Die Kämpfe in Telfs und an der Telfer Innbrücke am 9. August 1809


Eine kommentierte Quellensammlung von Stefan Dietrich


 
 Weitgehend fiktive Darstellung des Gefechts an der Telfer Innbrücke am 9. August 1809 von
 Franz Seelos im ehemaligen Gasthof zur Brücke in Telfs, entstanden 1930

Die Kämpfe zwischen Oberinntaler Landesverteidigern und bayerischen Truppen am 9. August 1809 in und bei Telfs, insbesondere das  Gefecht an der Innbrücke, sind ein zentrales Ereignis in der Telfer Lokalgeschichte des Jahres 1809. Dass sie ihre Position behaupteten, stellte zweifellos einen motivierenden psychologischen Erfolg für die Tiroler dar. Die militärische Bedeutung der Kämpfe und ihre Auswirkung auf den weiteren Gang der Ereignisse sind jedoch gering.

  1. Die Vorgeschichte.

Das Gefecht an der Telfer Innbrücke am späten Nachmittag des 9. August steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Niederlage des bayerischen Expeditionskorps des Obersten von Burscheidt an der Pontlatzer Brücke. Es fand vier Tage vor der entscheidenden dritten Bergiselschlacht statt, an der übrigens auch das an der Innbrücke kämpfende bayerische 9. Linien-Infanterieregiment teilnahm.

An der Pontlatzer Brücke bei Prutz war bekanntlich am 8. August der Versuch der Bayern, das Oberinntal und den Vinschgau wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, in einem militärischen Desaster gescheitert. Ein Großteil der eingesetzten bayerischen Truppen – mehr als 1000 Mann – wurde getötet, verwundet oder gefangen genommen. Es gelang jedoch einem mehrere hundert Mann starken Rest der geschlagenen Kampfgruppe (Teile des 5. und 10. Regiments) unter Führung des Majors von Büllingen sich der Vernichtung zu entziehen und nördlich des Inns und dann über das Gurgltal und das Mieminger Plateau Richtung Innsbruck zurückzumarschieren.

Noch vor Bekanntwerden der Niederlage hatte das französisch-bayerische Oberkommando in Innsbruck das bayerische 9. Linien-Infanterieregiment und ein Escadron des 2. Dragonerregiments unter dem Kommando von Oberst Peter De la Motte ins Oberinntal geschickt. (Über die Stärke dieser Truppe, gibt es zwei unsichere Angaben in Tiroler Quellen; einmal „beyleifig 1200 Mann“ (Pfarrer von Pfaffenhofen) und einmal „3000 Mann“ (Florian Grün). Die erste Zahl könnte der tatsächlichen Stärke nahekommen, letztere ist eindeutig übertrieben.)

Kurz vor Haiming erfuhr der Kommandant, dass das Burscheidt-Korps geschlagen und auf dem Rückzug war und trat daraufhin ebenfalls den Rückmarsch an. Daraus ergab sich die Situation, dass zwei bayerische Kolonnen – nördlich und südlich des Inns – in der Absicht Richtung Telfs marschierten, sich nach Möglichkeit über die Telfer Innbrücke zu vereinigen. Beide Einheiten wurden von Tiroler Landesverteidigern verfolgt und immer wieder attackiert.

  1. Die Kämpfe

Schauplatz 1: Der Durchzug der nördlichen bayerischen Kolonne.
Der auf dem Rückzug befindliche Rest der Burscheidt-Truppen gelangte vom Mieminger Plateau kommend nach Telfs. Die Soldaten waren auf dem Weg von Landeck nach Osten ständig von Tiroler Kämpfern bedrängt worden. Beim Durchmarsch durch Telfs wurden die Bayern wiederholt von Tiroler Kämpfern aus Häusern und Verstecken heraus beschossen. Der Versuch, zur Vergeltung den Ort in Brand zu stecken, schlug fehl.

Die Quellen:
- Über die Zusammenstöße  beim Marsch durch Telfs gibt es zwei Berichte bayerischer Beteiligter. Folgende Passage stammt von Leutnant Sundahl vom 10. Regiment (Bayerisches Hauptstaatsarchiv-Kriegsarchiv, Feldzugsakten B, Krieg gegen Österreich und Tirol, Bund 673; eine Abschrift des Berichtes enthält die „Sammlung Fritz Kirchmair“, Ferdinandeums-Bibliothek, FB 82067). Sundahl schreibt nach der Schilderung von Tiroler Attacken und „immerwährendem Feuer“ zwischen Nassereith und Obermieming:
So ging es bis Telfs. Hier wurde aufmarschiert, um, da die Telfser aus Häusern und Kellern in die Glieder schossen, den Ort anzuzünden. Es wurden zu diesem Behufe einige Granaten hineingeworfen, wovon aber keine zündete. Major Froehlich, der immer sehr brav war, erbot sich, mit 150 Freywilligen das Nest anzuzünden. Es wurde aber gleich wieder aufgebrochen und wir marschierten bis Zirl, wo wir nach einem Marsch von 36 Stunden, ohne etwas im Leibe zu haben, entkräftet und voller Schlaf ankamen.

- Eine zweite Schilderung stammt aus den Erinnerungen eines Soldaten Josef Deifl, Infanterist im 5. Regiment (publiziert 1940 von Eugen Frauenholz):

In Telfs kommen wir wieder auf die alte Straße; eh aber wir dort hinkommen, geht die Straße nah an einen Berg
(gemeint ist möglicherweise das „Meaderloch“, Anm.), da lassen die Tyroller Steinfelsen herunter, ich sah es von weitem und ziehe mich rechts hinweg mit noch einigen Kamerathen. Aber was kommt!? Ein Sumpf (Moß); da wir doch glaubten, es werde nachlassen (end nähmen), wird es aber immer stärker, mir zog es gleich die Schuhe auß, einen hab ich ausgesprengt, und so schlag ich mich doch durch, hab aber nicht mehr Zeit, daß ich andere Schuh anziehe. Ville bleiben stecken. Ich weiß nicht, wie weit noch Telfs entfernt war, die Sonne schien heiß, aber als wir nach Telfs kommen, wars schon dunkel. …
Außer Telfs wird halt gemacht, da war ein weites Feld und die Tiroller lassen nach, weil es schon Nacht wurde, nur von den Häusern und Kirchthürmen schüßen sie hervor, und dies war her und her. – Zur Danksagung für die vergangene Nachtquartierung im Markt Telfs werden einige Kranaten eingeschossen, aber macht keinen Schaden. Soldaten haben her und her in Telfs auch Feier angelegt, aber ohne Schaden, der Meinung, daß wir nicht so stark verfolgt werden sollen.

Danach erreichten die Soldaten ohne größere Probleme Zirl, wo später auch das 9. Regiment eintraf.
(Weiter Angaben über den Durchzug der Bayern durch Telfs liefern einige Tiroler Quellen, die aber, da sie mit den Berichten über den Kampf an der Innbrücke verwoben sind, unten zitiert werden.)

Schauplatz 2: Der Kampf an der Telfer Innbrücke.
Als sich das Regiment Oberst De la Mottes nach dem Rückmarsch von Haiming über Silz,  Stams und Rietz dem südlichen Ende der Brücke näherte, hatten sich dort bereits Tiroler Kämpfer aus dem Raum Landeck und Imst sowie aus Telfs und den umliegenden Dörfern versammelt. Sie hatten sich verschanzt und waren eben dabei, die Brücke durch das Entfernen von Bodenbrettern erschwert passierbar zu machen.
Über das folgende Gefecht, bei dem es zu Schusswechseln über den Fluss hinweg, aber auch zu Nahkämpfen kam, liegen mehrere Berichte vor. Dabei gibt es ein auffallendes Missverhältnis im Hinblick auf die Absichten der Bayern und damit den Grund des Gefechts.

Die Tiroler Quellen gehen durchwegs davon aus, dass der Gegner die Brücke erobern wollte, um den Innübergang zu erzwingen. Dagegen gibt Regimentskommandeur De la Motte in seinem Gefechtsbericht an das Armee-Oberkommando (siehe unten) an, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr die Absicht hatte, die Brücke zu überqueren, sondern mit dem (begrenzten) Angriff lediglich bezweckte, die Tiroler Kämpfer zurückzudrängen bzw. auf Distanz zu halten, um den ungestörten Durch- und Weitermarsch seiner Kolonne samt Tross flussabwärts zu ermöglichen.

Der Oberst berichtet, dass der Flussübergang bei Telfs zwar erst geplant gewesen sei, doch dass der Plan fallen gelassen wurde, als kurz vor dem Eintreffen der Regimentsspitze bei der Telfer Brücke die Nachricht kam, dass die Reste der Burscheidt-Armee Telfs bereits durchquert hatte und Richtung Zirl unterwegs war. (Näheres siehe unten.)


Die Quellen:


- Der Seefelder Pfarrer P. Florian Grün schreibt in seiner Chronik (gedruckt in: Pfaundler/Köfler: Der Tiroler Freiheitskampf 1809 unter Andreas Hofer, Innsbruck 1984):

Bei der Telfser Brücke war der Kampf am hitzigsten, weil die Bayern mit aller Anstrengung den Übergang zu behaupten suchten. Allein die Bretter waren schon vorläufig abgetragen, der gegenüberliegende Schießstand mit Schützen besetzt, die immerzu auf die Bayern herüberfeuerten, und so wurde auch dieser Versuch vereitelt. Sie mussten sich also gefallen lassen, so schleunigst als möglich ihre Retirade durch die jenseitigen Dörfer fortzusetzen. In dem einen Schuß von dem Dorfe Pfaffenhofen gelegenen Bäckershaus fanden sie einen alten Bäckersknecht, an dem sie ihre Wut kühlten, indem sie ihn förmlich nach Art eines Kalbes das Messer in die Kehle stachen und verbluten ließen.

- Im Totenbuch der Pfarre Pfaffenhofen (1809, Pag. 29. u. 30, freundliche Mitteilung von Dr. Josef Witting) findet sich über die Ereignisse folgende, wohl vom Pfarrer verfasste Notiz:

Den 9ten des August Monats hatte bey der Brücke von Telfs und in den Veldern von Pfaffenhofen ein lebhaftes Gefecht zwischen einem von Silz herab retirierenden Corps k. Bayrischer Truppen von beyleifig 1200 Mann und dem aufgestandenen oberinnthaler Landvolke statt(gefunden), welches dadurch veranlasst wurde, weil die jenseits am linken Innufer vorrückenden und eine andere Colone k. bayrischer Truppen von Landeck über Imst, Nasereit, Mieming her, in großer Eile verfolgenden Landsleute ihre weitere Verfolgung dadurch zu decken suchten, dass sie die Telfer Brücke in der Mitte durchbrachen. Solcher Gestalt, und weil auf die Brücke bey Zirl mit welcher eben der neue Bau im Werke war nicht konnte passiert werden, bemühte sich das k. bayrische Corps die beschädigte Brücke zu gewinnen und zum Übergang herzustellen; was aber das jenseits besonders in der Schushitte sich haltende Landvolk, welches nur bey 40 Mann betrug, hartnekig zu verhindern suchte. Auch im sogenannten Panwaldgehölze standen etwas Landsleute hir und da zerstreit, und beunruhigten das Corps auf der rechten Seite und vom Rücken.

So dauerte das Gefecht von 6 bis ½ 8 Uhr Abends; endlich entschloss sich der bayrische Comandant, weil ihm schon viel Mannschaft verwundet und getödet wurde … auf dem diesseitigen Ufer seinen Rückzug zu beschleinigen. Von da aus wurden die Fliehenden, weil es schon Abend worden, nicht weiter verfolgt; sie kamen gegen 10 Uhr Nachts auf dem Inzinger Moos an, arbeiteten die ganze Nacht zur Herstellung der Zirler Brücke, und übersetzten am anderen Morgen um 3 Uhr, wo sich dann beyde Colonen in Zirl vereinigten und nach Innsbruck abmarschierten. Der sonderbar gnädig beschützenden Vorsicht Gottes durch die Vorbitt der seligsten Jungfrau hat es die Gemeinde Pfaffenhofen zuzuschreiben und bedanken es auch alle Einwohner wirklich, dass außer der einzigen Bäckerwohnung, wo geplündert wurde, kein Haus im Ort durch Raub oder Feuer Schaden nahm, wie es doch in so vielen anderen Gegenden des Landes bey solchen Gelegenheiten leider geschehen ist, und eben die am nämlichen Abend jenseits hinabziehende Colone in der unteren Betnau gethan hat, das vor den Augen des hiesigen Volkes, welches größtentheils auf die Berge sich geflichtet hatte, ein Theil im Feuer aufginng.

Bey diesem Vorfalle blieben als tod liegen und wurden am folgenden Tage im dasigen Gottesacker mit kirchlicher Einsegnung beerdigt:
a) Ein gemainer bayrischer Soldat, welcher gefallen ist an der Strasse ober dem Bäckerhaus.
b) Ein Bauernknecht von Nasereit, dessen Geburthsort und Namen nicht erfragt werden konnte. Er ist gefallen im Neuraute.
c) Ein armer Taglöhner Joseph N. von Schwatz, der durch einige Täge bey dem dasigen Bäker gearbeitet hatte, weil er in seinem abgebrannten Vaterorte keine Unterkunft mehr hatte. Dieser wurde im Hause seines Maisters armselig erstochen und schließlich misshandelt tod gefunden.
Gott gebe Ihnen den Frieden

- Der Tagesbericht des Schützenhauptmanns Peter Baumann aus Umhausen über die Kämpfe am 9. August 1809 im Oberinntal (TLA, Bayerisches Archiv, Abschrift in der „Sammlung Fritz Kirchmair“, Ferdinandeums-Bibliothek, FB 82067) ist eine besonders aufschlussreiche Quelle, vor allem, weil sie erklärt, warum die nördliche, von Mieming in Telfs einrückende  Kolonne die Vereinigung mit dem Regiment Oberst De la Mottes nicht abwartete, sondern gleich Richtung Zirl weitermarschierte. Der Bericht hält über das Geschehen bei Telfs bzw. Pfaffenhofen folgendes fest:

Der Feind (gemeint ist die nördliche Kolonne, Anm.) wurde nun wieder … bis nach Telfs weiter verfolgt. Dort stellte sich derselbe wieder auf, vermutlich die Vereinigung hier zu erzwingen. Allein, ich schickte gleich einige Mannschaft, ob dem Feind linkerhand gegen den Lengenberg (ein Hügelzug an der Straße östlich von Telfs, Anm.) hinab. Kaum wurde dem Feind dies gewahr, so fing er wieder zu retirieren an, weil er vermuthlich glaubte, im Längenberg abgeschnitten zu werden, was uns leider nicht gelang.
Unterdessen machten die Bewohner von Telfs selbsten Anstalten, ihre Brücke über den Inn zu vertheidigen, wegen der feindlichen Abtheilungen, die schon durch die Reitzerau heranrückte. Ich ging mit einiger Mannschaft zu Telfs über die Brücke, auf Pfaffenhofen zu, um daselbst den Landsturm aufzubieten, und mit dieser Verstärkung, samt der ganzen Mannschaft, die bey der Telferbrücke aufgestellt war, den Feind beym Klausbach (zwischen Pfaffenhofen und Rietz, Anm.) ganz aufzureiben oder doch wenigstens einen großen Abbruch zu thun.
Allein, wie ich in Pfaffenhofen mit diesem Geschäft begriffen war, so geschah auf die Telfer-Brücke schon der feindliche Angriff, und ich mußte von meinem Geschäft ablassen und mich aus dem Dorfe begeben, weil der Feind schon gegen das Dorf anrückte, ließ die feindliche Retirade vorbey, wobei ich auf diese Art von meiner Mannschaft getrennt war. Ich stellte mich nächst ober dem alten Bierhaus zu Pfaffenhofen auf, damit ich füglich zusehen konnte, wie es bei der Telfer-Brücke zuging.
Damit hatte sich der 9-te August geendet, die Nacht sich eingestellt. Das Volk zerstreute sich, welches der Feind zu seinem Vortheil benutzte, denn von da an konnte er die ganze Retirade ungestört bis Zirl fortsetzen, sich dort vereinigen und so auch ganz ruhig nach Innsbruck ausweichen.

