5.17 Die Tanne mit den goldenen Zapfen

Ein Salzfuhrmann, der in Hinterberg, der Gegend zwischen dem Ausseerland und dem Ennstal, beheimatet war, mußte bei Wind und Wetter das Ausseer Salz auf holperigen Straßen führen. Auf der Fahrt nach Süden traf er einmal mit einem Männlein zusammen, das sagte: „Es wundert mich, dass du dir dein Brot so mühselig verdienst, wo doch in deiner Heimat, ganz nah bei deinem Haus, eine Tanne mit goldenen Zapfen zu finden ist!“ Der Fuhrmann wollte diesen Worten keinen Glauben schenken, weshalb das Männlein einen Bergspiegel hervorzog, durch den weit entfernte Gegenden und verborgene Schätze betrachtet werden können. Als der Fuhrmann in den Spiegel sah, erblickte er darin zu seiner Verwunderung die vertraute Heimatlandschaft und auch den Baum, auf dem die goldenen Zapfen hingen.

Diesmal konnte er es gar nicht erwarten, bis er von der weiten Reise endlich wieder nach Hause kam. Er hatte kaum die Rosse ausgespannt, als er zu der Stelle eilte, wo er im Spiegel die Tanne gesehen hatte. Und wirklich: Alsbald fand er den Baum, der über und über mit Goldzapfen behängt war. „Jetzt darf ich keine Zeit verlieren“, dachte er, kehrte sogleich um, damit er den ganzen Reichtum auf einem Wagen heimführen könne. Als er jedoch mit seinem Gespann an die Stelle zurückkam, wo der Baum stehen sollte, traf er eine öde Gegend an. Vom Baum mit den goldenen Zapfen war nichts mehr zu sehen. Enttäuscht fuhr er wieder nach Hause und blieb weiterhin ein Salzfuhrmann.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch