Mein Großvater
Aus den handschriftlichen Lebenserinnerungen des akad. Bildhauers Prof. Hans Larch
Unser Großvater, der Larchbauer in Ratschings (bei Sterzing), als gutsituierter Bauer allerorts bekannt, war während der Franzosen- und Bayernkriege im Tale Gemeindevorsteher. Er scheint als ein „Liberaler" gegolten zu haben, da er sich für den damaligen Krieg, namentlich während des letzten Aufstandes, nicht begeistern tonnte und die Situation mit anderen Augen ansah, ja die Bauern hießen ihn den „Bayernfreudlichgesinnten".
Als die Bayern die Waffen abforderten, war ihm diese Ausgabe im Tale zugeteilt. Als er zur Durchführung derselben nach Sterzing fuhr, bemerkte er unterwegs, dass unter den vielen Waffen sich ein Stutzen genau nach ihm richte, und bei näherer Besichtigung nahm er wahr, dass auch der Hahn gespannt war. Er konnte sich dieses nicht anders auslegen, als dass ein fanatischer Bauer ihn auf diese Weise aus dem Wege räumen wollte.
Manche Rohheiten, die in jenem Kriege vorkamen, konnte er nicht ansehen, z. B. war er außer sich, als ein Bauer aus Flading seinen Sohn an einem Stricke nach Sterzing führte, um selben der bayerischen Militärbehörde zu übergeben.
Seines gesunden Verstandes wegen war er von Andreas Hofer gut gelitten, trotzdem er kein fanatischer Anhänger desselben war, und er nahm auch oft an den Beratungen beim Moar in der Vill und beim Nagele teil.
Larch war kein Trinker, er mied alle geistigen Getränke und so kam einmal folgendes vor: Im Gasthaus „Zum Nagele" — heute „Krone" in Sterzing — hielten die Kommandanten, an der Spitze Andreas Hofer, eine Beratung ab. Die Gesellschaft hatte wahrscheinlich etwas tiefer ins Glas geschaut, so dass ihm ihr Treiben nicht mehr passte, und er verließ die Gesellschaft, langsam und verdrießlich durch die Altstadt wandernd. Als er in die Nähe des Stadtplatzes kam, bogen plötzlich zwei bewaffnete Soldaten (ob es Bayern oder Franzosen waren, weiß ich nicht) um die Ecke in die Altstadt. Larch, überrascht, riss rasch seinen Stutzen von der Schulter — auch die Soldaten taten dies — und feuerte und schoss einen davon nieder, während der Schuss am Larchbauern fehlging. Er lief nun rasch zum Nagele und machte Lärm, so dass sich Hofer und seine Genossen noch mit Not durch die Lane und den Lärchenwald zum Moar in der Vill flüchten konnten *).
*) Dieser Vorfall könnte sich (nach A. Kofler: „Sterzing im Kriegsjahr 1809" und J. Hirn: „Tirols Erhebung im Jahr 1809") am ehesten am 2. August beim überraschenden Einmarsch des Generals Rouyers in Sterling zugetragen haben.
Larch wurde auch von Hofer in der letzten Zeit zu Adjutantendiensten beigezogen und war im Nonstal als solcher an der Seite Hofers, wo er diesen das letzte Mal sah.
Larch hatte in Ratschings nebst einem großen Bauernhof eine zahlreiche Familie und freute sich darauf, wenn einmal die Buben und Mädeln größer wären, mit Knechten und Dirnen versorgt zu sein. Es verdross ihn daher sehr, dass sein junger Sohn Peter keine rechte Lust zum Bauernstande zeigte, ja sogar ein Handwerk, und zwar Tischlerei, lernen zu wollen äußerte. „Ja," meinte er, „so ein Bettler (denn bei ihm galt jeder Nichtbauer als Bettler) ginge mir noch ab." Und als er in reiferen Jahren noch nicht nachgab, stimmte der Vater mit der Bedingung bei, er müsse stets die Bauerntracht (kurze Hose) auch in der Stadt tragen. Dies hielt mein Vater auch getreulich ein, wenn er sich auch oft damit schämte. Dazu war jedoch kein Grund, er war ja ein hübscher Bursche, den die Tracht gut kleidete.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.