- Einen weiteren Bericht (veröffentlicht in der Schützenzeitung vom 4. Jänner 1850) verfasste ein anonymer Schütze aus dem Gericht Landeck; er gehörte wie Baumann zu den Tiroler Kämpfern, die die zurückweichenden Bayern von Imst über Nassereith und das Mieminger Plateau verfolgten und dann in Telfs zu den Verteidigern der Brücke stießen und schreibt:

Bei Miemingen faßte der Feind seine Stellung, um die Verfolger so lange aufzuhalten, bis der von Innsbruck ihm zugesandte Succurs angelangt wäre. Dieser hat aber die Straße verfehlt und den Weg nach Stamms eingeschlagen. (Anm.: Mir dem „Succurs“ ist das 9. Regiment gemeint. Dass es den Weg verfehlte, trifft nicht zu; Oberst De la Motte hatte von Anfang an den Auftrag, in den Raum Silz-Haiming vorzugehen. Als er Telfs am Vormittag des 9. August passierte, befand sich die von der Pontlatzer Brücke zurückweichende Kolonne – von deren Rückzug er im Übrigen noch nichts wusste – noch weit im Oberland.) Nach einem längeren Kampf, bei dem wir mehrere Verwundete hatten, verließ der Feind seine Stellung; bei Telfs machte er wieder Halt, und feuerte seine Kanonen und Kartätschen ab, auch hier mußte er den anstürmenden Landeckerschützen, womit sich die Imster und Nassereither vereinigt hatten, weichen, und seinen Rückmarsch über Pettnau nach Innsbruck antreten. Kaum hatte er Telfs verlassen, so kam der Succurs von Stamms zurück, und wollte mit Sturm über die Telferbrücke um uns in den Rücken zu fallen. Wir mussten unsere kleine, kaum aus 200 Mann bestehende Mannschaft theilen, um die Fliehenden zu verfolgen, und andererseits die neu Anrückenden aufzuhalten. Kaum hatten wir einige Dielen auf der Brücke aufgezogen, war der Feind schon da, und feuerte seine Kanone gegen uns ab. Wir hielten uns in der nächst der Brücke stehenden Schießhütte, in weniger als einer Viertelstunde war sie aber zusammengeschossen, und nun galt es den Feind vom Vordringen auf die Brücke abzuhalten. Wir machten eine kleine Schanze von einigen Brücken-Dielen, um der feindlichen Kavallerie den Weg zu sperren. Trotz aller Anstrengung der Feinde behaupteten wir unsere Stellungen, es kam sogar zum Handgemenge, wo unsere Schützen von ihren Stutzenkolben Gebrauch machten. Nach langem fruchtlosen Stürmen und bedeutendem Verluste traten endlich die Feinde den Rückzug über Pfaffenhofen nach Innsbruck an. Unsererseits waren drei todt geblieben und mehrere verwundet. Viele von uns waren sehr ermattet, alles war aus den Dörfern geflohen, weshalb wir den ganzen Tag ohne Nahrung bleiben mußten. Man konnte also dem Feind nur wenig Mannschaft nachschicken. Bei anbrechender Nacht kamen die Bewohner von Telfs zurück, und begrüßten uns mit den Worten: Brüder! Ihr habt euch tapfer gehalten.

- Der Priester und 1809-Kämpfer Alois Heinrich Kuen erwähnt in seiner handschriftlichen „Beschreibung einiger wichtiger kriegerischer Begebenheiten im Jahre 1809“ (Ferdinandeums-Bibliothek, FB 2730/Nr. 62) die Ereignisse des 9. August mit folgenden knappen Worten:

Bey der Telfer Innbrücke nebst den Ötzthalern besonders die Telfer, und unter diesen „Metzger Klaus“, Nikolaus Dietrich, und die Pfaffenhofer und Rietzer tapfer gehalten haben, und Pettnau wurde abgebrannt.

