Bauernkinder.

Wenn auf einem Bauernhofe die Zeit kommt, wo die Nachbarin sagt: "Bei der Bäurin geats af Maria Huamsuachung", da entwickelt sich auf demselben ein ganz merkwürdiges Leben, voll von geheimen Unterredungen und Berathungen [Beratungen].

Bauernkinder, Carl Jordan

In jedem Dorfe sind einzelne besonders erfahrene Weiber zu finden, denen es Wasser auf der Mühle ist, wenn sie hören, es werden irgendwo "Fatschn eingsamt". Besonders junge Frauen, die ihrer ersten Niederkunft entgegensehen, glauben sie, voll christlicher Nächstenliebe beispringen zu müssen.

Wenn der Bauer in die Stadt gegangen ist, oder auf dem Felde, dann kommen sie von allen Seiten auf den Hof geschlichen und kramen hinter der mächtigen Kaffeeschale ihre Weisheit aus.

"Wenn du willst, daß 's Kind gschneggelte Hôôr kriagt und a zôrte Haut, muast in der Niachter an Brôntewein trinkn." Steig epper nia über eppes, wôs af 'n Boudn in an Kreuz liegt, zelm gschicht diar hôrt in der schwarn Stund." "Ists a Madele, so schneid ihm a Zipfele Haarler aweck und thua sie kluag aubrieslen". "Wenn Vollmuhn ist, gibst sie in Baur in der Supp, nôr werd 's nächste a Büabl". "'S erste Wintele, dös 's Kindl dergagget, muast unter an Kerschbam ingrôbm, nôr hôt 's Kind olm Glück." "In Schnullflaschl muast a Tröpfl Dreiküningwôsser thian, nôr kônn 's Kind kuan Hex verschaugn und verwünschn." —

" Schaug epper joa, daß 's Kind nit in ersten Wein in an Vollmuhntôg kriagt, sist werds a Saufaus." — "Wenn a Kind recht sierig und greinig ist, setz es mit 'n blecketn Hintern af an kôltn Stuan, nôr weard's glei still." —

Man könnte ein ganzes Buch anfüllen mit all diesen Rathschlägen, die da ertheilt werden.

Besonders "gegn 's Verschaugn" wird ins Feld gezogen, denn dies ist die größte Gefahr, welche der Wöchnerin droht.

Und endlich schreit ein Sprößling lustig in der dunklen Schlafkammer und die Hebamme bringt 's Tafzuig", der Bauer schmunzelt vergnügt beim Mittagtisch, weil der große Knecht voller Anerkennung sagt: "a tamischer Klöcker isch es und roath wia a Krebes."

Die Kinder wachsen heran auf dem Lande, wie in der Stadt bei ihren Spielen, ihren kleinen Freuden und ihren kindlichen Sorgen.

Wie in der Stadt ahmt auf dem Lande der Junge alle Gewohnheiten und Beschäftigungen der Erwachsenen nach. Mit dem größten Ernst sitzt er mitten unter den Knechten und raucht an einem gebogenen Hölzchen, sich von Zeit zu Zeit mit der Feuerzange eine Kohle herausholend "zen unkentn".

Wie oft "derrüttelt" das Mädchen der Mutter "'s Spinnrad! und 's Strickzuig." Oder kommt vom Brunnentrog "waschlnôß" heim, weil es heute einmal große Wäsche spielte.

Eine lobende Bemerkung oder vielmehr ein Kompliment für die Eltern ist es immer, wenn man sagt: "dös weard a môl a saggrischer Knecht"; oder "a toule Diarn züglts dô au, Bäurin."

Wenn die Stadtkinder in ihren Spielen immer das Leben zu kopiren trachten, welches sie umgibt, so ist dies nicht weniger bei den Kindern auf dem Lande der Fall. Nur habe ich vielfach die Bemerkung gemacht, daß die Bauernkinder weitaus geschickter sind in all ihren Spielen als die "Stadtlinger", weil ihnen nicht so mannigfaltige

Spielsachen zur Verfügung stehen und sie sich in Folge dessen vieles selber machen und erfinden müssen.

Bringt es der Junge einmal zum Besitze eines Messers, am liebsten "an Reber", so gibt es hunderterlei Dinge, die er sich anfertigt.

Aus einem Hollunderast "a Sputz", im Frühling "die Mojenpfeife", "a Mühlradl" im Brunnentrog, "a Buanerstompf" und die kunstvollsten Brücken über den kleinen Thalbach.

"Bachlkearn" ist eine der liebsten Beschäftigungen der Dorfjungen und meistens auch das einzige Fußbad, das sie nehmen.

Führen sie Bauten auf, ist es immer Stall und Stadel, und da wird dann gemäht und Heu eingeführt, daß es eine Freude ist, zuzuschauen.

Die Mädchen haben allerdings auch ihre Puppen, "die Nötza" wird sie genannt, aber die Mutter will sich so bald, wie nur möglich eine Hilfe heranziehen und da müssen sie schon in den frühesten Kinderjahren mit zugreifen, wo sie nur können,

"Versöln füslen und ôschoadlen", "spualn", auf der Tuchbleiche Wache halten, daß "die Hennen nit drinrennen af's Zuig", das sind die ersten Arbeiten auf der Stufenleiter ihres wirtschaftlichen Lebens.

