Andreas Hofer und das Innsbrucker Theater


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Das alte Hoftheater in Innsbruck 1653 — 1655 von Erzherzog Ferdinand Karl (1648 — 1661) erbaut, stand im Jahre 1809 dort, wo heute sich das Stadttheater befindet, doch nicht quer, sondern parallel zum Rennweg. Auch in der Franzosenzeit wurde es stark benützt,- jede Festlichkeit, ob bayerisch, französisch oder österreichisch, wurde mit einem Théatre paré (Galavorstellung) gefeiert. Nur kurze Zeit (vom 17. Mai 1796 bis 2. Februar 1800 und vom 14. Juli 1800 bis 2. September 1801) war es „wegen Kriegsgefahr" geschlossen: im Herbst 1801 wird es wiederholt vom Erzherzog Johann besucht, am 14. August 1803 ist sogar Premiere von Schillers „Jungfrau von Orleans", am 16. September 1804 wird die Erhebung Österreichs zum Erbkaisertum durch „Friedrich IV. von Österreich" gefeiert, am 24. November 1804 besucht es der König Ludwig I. von Bayern: vom 12. Oktober bis 4. Dezember 1805 wieder geschlossen, muss es am 5. Dezember auf Befehl des französischen Marschalls Michel Ney, das Schauspiel „Die beiden Antons" aufführen, am 16. Februar 1806 auf Befehl des bayerischen Hofkommissärs Karl Graf von Arco die Landesübergabe an Bayern durch eine Festvorstellung „feiern", ebenso anlässlich eines königlichen Geburtstages am 13. Juli 1806 Kotzebue's „Kreuzfahrer" spielen, am 8. Jänner 1808 besucht es König Max von Bayern, bis der Beginn des Tiroler Aufstandes (5. April 1809) dieser Art „Festtheater" eine Ende machte. Aber auch im Neunerjahre wurde, trotz der furchtbaren Kriegsstürme, die in Innsbruck tobten, gespielt. Die Leitung des Theaters hatte Josef Rossi inne. Dieser, selbst Schauspieler, hatte am 13. April 1809, nach der Einnahme Innsbrucks durch die Bauern, mehrere feindliche Offiziere, die er als häufige Besucher seines Theaters persönlich kannte und schätzte, aus einem Knäuel aufgeregter Landstürmer in das Gasthaus „Zum goldenen Hirschen" (heute Sailergasse 9) gerettet, wo der Wirt und seine Leute alles aufboten, die Gefährdeten zu verbergen. Diese von Rossi geretteten Offiziere waren die Oberstleutnants Freiherr von Donnersberg und Graf Geldern sowie die Hauptleute von Zurnkieden und Bellard. Da diese Offiziere aber beim „Hirschen" nicht sicher waren, brachte sie, in Zivilkleider gehüllt, Rossi bei Nacht und Nebel nach einem sicheren Versteck, wo sie sich dann am 15. April dem einrückenden österreichischen Militär ergaben. Diese „Verdienste" hat Rossi später (4. Juni 1811) dem bayerischen Generalkommissär Grafen Max Lerchenfeld schriftlich berichtet, um sich dessen Gunst für sein Theater zu erwerben.

Am 3, April 1809 eröffnet Josef Rossi das Theater mit dem Stück „Der Machtspruch". Dem in Innsbruck am 15. April 1809 eingezogenen österreichischen General Marquis von Chasteler machte der schlaue Theaterdirektor sofort seine Aufwartung und schlug ihm für den 16. April eine Fest Vorstellung mit Emanuel Schikaneders komischer Oper „Der Tirolerwastl" vor. Chasteler nahm den Vorschlag an und die Vorstellung wurde auch bei „zum Erdrücken vollen" Haus abgehalten. Am 13. Mai 1809 organisierte Rossi eine Kompagnie Innsbrucker Bürger, die sich seinem Kommando anvertraut hatten, um neue Unruhen hintanzuhalten. Rossi soll, unterstützt von dem Schauspieler Bechstädt, auch eine Innsbrucker Bürgerkompagnie ins Unterinntal geführt haben. Bei einem kleinen Gefechte schlug eine Kanonenkugel vor ihm in die Erde. Als er dies sah, wurde er leichenblass, sagte zu den Umstehenden „Ich empfehle mich Ihnen" und — verschwand.