- Näher auf den (angeblichen) Anteil von Nikolaus Dietrich am Gefecht geht die Schilderung ein, die der Telfer Landrichter Johann Nepomuk von Mersi im Jahr 1829 verfasste (TLA, Kreisamt Imst, 1829/Provinziale). Da der Bericht dazu gedacht war, eine kaiserliche Pension für Dietrich zu erwirken, besteht die Tendenz, ihn im besten Licht darzustellen:

Die zweyte Waffenthat, die Nikolaus Dietrich als einen Helden damaliger Zeit darstellt, war auch

II. die Vertheidigung der Innbrücke bey Telfs, welche am 9. August darauf statt fand.
An diesem Tag war es, wo die bayrischen Colonnen vom oberen Innthale herab fliehend auf der Strassen von Mieming und zugleich von Silz her gegen Telfs zukamen.
Schon war die erste Abtheilung über Telfs hinausgetrieben, als jene von Silz im vollen Marsche heranrückte. Dies bemerkte Nikolaus Dietrich, und eilte daher mit seinem Schießgewehre bewaffnet, der Innbrücke zu, um dieselbe abzutragen, somit dem Feinde den Übergang, und die Vereinigung mit der schon bis unter den Längenberg zurückgedrängten Abtheilung zu vereiteln.
Wäre diese Absicht nicht erreicht worden, so würde Telfs, wie man allgemein behauptet, ein Raub der Flammen geworden seyn, denn der Feind stürmte wüthend, und unter wiederholtemmalen auf die Brücke, wovon Nikolaus Dietrich mit einigen gleich beherzten Waffenbrüdern, mitten unter dem feindlichen Kugelregen, einen Theil aufhob, und mittels sogenannter spanischer Reiter den Übergang so viel wie möglich zu erschweren suchte.
Die während der Zeit zur Hilfe herbeygeeilten Bauern, welche sich in den an der Brücke stehenden gestreuten Wohnsbehausungen, und in der Schießhütte vorteilhaft postiert hatten, wussten zugleich durch ununterbrochenes Abfeuern ihrer Gewehre, ermuntert durch unermüdete Aufforderungen des Dietrich zur eifrigsten Gegenwehre alle Anfälle auf die Brücke mit nicht unbedeutenden Verlusten der Bayern zurückzuweisen, so, daß sie endlich ohne ihre Absicht zu erreichen, über Pfaffenhofen thalabwärts ziehen mußten.
Bey der Affaire wurde Nikolaus Dietrich von einer Kanonenkugel getroffen, jedoch nur leicht verwundet.

- In einem am 25. Oktober 1930 im „Tiroler Anzeiger“ erschienenen Artikel über den damals von Franz Seelos gemalten historischen Bilderzyklus im „Schöpf-Stübchen“ des Gasthofs zur Brücke geht der Telfer Heimatforscher Josef Schweinester (gest. 1952) auf die (im Bilderzyklus naiv dargestellte) Schlacht an der Innbrücke ein. Die Beschreibung, die die Teilnahme des Metzger Klaus und der Anna Saurer, vulgo Froscher Annele, (siehe unten) am Kampf erwähnt, ist weitgehend fiktiv oder aus der Sekundärliteratur übernommen. Eine authentische Überlieferung könnte aber folgende Passage enthalten:

Es flogen wohl auch manche bayrische Kanonenkugeln über den Inn, aber sie scheinen keinen großen Schaden angerichtet zu haben. Erzählt wird nur von einigen Häusern, an deren Mauerwänden Kugeln stecken geblieben waren, auch im Haus Nr. 15 (Untermarkt) hatte eine Kugel ihre letzte Kraft verbraucht mit dem Durchschlag durchs Holzgebälk, denn sie blieb dann auf einem Strohsack wirkungslos liegen.

- In seinem Buch „Andreas Hofers alte Garde“ schreibt Rudolf von Granichstaedten-Czerva im Unterkapitel „Tapfere Weiber“ ohne nähere Quellenangabe:

Am 9. August 1809 kam es an der Innbrücke bei Telfs zu einem furchtbaren Kampfe gegen die andringenden Bayern. Nebst den Männern stellten sich auch die Telfser Weiber mit Zapin
(ein schweres, pickelartiges Werkzeug für die Waldarbeit, Anm.), Gabeln, Heumessern und Kröllen (eine massive Acker-Haue, Anm.) entgegen und nur wenige feindliche Soldaten betraten den Telfser Boden unverletzt. Die verwegenste unter den Weibern war Anna Saurer, vulgo „Froscher Annele“. Mit dem Kröll in der einen und einem Stein in der anderen Hand ging sie auf die Feinde los. Sie soll dann später eine Zeitlang Lehrerin gewesen sein.

- Die wohl aufschlussreichste Quelle zum Gefecht an der Telfer Innbrücke ist aber der Bericht des bayerischen Oberkommandierenden, Oberst De la Motte, an das Generalkommando der bayerischen 3. Armee-Division, der dann vom Divisionskommandeur Deroy nach München weitergeleitet wurde. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv – Kriegsarchiv, Feldzugsakten B, Krieg gegen Österreich und Tirol, Bund 452; freundlicher Hinweis von Dr. Wolfgang Meighörner; eine Abschrift des Berichtes enthält die „Sammlung Fritz Kirchmair“, Ferdinandeums-Bibliothek, FB 82067)

Dem Bericht De la Mottes ist ein zusammenfassender Randvermerk des Brigadekommandeurs Generalmajor von Siebein vorangestellt, der bezüglich des Gefechts bei Telfs folgende Aussagen enthält:

Auch bei diesem Marsch bewies Herr Oberst sichtbar, mit welcher Klugheit, Vorsicht und Kenntnis derselben das Regiment, die Escadron und die Artillerie geführt, alle Piqueter besetzt, bewaffnet, wo es nöthig war mit Muth, Tapferkeit gebraucht und dadurch die ganze militärische Ordnung erhalten hat.