Nur für das sogenannte "Heuhupfn" finden Knaben und Mädchen immer Zeit. Da springen sie in der Scheune oft von einer ganz beträchtlichen Höhe auf den Heustock herunter, der Reihe nach, und wenn sich einer der Springer recht überpurzelt, will der Jubel kein Ende nehmen.

Manches mal sieht man auch die Kinder den Wegen entlang eine magere Kuh auf die Weide führen. Das sind dann schon arme "Häusler", auf die der Junge stolz herniederschaut, wenn er im Herbste mit der "Viecherin" hinter der langen Reihe der Kühe und Ochsen herschnalzt.

Soldatenspiel ist nicht sehr häufig unter den Kindern auf dem Lande zu finden; es fehlt ihnen hiezu das Vorbild. "Schandarmeles und Lotter" findet sich aber nicht selten.

Als die Landvermesser überall ihre Aufnahmen machten, spielten die Jungen " Geometerles", schlugen Pflöcke, tuteten auf den Bockhörnern Signale, daß einem die Ohren lang wurden. "Schueleles" ist sehr verbreitet und wird von Knaben wie Mädchen gleich eifrig gespielt.

Ein Hauptgaudium der Knaben ist natürlich auch "'s Schnölln" (Peitschenknallen). Zu fünf und mehr stehen sie auf einem Anger und knallen mit ihren langen Peitschen um die Wette. Oder sie erklettern auch das Hausdach oder irgend einen "Knott". Der Effekt in hygienischer Beziehung dürfte derselbe sein, wie das Stabturnen der Knaben in der Stadt.

Daß der Junge es nicht versäumt, im Sommer "in die Kerschn zu steign" und dabei, wenn möglich den Baum des Nachbars aussucht, ist gewiß.

Und kommt dann die Jammerzeit der Schule, so verliert er allerdings viel seiner freien Zeit, entschädigt sich aber dann durch die schönsten Faustkämpfe auf dem Dorfplatze.

In der Schule unterscheidet sich der Bauernjunge wenig vorn Städter, höchstens daß seine Schreibübungen, die er mit zwischen den Zähnen eingeklemmter Zunge macht, etwas steifer aussehen, weil seine Hände durch die Streifereien in Wald und Feld und seinen Kletterpartien auch rauher sind.

Den Mädchen wird nicht viel freie Zeit gegönnt und sieht man sie schon im ersten Schuljahre mit dem Strickstrumpf vor dem Hause sitzen.

Eine Erscheinung aber habe ich bei den Dorfkindern vielfach gefunden und die ist, daß sie sich ebenso gerne alte, fast schon längst verschollene Geschichten erzählen, als dabei zuhorchen. Selbst die wildesten Jungen unterbrechen ihre Spiele, wenn eines der Mädchen "a Gschichtl derzöhlt" und horchen aufmerksam zu.

Ich habe unter den halbwüchsigen Bauernmädchen Erzählerinnen gehört mit einem so netten, naiven Vortrag und einer so herzigen Ausschmückung der einzelnen Szenen, daß ich nur den Wunsch hege, ich könnte diese Geschichten auch so niederschreiben.

Der Bäuerin größter Stolz ist es, wenn sie einen Jungen "af die Studi" bringt und da zwackt sie heimlich auf alle erdenkliche Weise der Wirtschaft manchen Gulden ab, für die Primiz und die "Ausstôtting für'n geistlichn Herrn Suhn." Da wird der Bauernbursche erst zum "Dorfgeistlichn in dieZuaricht" geschickt, der Dorfschneider macht ihm einen tüchtigen lodenen Anzug, "ungmessn af's Drauswôchsn", der Schuster ein Paar "Treter" mit doppeltem Nagelbeschlag und die Ausstattung ist fertig.

Tabakrauchen fangen die meisten Burschen schon mit sechs bis sieben Jahren an, ohne daß ihnen von den Eltern ernstliche Hindernisse in den Weg gelegt würden.

Tabak kaufen sie, wenn gerade Kasse da ist, vielleicht der Lohn für das Milchtragen in die Stadt, oder borgen und betteln hievon von den Knechten.

Sonst trocknen sie Nußblätter und "nebeln" darauf los, auch wenn sie die größten Blasen auf der Zunge aufziehen.

Am frohesten ist der Junge, wenn er im Sommer auf die Alpe geschickt wird.

Wenn auch so ein kleiner Schaf- oder Ziegenhirte nach den Begriffen der Städter ein nicht besonders behagliches Leben führt, so ist der Junge erfüllt von dem Gefühle der Freiheit und unwillkürlich klopft sein kleines Herz freudiger im Anblicke der herrlichen Gottesnatur.

Mit einer unglaublichen Keckheit klettert er den im Gestein verstiegenen Ziegen nach, mit großen Sätzen über die steilsten Abhänge springend, schneidet er seiner zu weit vordringenden Heerde den Weg ab und wenn selbe dann ruhig weidet, setzt er sich auf "an Knôtt", nimmt seine Mundharmonika oder sein Pfeifer! zur Hand und tauscht mit keinem König mehr — höchstens vielleicht mit dem Senner würde er tauschen, der weit unten vor der Hütte "ban ar Pfônn voll Riebl huckt".


Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 141ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, April 2006.
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