut und wenn er ihm auch viel zu klein ist, auf. Zum Schluß stülpt er die erworbenen Hüte alle über seinen eigenen und wandert stolz seines Weges.

Und nun hat er vom Markte genug. Die Hände hinter die grünen Hosenträger gesteckt, schlendert der Bauer die Gasse entlang bis zu einem "Buschn", wo er von einem guten Wein erzählen hörte. Da pfercht er sich nun in der mit Rauch geschwängerten Stube hinter einen Tisch, bestellt sich "a Halbele", schneidet mit seinem Rebmesser "an Wetzstuan" (Brodwecken) entzwei, fördert aus der Tasche seiner Joppe, in der er eine unglaubliche Menge von Sachen unterbringen kann, den eingekauften Käse zu Tage und ist dann vor der Hand für eine halbe Stunde nicht mehr zu sprechen. Zum Schluß streicht er mit der eingebogenen Hand die "Broad-brusn zom", sie geräuschvoll einschlürfend und zeigt durch ein gedehntes: "Joa" an, daß er nun zur Konversation geneigt sei.

Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 121ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, März 2006.
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