Bei den Holztriftern.

Der Trifter ist ein lustiger Geselle mit guten, witzigen Einfällen, beleidigt keinen Menschen, versteht es aber, den "Stadtlingern" mit dem ernstesten Gesichte der Welt die unglaublichsten Geschichten aufzuhängen. Wie mancher versuchte seine Witze mit dem Passeirer Holztrifter zu machen und mußte zum Schluß immer noch als Gefoppter abziehen. Und so stehen die "Mander" stundenlang oft bis an die Lenden im kalten Schneewasser und werfen die durch das angesaugte Wasser schweren Holzprügel in langen Reihen auf. "A Rei unschlôgn" nennt man diese Arbeit mit dem technischen Ausdruck.

Bei den Holztriftern, Carl Jordan
Bei den Holztriftern, Carl Jordan

Die Trifter scheiden sich in zwei Kategorien und zwar: "Rechenmander" und "Lacktrifter". Die letzteren schauen auf die "Rechenmander" mit einem gewissen Stolz herab, weil ihre Arbeit die um vieles schwerere ist. Mit dem Ausdruck die "Lack" ist die mit Wasser angeschwemmte Lände gemeint und es gehört schon ein kräftiger Körper dazu, um in dieser Arbeit auszuharren. Bis an die Hüften sind die Kleider durchnäßt und jedesmal, wenn der Mann einen Prügel in die Höhe wirft, rinnt ihm ein kleiner Bach kalten Schneewassers in die Rockärmel. Und man darf etwa nicht glauben, daß die Burschen zur Nachtruhe in ein warmes Bett schlüpfen. Gott bewahre! In der sogenannten Trifterhütte ist an der ganzen Längsseite eine Schichte Stroh aufgebreitet, einige ebenfalls mit Stroh gefüllte Säcke bilden die Kopfkissen und eine Decke, so zerrissen und verlumpt, daß, wie mir einer der Trifter versicherte, "zöchn Kôtzn drinn kuan Maus derfôchetn", soll ihn vor Kälte schützen. Ja, wenn die Trifter Arrestanten wären, die durch nächtliche Ruhestörung eine Straße allarmirt [alamiert] haben, oder als Fechtbrüder die ganze Stadt abgestrichen sind, wäre das etwas anderes. Da würde man schon aus Humanität für ein menschenwürdiges Lager sorgen. Nun kommt aber noch ein anderer Umstand dazu. Die allerwenigsten wechseln ihre nassen Kleider für die Nachtruhe. Es ist schon viel, wenn der Mann die durchweichten Schuhe von den Füßen zerrt und das ärgste Wasser aus den Kleidern ringt. Ihre Verpflegung ist allerdings eine nach den Begriffen dieser Leute vorzügliche, und was die Hauptsache ist — Wein in Hülle und Fülle. "Teufl, Mensch, wenn d' a sou aß der Lack außerkimmst und 's schnagglen diar die Knia vour Költa, zelm isch a Krüagl Wein a Medizina“.

Eine ganz merkwürdige Erscheinung bei diesen Leuten ist, wie schon früher bemerkt, der nie versiegende Humor. Die mehr als sparsame Gemeindeverwaltung hat den armen Leuten Bettdecken zugetheilt, welche factisch [faktisch] mehr Loch als Decke sind. Nun machten sich die Trifter den Jux und warteten die Zeit ab, in welcher am meisten Menschen die Habsburgerstraße passirten 8passierten]. Da standen sie nun zu zwei und hatten immer eine der zerfetzten Decken zwischen sich, dieselbe sorgfältig ausklopfend und reinigend, wie wenn sie das ihnen anvertraute Comunalgut eifrigst vor Mottenfraß schützen wollten.