Am 4. Juni 1809 veranstaltete Rossi aus Anlass des Sieges Hofers in der Berg-Isel-Schlacht (29. Mai) und des Sieges von Aspern (21. Mai) eine Festvorstellung „Klara von Hoheneichen". Dieses Gelegenheitsstück soll (nach I. L. S. Bartholdy) Rossi selbst zum Verfasser gehabt haben. Am Eingang ins Theater erwartete Rossi in schwarzem Anzug und einem großen blütenweißen Jabot den Intendanten Freiherrn von Hormayr und den Bauern-Regenten Andreas Hofer, die er beide unter tiefen Bücklingen ehrfurchtsvoll in die Hofloge geleitete. Für den Festzug in Ambras (17. Juni) ließ Rossi durch seinen Schauspieler Jungheim die Theatergarderobe zur Verfügung stellen. Am 13. Juni konnte Rossi neuerlich den Sandwirt im Theater empfangen, der auf Drängen Hormayrs wieder einer Vorstellung beiwohnte.

Diese wiederholten Theaterbesuche Andreas Hofers ermutigten Rossi, bei Hofer um eine — Subvention anzusuchen, wobei er darauf verwies, dass er auch unter der bayerischen Regierung jährlich 1200 Gulden erhalten habe und das Innsbrucker Theater stets von dem jeweiligen Regenten unterstützt wurde. Hofer leitete das Gesuch an Hormayr weiter, der es am 19. Juni mit der merkwürdigen Begründung abwies: „So sehr auch Menschlichkeit und Großmut für dieses Gesuch das Wort führen, so kann doch nichts gewährt werden, weil man nicht einmal jene Parteien befriedigen kann, welche gesetzliche Ansprüche haben."

Da hing sich Rossi das Mäntelchen der Wohltätigkeit um und veranstaltete — mit Genehmigung Hofers — am 24. Juni 1809 für die armen Abbrändler von Schwaz eine Wohltätigkeitsvorstellung mit dem Stück „Friedrich von Österreich", dessen Autor Josef von Hormayr war. Die Vorstellung brachte sehr hohe Einnahmen für die Abbrändler und für — Rossi. Ende Juli, als sich die große Berg-Isel-Schlacht vorbereitete, gewährt man den Schauspielern Reiseunterstützungen, damit sie die Stadt verlassen konnten. Dann hören wir noch, dass am 27. August und 10. September das Schauspiel „Der hl. Johann von Nepomuk" aufgeführt wurde.

Das letzte Zusammentreffen Andreas Hofers mit seinem Theater-Intendanten Rossi erfolgte an Hofers größtem Ehrentag, am 4. Oktober 1809. Da gab Rossi in seinem Theater die beiden Stücke „Liebe um Liebe dem besten Fürsten" und „Armut und Rechtschaffenheit", oder „Der Fürst hilft gewiss, wo er's nur weiß", von August Wilhelm Iffland (1759 — 1814).

Rossi tauchte den Theatersaal in ein Meer von Kerzenlichtern, schmückte die Logen mit patriotischen Fähnchen und die Hofloge mit entliehenen kostbaren Teppichen. Dafür sah er sich auch durch das ausverkaufte Haus für den Ausfall während der Schlachttage (1. bis 15. August) reichlich entschädigt. Mit der herrschenden Jubelstimmung rechnend, ließ Rossi durch sein Ensemble zahlreiche Extempore mit Anspielungen auf Kaiser Franz und den anwesenden Andreas Hofer einfügen, was die Zuhörer jedesmal zu enthusiastischem Beifall hinriss.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 28 - 31.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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