Die Erinnerungen des Priesters Josef Daney


Antwort

Freund! Ihr letztes Schreiben hat mich ganz betäubt. Ich habe Dinge gelesen, die, wenn ich nicht wüsste, dass Sie mir nichts als die reinste Wahrheit schreiben, ich kaum hätte glauben können. So schleppend und kleinlich (nehmen Sie mein offenherziges Geständnis nicht ungütig) Ihr letzter Brief im Anfange ist, ebenso rauschend und tatenreich wird er in der Fortsetzung und vorzüglich am Ende. Die am 4. Oktober dem Hofer erwiesenen Ehren mussten ihn, den schlichten Landmann, notwendig völlig betäuben. Was geschah mit Hofers Arrestanten, als die Baiern nach Innsbruck kamen? Armer Hofer! Welche Ehren, welches Ansehen und welch ein Titel noch am 14. Oktober — und bald darauf stirbt er wie ein Verbrecher auf dem öffentlichen Richtplatze! Tiroler, wie lange hat man euch am Narrenseile herumgeführt! Wie lange habt ihr euer Blut für einen Fürsten, der es zwar bestens mit euch meinte, aber euch nicht mehr helfen konnte, zwecklos verspritzt! Freund, ich hätte Sie vom 14. Oktober bis 1. November sehen, aber nicht mit Ihnen Ihre Strapazen und Gefahren teilen mögen. Auf Ihr künftiges Schreiben bin ich wieder um so begieriger, je gespannter meine Sehnsucht ist zu erfahren, wie Sie sich aus Ihrer verwickelt kritischen Lage gezogen haben. Schreiben Sie mir ja recht bald. Addio.



Quelle: Der Tiroler Volksaufstand des Jahres 1809, Erinnerungen des Priesters Josef Daney, Bearbeitet von Josef Steiner Innsbruck, Hamburg 1909

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.