Da schon die Brücke bey Telfs, der Ort Telfs selbsten, wo der Weg der Colonne hergehen sollte, vom 5-ten und 10-ten Regiment verlassen, die Brücke von Rebellen, so wie die nahen Häuser besetzt, dadurch der Übergang und Rückzug durch Telfs auf der Hauptstraße ganz gestört war, so war es die beste, vortheilhafteste Art, durch die Avant-Garde mit Herrn Hauptmann Seifert drey Züge unterstützt, den Feind zu vertreiben, und dann dadurch den so braven Hauptmann Vandermonden mit der 2-ten Grenadier-Compagnie eine Attaque machen zu lassen, wo der Feind einen erzwungenen Übergang vermuthete, dadurch das Vorbeyziehen erleichtert und das ganze gedeckt war. …

Dieser Vorbemerkung folgt der ausführliche, am 28. August 1809 verfasste Gefechtsbericht De la Mottes, der folgende Telfs betreffende Passagen enthält:

Ich war eben im Begriffe, mit dem 1-ten Bataillon und einer Canone bis Haimingen vorzurücken, als der von mir abgeschickte Wachtmeister Kreßmann ohne seine Mannschaft in größter Eile über Telfs zurückkam, und mir … die unerwartete Nachricht brachte, daß der Herr Oberst von Metzen mit dem 5-ten Linien-Infanterie-Regiment und der Herr Oberst von Burscheid
(Burscheidt war zu diesem Zeitpunkt schon in Tiroler Gefangenschaft, Anm.) mit dem Rest des 10-ten Linien-Infanterie-Regiments ihm auf der Straße nach Nassereith im vollen Rückzug begegnet sey und ihm aufgetragen hätte, mich schleiningst hievon in Kenntnis zu setzen, damit ich sogleich einen Rückmarsch nach Telfs antreten könnte, um mich dort mit Ihrem Corps zu vereinigen.
Auf diese Nachricht hin und da ich in meiner rechten Flanque schon cannonieren hörte, war keine Zeit mehr zu verlieren, um die Brücke bey Telfs zu gewinnen.
Ich beschloss auf der Stelle den Rückzug. …
Ich war mit der Avant-Garde … noch eine ½ Stunde von Telfs entfernt, als die vorgeschickte Cavallerie-Patrouille mir meldete, daß das Corps der Herren Obersten von Burscheid und Metzen schon über Telfs passiert wäre, und die Insurgenten diesen Ort besetzt, die Brücke zum Theil abgetragen und verrammelt hätten, auch näheren sich schon diesseits der Brücke Insurgenten. Auf diese Meldung hin eilte ich mit der Avantgarde bis auf Canonenschuß-Weite gegen die Brücke, um den Feind von der selben und aus denen daranstoßenden Häusern mit Nachdruck zu vertreiben, um meinen Rückzug auf dem rechten Innufer fortsetzen zu können.
Ich ließ drey Züge der an der Tete (= Spitze, Anm.) marschierenden Hauptmann Seiffert-Compgnie in zerstreuter Ordnung hinter die längs dem Ufer und der Brücke gegen die Straße ziehenden Gebüsche vorrücken, welche auf die in denen jenseitigen Häusern und hinter der Brücke postierten Insurgenten ein sehr wirksames Feuer machten, während der Herr Lieutenant Findenauer durch mehrere gut angebrachte Kartätschen-Schüsse den immer mehr über die Brücke andrängenden Feind zum Weichen brachte. Der Hauptmann Seiffert benützte diesen Augenblick, griff denselben mit vieler Entschlossenheit mit dem Rest seines Corps an und verfolgte ihn bis an den Verhau.
Durch diesen lebhaften Angriff gewann ich soviel Zeit, unter dem entfernteren feindlichen Feuer die 2-te Grenadier-Compagnie im Sturmschritt vorrücken zu lassen, und nach dieser mit einem Großtheil der Colonne bei der Brücke ohne bedeutende Verluste zu defilieren und so das gleich unterhalb derselben auf der Straße nach Zirl liegende Dorf Pfaffenhofen zu erreichen, an dessen Besitz mir viel gelegen war, um den noch abgerissenen Train  von Wägen und die Arriere-Garde (= Nachhut, Anm.) aufzunehmen.
So beschwerlich und gefahrvoll diese Passage war, so gelang es mir doch, abends gegen 7 Uhr mit der ganzen Colonne meinen Marsch nach Zirl fortsetzen zu können. Während demselben und bis in die Nacht stieß die Tete der 2-Grenadier-Compagie und die Seiten-Patrouillen öfters auf Insurgenten-Abtheilungen, die aber immer mit dem Bajonett zerstreut und mehrere derselben getötet wurden.
Gegen 10 Uhr abends traf die Colonne an der Brücke bey Zirl ein, wo bereits das Hauptquartier des commandierenden Herrn Generallieutenant und des Herrn General-Major von Siebein war und das bis dahin retirierte 5-te und 10-te Infanterie-Regiment Position genommen hatte.