Ein Curgast [Kurgast], der längere Zeit den Triftern bei der Arbeit zuschaute, offerirte endlich einem aus seiner gefüllten Tasche eine Zigarre. Der Trifter nahm sich gleich deren drei und auf die Meinung des Herrn, daß dies denn doch ein bischen unbescheiden sei, entgegnete er: "Zwoa, woast Mensch, rach i heunta, und uana rach i morgn, nôr bsinn i mi zelm a nou, daß die Stadtlinger rare Leuta sein".

Ein Bursche, voll trockenen Humors ist der "Franzl", der beim Feuer auch immer den Ehrenplatz einnimmt. Ein mittelgroßer Mann mit bärtigem nicht unschönen Gesichte, sonnenverbrannt, nur die Stirne zeigt in einem helleren Streifen, wie weit er sich den Hut eindrückt. "Franzl, wie gehts?" rief ich meinem alten Bekannten zu. "Schlecht geat's miar, Mensch", antwortete er, "unter die Riffianer Wenta ist a Wind gewesen, daß es an lôngsômen Esser die Suppa aßn Löffl außer gewähnt hot. Ban Riebl hatt 's mi nicht gewundert, woasta, der Geizteufl, die Häuserin, kocht 'n schun soufl truckn". Seiner philosophischen Betrachtung nach vergleicht er die Arbeit beim Holztriften in der "Lack" mit dem "Knödlessen". Bei beiden Beschäftigungen muß der Mensch "a gwisse Schneid" haben.

Ein langweiliger Arbeiter, der den runden Prügel im Wasser nicht schneidig anpackt, bringt ihn schwer heraus, weil er sich dreht. "Und a Esser, der an Knödl in der Supp nit recht unsticht, woast, zelm tônzt er drinn ummer, wie 's der Schuallearer von der Weltkugl 'n Kindernen bschriebm hôt". An einem besonders windigen Tage, an welchem die Kälte auch auf seinen unverwüstlichen Humor einen tieferen Eindruck machte, jammerte er: "Teufl, woasta, bin i schun sechs Wochn in Wôsser und der Stockfisch ist nou ôlleweil nit augewoacht". Ein anderesmal meinte er, er habe eigentlich seinen Beruf verfehlt, denn das Triften sei eine harte und schwere Arbeit, bei der man sich durchaus nichts ersparen könne. "Wenn 's Jôhr ummer ist, wôs hôsta? Dreihundert fünfasechzig Toga und sist an blôbm Oha". Wenn er noch einmal auf die Welt komme, so werde er ein Kammacher oder eine Hebamme, denn dies seien die sichersten Gewerbe in den jetzigen schlechten Zeiten, "Läusa und Kinder gerôthen alle Jôhra, und wenn 's a Schaurjôhra seien".

Auch die Poesie ist bei den Triftern zu Hause und als ich jüngst fast bis Mitternacht mitten unter ihnen am Feuer saß, hatte ich Gelegenheit, einen ganz famosen Improvisator aus dem Stehgreif zu hören. Hier einige Proben:

Und in Trifter, sôgt er,
Seine Hous, sôgt er,
Hôt an Sprung mittn über's Knia,
Und ist sein Gsicht, sôgt er,
Nou sou frumm, sôgt er,
Kimmt's von betn epper döchter nia.

Denn bam betn, sôgt er,
Ist der Trister, sôgt er,
A nit sonst gearn mit derbei,
Lei dös klinglen, sôgt er,
Mit die Glaslen, sôgt er,
Sell versteat er epper wolten glei.

Selbstverständlich begriff ich die zarte Anspielung mit "die Glaslen" auch sofort und bald klingelten sie wirklich in der Runde.

Bald darauf folgte nachstehende Improvisation:

Der Prügl im Wôsser
Der rumpelt umanônd
Ud i bin in der Stôtta
Mit an Diandl bekônnt.

Und der Prügl im Wôsser
Ueberpurzelt nit schlecht,
Und kam i zen Fensterln
War's in Diandl schun recht.

