DIE VENEDIGER IM REITERJOCH

In der Knappenstube, dem von uraltem Bergbau herrührenden Bergstollen im Reiterjoch, wohnen die Venediger. Sie haben im Innern des Berges noch viel Gold und edles Gestein aufbewahrt. In der Johannisnacht sieht man den Eingang in hellem Glanz strahlen.

Einmal wagten sich zwei Bauern aus Welschnofen hinauf und fanden wirklich den Eingang. Sie gingen furchtlos hinein und erblickten nach wenigen Schritten schon einen Totenkopf, der mitten im Stollen lag. Der eine der beiden Bauern nahm seinen Hut vom Kopf und setzte ihn dem Totenkopfe auf. Das war ihr Glück, denn die Venediger schossen aus dem Innern des Berges heraus, und so trafen sie immer nur den Totenkopf.

Als das Schießen aufhörte, wagten sie sich tiefer hinein und gelangten in eine weite Halle, wo alles von Gold und Silber funkelte. Decke, Wände und Fußboden waren aus lauter Gold, und goldene und silberne Kostbarkeiten lagen in Menge herum. In der einen Wand aber sahen sie ein goldenes Kegelspiel. Sie hätten Kegel und Kugeln gerne mitgenommen, wenn sie nur nicht von zwei schwarzen Hunden mit feurigen Augen bewacht worden wären.

So aber getrauten sie sich keinen Schritt weiter zu machen. Und als erst noch ein schreckliches Gewitter kam mit Donner und Blitz und ein Getöse sich erhob, als wollte der Berg zusammenbrechen, da wurden die beiden von einem solchen Entsetzen ergriffen, daß sie spornstreichs aus dem Loch rannten. Draußen aber war der herrlichste Nachthimmel, und der Mond ging ohne Störung seine Bahn.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 381