Am Ende seines Berichtes schlägt Oberst De la Motte mehrere Offiziere, Unteroffiziere und einfache Soldaten seiner Truppe für Auszeichnungen vor. Folgende Passagen nehmen dabei auf das Gefecht bei Telfs Bezug:

Oberlieutenant Hildel ….; auch war es nur die Folge seiner Thätigkeit, daß bei der Passage an der Telfser Brücke mehrere Wägen, welche durch das erneuerte feindliche Feuer in Unordnung gerathen wollten, dennoch sehr schnell in die Colonne wieder eingereiht wurden.

Hauptmann Seiffert, welcher mit seiner Compagnie den ersten Angriff auf die Telfser-Brücke und durch sein muthvolles Betragen das Andringen der Insurgenten vereitelte und dadurch das Vorbeyziehen der Colonne vorzüglich beförderte. …
Von den Unterofficiers und Gemeinen haben sich ruhmvoll ausgezeichnet:
… 6. der Gemeine Mich. Eichhorn, welcher an der Telfser-Brücke tödtlich blessiert wurde
… Vom 2-ten Dragoner-Regiment:
Der Wachtmeister Kreßmann, welcher durch sein kluges, entschlossenes Betragen, ohne Bedeckung mit großer Gefahr in unglaublicher Geschwindigkeit durch Telfs zurückeilte und mich in dem Augenblicke von dem Rückzug der jenseitigen Regimenter benachrichtigte, wo ich im Begriffe war, vorzurücken; hat dadurch wesentlich zu dem glücklichen Rückzug der Colonne beygetragen …
… Ebenso verdient die Artillerie-Mannschaft wegen der guten Bedienung des Sechspfünders bei dem Angriff auf die Telfer-Brücke angerühmt zu werden. …

Dann geht De la Motte noch auf die erlittenen Verluste ein:

Der Verlust des 9-Linien-Infanterie-Regiments in dem Gefechte am 9. August ist in der Anlage enthalten. Meines Wissens ist dem 2-ten Dragoner-Regiment ein blessierter Gemeiner, dann ein Pferd, und von der Artillerie ein Pferd blessiert worden.


Die erwähnte, am 22. August 1809 verfasste Anlage gibt für den gesamten 9. August (also für die Gefechte bei Mötz und Telfs und die ständigen Scharmützel auf dem Marsch von Haiming bis Zirl) folgende Verluste des 9. Regiments an:

Auf dem Schlachtfelde geblieben: Officiers: 0, Soldaten: 1, Pferde: 0

Blessiert: Officiers: 0, Soldaten: 20, Pferde: 0
Gefangen und vermißt: Officiers: 1, Soldaten: 26, Pferde: 0
Notta: Unter den Gefangenen und Vermißten ist nach Aussagen der Compagniecommandanten der größte Theil bekanntlich schwer blessiert zurückgeblieben und konnte wegen Mangel an Wägen nicht mitgenommen werden.

Am 21. April 1810 veröffentlicht das „Königlich Bayerische allgemeine Regierungs-Blatt“ einen Armee-Befehl, der die Namen zahlreicher Soldaten auflistet, die Auszeichnungen erhalten haben. Darunter findet sich auch Wachtmeister Adam Kreßmann von Eßlarn vom 2. Dragoner-Regiment (Zusatz: „vom 9. August“), der für Tapferkeit das Goldene Ehrenzeichen erhielt.

  1. Die Verluste

Die Verluste beider Seiten bei den Kämpfen in Telfs am 9. August 1809 lassen sich durch verstreute Nachrichten zum Teil fassen. Am genauesten sind die oben zitierten Angaben der bayerischen Seite (ein Toter und 26 vermisste Soldaten sowie ein vermisster Offizier, dazu 20 Verwundete). Diese Angaben beziehen sich allerdings auf die Verluste während des gesamten Marsches von Haiming nach Zirl. Namentlich bekannt ist davon nur der in De la Mottes Aufzählung der besonders tapferen Soldaten genannte, tödlich verwundete Soldat Michael Eichhorn. Der unbekannte tote bayerische Soldat, den der Pfaffenhofer Pfarrer erwähnte, dürfte in der bayerischen Verlustliste wohl noch zu Vermissten gezählt worden sein.

Bei den Verlusten der Tiroler Seite ist festzuhalten, dass der anonyme Landecker Augenzeuge von drei Toten und mehreren Verwundeten spricht.

