Der Burggräfler bei der Mahlzeit.
Knödelsuppe, Carl Jordan

Die Küche und die "Speis" sind in einem Bauernhofe des Burggrafenamtes zwei wichtige Räume, denn die "Kost" spielt im Leben unserer bäuerlichen Bevölkerung eine große Rolle. Wenn man einen Meraner Bauern aus der Anatomie examiniren wollte, so würde er auf die Frage: welches ist der edelste Theil im menschlichen Körper, gewiß antworten: "Der Magen". Die Liebhaberei für einen guten Tisch, oder besser gesagt, der gutbesetzte Tisch, denn diese Liebhaberei dürfte unter der arbeitenden Classe in der ganzen Welt zu finden sein, wenn sie dieselbe nur befriedigen könnte, stammt entschieden aus jenen Zeiten, in welchen die mangelhaften Verkehrsverbindungen eine Ausfuhr der reichen Bodenproducte nicht gestatteten.

Der Bauer musste also nothgedrungen das aufessen, was auf seinem Hof wuchs und aufgezüchtet wurde.

Diese angenehme Seite des "Aufessens" hat sich begreifllicher Weise viel leichter erhalten, als manch anderer guter alter Brauch. Wenn ein Knecht oder eine Magd einen neuen Dienst suchen, so sondiren sie erst vorsichtig die Küchenzustände des betreffenden Hofes und es gibt solche, die in dieser Richtung verrufen sind. "Bam Brughofer stiabt der Rübl in der Schüßl, weil die Bäurin in Schlüßl zum Schmôlzkübl verlourn hat", oder: "Ban Moar in Büchl ist a Wunder gschechn". "A gea, wia denn?" "Der groaße Knecht hat an Speck in an Knödl gfundn". Solche und ähnliche Witze werden über bekannte "Hungerhöf" gemacht. Mit einer großen Sorge sieht die sparsame Bäurin den hohen Festtagen entgegen, die zugleich "Kuchelfeirtig" sind, denn "die Manderleut thatn souft aubegearn", wenn das ortsübliche Menü nicht eingehalten würde. An Vorabenden solcher Feiertage schlendert der Knecht wohl auch aus seiner Kammer durch die "Laba" (Gang) zur Küche, scheinbar um sich eine Pfeife am Herdfeuer anzuzünden, eigentlich aber, um einen kritischen Blick auf die Vorbereitung zur morgigen Mahlzeit zu werfen, und befriedigen dieselben nicht, so kann die Bäurin, wenn das Gesinde am Abend hinter der "Kiachlschüßl huckt", wohl allerlei spöttische Bemerkungen hören, die vielleicht aus dem Grunde praktisch sind, weil derselben noch Zeit bleibt, ihre Fehler auszubessern.