Ober's Fensterln, sell geat nit
'S wur mahrig die Goß,
Denn i bin a Trifter,
Und i bin hôlt fetznôß.

ferner:

Die Pfeif ist miar gsprungen,
Die Hous hôt an Riß,
Mit'n Geldbeutel hôn i
A tamisches Gschiß.
'S Hemmat [Joppe] hot kuan Fuater,
Voller Löcher ist der Huat,
Die Schuach sein uhne Souln,
Sou geat's nimmer guat.
Af'n tenget'n [linken] Stütz'n,
Bin i heunt a nou krump,
Dô sôgt nou mein Diandl,
I sei a rechter Lump.

Wenn ein Holzknecht oder ein Trifter erkrankt, so ist eine nicht selten angewendete Medicin folgende: Ein Achtel Branntwein, ein Quantum Butter mit etwas Zucker und Honig wird über einem mächtigen Feuer gekocht und dann auf einmal eingenommen. Die eine Sicherheit hat man meiner Meinung nach bei diesem Höllengebräu, ich hatte Gelegenheit daran zu verkosten, daß, wer nicht schon am Genuß zu Grunde geht, Aussicht hat gesund zu werden.

Eine Verletzung, z. B. eine Quetschung, ein Hautriß, wird mit Pech oder Harz behandelt, und ebenso für Seitenstechen nicht selten ein tüchtiges Pechpflaster aufgelegt. Mit kleineren Leiden werden nicht viel Umstände gemacht: "Wenn da bis übern H...... in Pseirerbôch drinnen steast und 's stoaßn diar die Prügl olleweil zen der Krippa, Mensch, zelm bsinnst di nicht mear af 's Krônksein".

Und sind dann die schönen Tage der Holztrift vorbei und wird der Rechen abgebrochen, dann sagt der Trifter trotz aller Mühe und Beschwerden: "Fein ist's gewesen huira, a rars Triftn". Dann schultert er seine schwere Axt, seine Steigeisen, richtet sich seine Pfanne zurecht und vielleicht auch eine alte Flinte und verschwindet wieder auf Monate in den Waldungen. In einer Hütte, durch deren Fugen der Wind "wia die schianste Kirchnorgl" pfeift, schlägt er seinen Wohnsitz auf. Vorerst sammelt er sich wieder Moos für sein Lager und dürres Abholz für seinen Kochherd; einer der Burschen, die sich zusammen gethan, wird zum Koch ernannt, ohne etwa sich die Verpflichtung aufzuladen, vor Ausübung seiner Kunst die Hände zu waschen. "Zwui denn? Der Mensch woaß nit, von wos er fett werd".

Und mit fröhlichem Humor beginnen sie die schwere und gefährliche Arbeit des Holzfällens, und weitum klingen die Schläge ihrer Art. Für die schlauen Eichkätzchen aber und für die "Harmelen" beginnt eine böse Zeit, denn "in die Suntigs und Feirtigs" gehen die Burschen nicht ungerne mit der "Schnatter" und brennen den Thieren eine Ladung Schrott auf den Pelz, besonders wenn er ein Gewehr hat, welches der Martel Jörg in Platt "af's teadtn grichtet hôt, denn der sell verstellt de Ôrbet". Und am Abend sitzen sie alle um das qualmende Feuer, den Rücken gegen die Rauchseite zugewendet und kauen ihren "Tschigg" oder schmauchen ihr Pfeifchen und erzählen allerlei Geschichten "von selln Môrtenerk der die Leuta hôt können bônnen" oder "von der Völlaner Hexa, de der Pater in die Rôbmstuaner Wenta versprengt hôt", oder auch vom Kloutzn Sepp, der mit der Expeditiuna af Nôrdpôln auchn ist und zelm 's Arzgrôbn derlearnt hot".

Dann verkriechen sie sich in ihr einfaches Mooslager und schlafen gesund und frisch dem Morgen entgegen und stimmen dabei einen Schnarcher an, daß es tönt, als sägten sie eine knorrige, astige Tanne ab.

Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 15ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Januar 2006.
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