Im Sommer beginnen die Mahlzeiten immer mit Salat, und zwar "Specksolet". Diese Einteilung ist insofern nicht unpraktisch, als der Salat bei der enormen Hitze, die selbst bei der schwersten Arbeit, z. B. beim Heumahd, den Appetit nicht aufkommen läßt, ungemein erfrischend wirkt. "Der Sôlet mocht die Gurgl schlutzig", sagt der Bauer. Die Hausmagd deckt den Tisch. Das grobe leinene Tischtuch, die Gabeln und Löffel und das Salzfaß sind in der Tischlade untergebracht und werden nach den Plätzen der Einzelnen vertheilt. Dann werden die Weinkrüge aufgestellt, denn Wein muß bei jeder Mahlzeit da sein. "Wôsser kônnst wögnan Foaßtn nit sauf'n und eppes zen oischwänzn muast hôbm". Endlich tritt der Bauer mit dem Gesinde ein, hängt seinen Hut an die Wand, streicht sich vorne die Haare glatt in die Stirne und spricht sein Tischgebet, in welches alle Anwesenden laut einstimmen. Daß der Burggräfler weite Zeit hinaus besorgt ist für seinen gut besetzten Tisch, beweist ein hier häufig gebrauchtes Tischgebet: "Lieber Herrgott ini Himmel, gsegn uns Speis und Trank zu unserm Wohlsein, für ein langs Leben und alle Ewigkeit, Amen". Also auch für die Ewigkeit bittet er um Speise und Trank. Nicht umsonst gab mir einst ein kleines Bauernmädchen auf meine Frage, was die liebe Mutter im Himmel etwa jetzt mache, zur Antwort: "O, de ißt seidene Wurst und güldenes Broat". Nach dem Tischgebet nimmt alles Platz und die große Suppenschüssel wird in die Mitte des Tisches gestellt. Im Sommer fängt man, wie schon früher bemerkt, mit Salat an, welcher ohne jede Zuthat von Brot verzehrt wird. Zum Schluß fischt vielleicht der eine oder andere Knecht mit seiner Gabel im Essig noch die Speckwürfelchen mit der malitiösen Bemerkung heraus: "Der Essig thats in der Schärfen unsern Haustrunk bôll oi". Und nun beginnt der Bauer die Suppe direkt aus der Schüssel zu löffeln, die Knechte folgen der Reihe nach, dann kommen erst die Mägde. Der Ellbogen wird auf den Tisch aufgestützt und der volle Löffel nie auf einmal, sondern immer in Absätzen geleert. "Ist's a buanigre Supp" wird der Knochen abgenagt und unter den Tisch geworfen. Aus diesem Grunde hält sich "'s Fuaßl, 's Wandele, 's Kranzl und der Türgl", oder wie die Hofhunde alle heißen mögen, beim Essen immer dort auf.

Tischgebet, Carl Jordan

Das Anstechen der harten Knödel in der gemeinschaftlichen Schüssel ist eine wahre Kunst. Mir gelang es immer sehr schwer; sie tanzten zum allgemeinen Gaudium wie die Weltkugel in der Suppe herum. Das Fleisch kommt in mundgerecht zugeschnittenen Stücken auf den Tisch, hübsch ausgetheilt auf der Schüssel voll Gemüse oder Kartoffeln. Die auftragende Magd weiß es dann recht schlau einzurichten, daß die "foaßtigstn Bröckler" auf jene Seite des Tisches kommen, wo "ihr Knecht" sitzt. Auch die Muspfanne weiß sie geschickt zu dirigiren, daß die gelbe, geschmolzene Butter fein auf seiner Seite zusammenläuft, welches Unternehmen er dadurch unterstützt, daß er mit seinem großen Löffel sofort eine hübsche "Tschött" macht. Gesprochen wird bei Tische wenig, denn hiezu ist die Beschäftigung eine viel zu wichtige; höchstens daß der Bauer ab und zu einmal eine Bemerkung einwirft. Gleichwie bei einer Dampfmaschine die Sicherheitsventile den Dampf zischend auslassen, so zeigen die geräuschvoll aufsteigenden Magenwinde an, daß die Mahlzeit bald zu Ende ist. Der Löffel wird am Tischtuch, die einzige Reinigung, die ihm zukommt, abgewischt, die Knechte dehnen sich einigemale kräftigst, dann wird wieder das Tischgebet gesprochen, diesmal mit dem Ave Maria verbunden. Beim dritten Absatze: "Das Wort ist Fleisch geworden", knixen die Männer mit dem rechten Knie als Zeichen der Ehrfurcht ein, während die Weiber mit geschlossener Faust und etwas aufwärts stehenden, Daumen an ihr flaches Mieder tupfen, wohl auch beim Gähnen vor dem Munde einige Kreuze schlagen, damit der Teufel nicht gar zu bequem durch das weitgeöffnete Thor in die arme Seele fahre.

Die Bäuerin selbst weiß sich aus dem Einerlei des Tisches zum Theil mit Kaffee herauszuhelfen, zu dem die kleinen Einkommen aus Garten und Hühnerstall häufig die Mittel beschaffen. Manchmal gehört der Bäuerin auch der Erlös aus dem jugendlichen Nachwuchse des Schweinestalles; dann freilich hat auch der Krämer besseren Zuspruch. Die Bäuerinnen suchen sich daher auch stets mit dem "Fôcken Tänig" [ St. Anton, Patron der Schweinezucht] auf guten Fuß zu stellen, und sind in seiner Verehrung Wohl die Marlingerinnen die eifrigsten.

Für die Küche unserer Bauernhöfe bestehen althergebrachte Regeln, die mit einer anerkennenswerthen Genauigkeit eingehalten werden. Zu diesen bewußten " bessern Tagen" strengster Observanz zählen: Neujahr, Dreikönige, Faschingssonntag, namentlich aber der Faschingsdienstag, Hollepfannsonntag (1. Sonntag in der Fastenzeit), Palmsonntag (wo die Dienstboten zur Osterbeichte zu gehen pflegen), Ostersonntag, Pfingstsonntag, Maria Geburt (8. September), Allerheiligen und der Christtag.

An Vorabenden großer Feiertage, die immer als Fasttage gehalten werden, sind Mohnkrapfen, Apfelküchl und Pfannzelten mit Kraut unerläßlich. An den Winterfeiertagen spielt Schweinefleisch mit Kraut eine große Rolle, denn auf einem Hof, der den Credit nicht verlieren will, muß "Schweinerne fuaderweis autrogn werdn". Eine alte Redeweise auf die Frage nach der Größe eines Hofes sagt: "Mit an mittern Fackl machn sie nit viel Spetakl". Also ein kleineres Schwein "derpockn“ sie in einer Mahlzeit. Bei den schweren Arbeiten im Frühjahr in den Weingütern erhalten die Leute zum "Halbmittag" und zur "Märend" nebst Brod und Wein auch Käse, der an einem eigenen Markttage, "in Kassômstig", den ersten Samstag in der Fastenzeit, verkauft wird. Dieser "pikante" Käs, über die Art und Weise, wie er feucht gehalten wird, coursiren allerlei Andeutungen, hat einen so schauerlichen Geruch, daß der Bauer dazu den miserabelsten "Hausleps" riskiren kann, wenn er auch noch so viel "schwefelet". In der Osterwoche gehören auf jeden Hof Anguilotti, die der Bauer, wenn es sein muß, auch zum Kaffee verzehrt. Sonst spielt auf dem bäuerlichen Festtisch "'s Bratl" (damit ist immer Kalbsbraten gemeint) und auf dem Werktagtisch "'s Hôlbgselchte" eine große Rolle. Im weiten Rauchmantel der Küche hängt immer eine Menge "G'selchts", natürlich im höchsten Grade rußig, so daß selbst die dicke Gerstensuppe, im Winter die gewöhnliche Abendspeise, eine taubengraue Farbe bekommt. Zur Zeit, wenn die Knechte im Winter in der überheizten Stube "Bôndfirmen" (Weidenruthen zum Aufbinden des Weingartholzes) herrichten, wird "Marend und Nôchbla zômzouchn". Anstatt um 3 Uhr kommt der Marendwein um halb 5 und um 5 Uhr die Gerste. Nachher, wenn gegessen ist, "tantlen die Knecht nou a fezzele umer", und die Mägde spinnen oder thun "Fersöln füslen" bis zum Rosenkranz.

"Gschmölzte Fastenbrezn", "Köst'nsupp" und "Stockfisch" spielen auch eine große Rolle. An Sonn- und "gmuanern" Feiertagen paradirt "'s Gstraunene". Besucht unser Bauer oder auch der Knecht in allerfrühester Zeit den Gottesdienst, so setzt er sich nach der Messe in eine Gaststube "zen ar saurn Supp und a Hôlbe Wein". Diese saure Suppe wird an Sonn- und Feiertagen zu Hunderten von Portionen verkauft. Wenn unser Bauer ein Gasthaus besucht, um seine Mittagsmahlzeit zu halten, so braucht er keine Speisekarte, denn, was er bestellt, ist immer "a Bratl". Der "Kaffee-Tzuzlerei" geht er auch sehr gerne nach und er bestellt sich denselben immer mit der Bezeichnung "a Schalele". Mancher behäbige Maiserbauer aber, der täglich "in die Stadt ini geat, zen der Kaffeehütt" bringt es auch auf drei oder vier "Schaleler".

Das Hausbrod [Hausbrot] wird immer auf dem Hofe gebacken und zwar in der Form von dünnem Zwieback. "Paarlbroad" ist hiefür die landläufige Benennung. Da jedoch nur alle Vierteljahr gebacken wird, ist es zum Schluß steinhart. Der Bauer nimmt ein solches Brod in seine hohle Hand und zersplittert es durch einen kurzen, festen Schlag auf das Knie, oder auch mit dem eisernen Löffel. Die Bäuerin in der Küche hat hiezu die "Broadgromml".

Das Essen ist dem Burggräfler Bauern eine so wichtige und angenehme Beschäftigung, daß die Kost nicht selten einen stundenlang ausdauernden Unterhaltungsstoff bietet.

Viele junge Burschen streben nur aus dem einen Grunde in die Stadt zu kommen, insbesonders aber in eines der vielen Pensionsgeschäfte als Hausknechte angestellt zu werden, wegen der reichlichen und "klüagern" Kost. Durch allerlei Dienstleistungen weiß er sich da beim Küchenpersonale einzuschmeicheln. Der Köchin richtet er das Brennholz handgerecht zu, reinigt ihr die Schuhe ec. Der hübschen Kochenlernerin besorgt er Grüße, Briefchen und allerlei Bestellungen und in der Faschingszeit führt er die ganze Gesellschaft auf die verschiedenen Bälle.

Die Ritterdienste werden aber auch nach Gebühr belohnt. Der Hausmeister hat, wenn er sein Viertele trinkt, gewiß immer einige feine Delikatessen mit, "a Hüandlhaxl", "a Antnflügele" oder dergleichen.

Die Kost spielt eine so große Rolle bei unseren Bauern, daß sie sogar fast alle Begrüßungsformeln derselben umschließt. "Guatn Appetit", "ist der Formeß schun vorbei?", "muast die gschleunen, sunst versäumst in Mittog", "schun after Märend", "wearst woll bald Nôchblen giahn", das sind so ziemlich die gebräuchlichsten Begrüßungsformeln. Als Variation wird auch noch eingeschoben: "Geah, zôhl miar a Halbele", "môgst lei schaugn, daß bôld was kriagst", oder "wars nit bôld Essenszeit?".

Die Krone aller Esserei ist eine Bauernhochzeit, die Vormittags um 9 oder 10 Uhr nach der Trauung beginnt und Abends um 7 Uhr endet. Ich hatte oft das sehr zweifelhafte Vergnügen, mit einer Einladung beehrt zu werden, und will das Menu der letzten Hochzeit meinen Lesern zum Schluß zum Besten zu geben. Die Hochzeit beginnt immer, weil die Brautleute häufig auch die heil. Communion nehmen, mit einem Frühstück. Also: "A Tschugelari und Kaffee. Zenn Indunkn Brezidebroat. Nudlsupp und Würstlen. A augezierter kälberner Kopf mit an Aepfl in Maul. Gfüllte Krôpfn und Straubm. A wiachs Gstraunes af Erdäpfel. A kälbernes Bratl mit Solet. A Schweinenes mit Kraut. (Nach dem Schweinernen mit Kraut nimmt die Kellnerin der Braut den Kranz ab). A Gebôchns mit Zweschpm. A ingeboatzts Hôsenes in ar süaßn Brüa mit spanische Kropfn. A schweines Bratl mit Erdäpfel. Gfüllte Kropfn mit allerlei Fülln und a Pfanzl mit Hönig drinn. Die Turtner mit Gliedwein (Glühwein)". Die Schautorte ist bei den Hochzeiten die Hauptsache und je mehr und je geschickter der "Zuggerbäck" die "Fatschpopeler" anzubringen weiß, als zarte Andeutung des Zweckes des Ehestandes, desto größer ist sein Ruf. Ja es war eine schöne Hochzeit; acht Stunden hat sie gedauert. Und auf dem Heimweg kehrten einige der Hochzeitsgäste noch beim Muchwirth zu, da gabs "a saurs Kreas, sell ist soufl guat, wögnen af'n Mogn liegn". "Wünsch woul ogspeist zu hoben" sagen dann behaglich die Gäste zu einander.

Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 31ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Januar 2006.
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