Einige am 9. August 1809 bei Telfs und in der Umgebung von getöteten Tiroler Landesverteidiger werden namentlich in diversen, nach dem Krieg erstellten Gefallenenlisten der Gerichte (mitgeteilt u. a. in der „Sammlung Fritz Kirchmair“) erwähnt. Folgende Namen scheinen dabei auf:

Trenkwalder Josef, Schmied zu Oberhofen, wurde am 9. 8. 1809 zu Oberhofen erschossen

Reitmayr Jakob, Bauer zu Flaurling, wurde am 9. 8. 1809 durch Säbelhieb getötet
Schönherr Georg, Bauernsohn zu Flaurling, welcher am 9. 8. 1908 getötet wurde
Kirchmayr Franz, Bauernsohn zu Pfaffenhofen, welcher am nämlichen Tag in Pfaffenhofen zu Tode gekommen ist
Grünauer Josef, Bauernsohn zu Inzing, der am 9. 8. 1809 erschossen wurde …
Mader Alexander, Bauer zu Barwies, wurde 1809 an der Telfser-Brücke erschossen …
Gamper Josef, Schneider zu Morter (Gericht Schlanders, Südtirol, Anm.), wurde am 9. 8. 1809 zu Telfs erschossen

Ein gefallener Telfer Kämpfer verbirgt sich wohl hinter folgender Eintragung im Sterbebuch der Pfarre Telfs (1809):

Josef Mayr, Nr. 8, 35 Jahre, Bauer, r. k., ledig, erschossen, 9. Aug.


Und schließlich dürfte/könnte es sich auch bei dem im  bereits zitierte Pfaffenhofer Sterbebuch erwähnten Bauernknecht von Nasereit, dessen Geburthsort und Namen nicht erfragt werden konnte, um einen Kämpfer handeln.

  1. Resümee

Wie eingangs erwähnt, gibt es in den Quellen beider Seiten verschiedene Angaben bzw. Meinungen über die Absichten der bayerischen Truppen und damit über den eigentlichen Grund für das Gefecht an der Telfer Innbrücke.

Während die Tiroler Überlieferungen davon ausgehen, dass die Soldaten die Brücke erobern und überschreiten wollten und dabei zurückgeschlagen wurden, sagen die Aufzeichnungen der Gegenseite, dass der bayerische Kommandeur De la Motte, nachdem ihn die veränderte Sachlage vom ursprünglichen Plan zur Gewinnung der Brücke abgebracht hatte, die Tiroler lediglich in ein Gefecht verwickelte, um mit seiner Marschkolonne den neuralgischen Punkt mit möglichst geringen Verlusten passieren zu können.
Bedenkt man, über welchen Wissensstand die jeweiligen Quellenschreiber verfügten und verfügen konnten, ist in Bezug auf Sachlichkeit und Zuverlässigkeit zweifellos dem detailierten und für den internen militärischen Gebrauch bestimmten Bericht des bayerischen Kommandeurs der Vorzug zu geben.
Natürlich ist zu bedenken, dass De la Motte mögliches eigenes Fehlverhalten durch einen von den Fakten abweichenden Bericht verschleiert haben könnte. Dagegen spricht aber vor allem, dass er dafür keinen Grund hatte. Denn sachlich betrachtet hatten weder der Oberst noch seine Untergebenen schwerwiegende Fehler gemacht. De la Motte war im Gegenteil der einzige Kommandeur, dessen Regiment an diesem Tag fast intakt aus dem Oberinntal zurückkehrte.

Die Zuverlässigkeit des Berichtes bestätigt schließlich auch, dass die geschilderten Aktionen einer nachvollziehbaren inneren Logik folgen. Nachdem klar war, dass die Burscheidt-Truppen Telfs bereits durchquert hatten, als das 9. Regiment das Südende der Brücke erreichte, hatte die risikoreiche Flussüberquerung bei Telfs ihren Sinn verloren. Logisches nächstes Marschziel war jetzt die Zirler Brücke, deren nördlichen Brückenkopf man in bayerischer Hand vermuten konnte und die deshalb viel leichter zu gewinnen sein würde. Da De la Motte nicht wissen konnte, wie viele Tiroler Kämpfer sich inzwischen in Telfs (und überhaupt am nördlichen Innufer) versammelt hatten, war sein vordringliches Ziel nun, den Gegner daran zu hindern, den Vorbeimarsch des Regiments durch intensiven Beschuss zu stören oder gar durch einen Vorstoß über die Brücke den Tross oder die Nachhut abzuschneiden. Die sich über mindestens einen Kilometer hinziehende Marschkolonne wäre für derartige Aktionen zweifellos ein verlockendes Ziel gewesen.

Und schließlich sprechen auch der zurückhaltende Truppeneinsatz und die geringen Verluste für die Version De la Mottes. Da es dem Oberst angesichts der zahlreichen militärisch kompetenten Zeugen im Offizierskorps wohl nicht möglich gewesen wäre, diese Angaben zu verfälschen, muss davon ausgegangen werden, dass am Gefecht (abgesehen von der Artillerie) nur die Kompanie Seiffert und die 2. Grenadierkompanie, insgesamt also höchstens 300 Mann, beteiligt waren, was auf alles andere als einen massiven Ansturm hindeutet. In dieses Bild passen auch die bayerischen Verlustzahlen von einem Toten und 26 Vermissten, von denen, wie bereits  erwähnt,  die allermeisten wohl nicht an der Telfer Brücke, sondern bei den wiederholten Scharmützeln zwischen Haiming und Zirl „verloren gingen“. Diese geringen Verluste deuten nicht auf einen erbitterten Angriff zur Erzwingung des Flussübergangs hin, der im Abwehrfeuer der Tiroler scheiterte, sondern auf überlegt geführte Sicherungsvorstöße.

Trotz des scheinbaren Widerspruchs ist es möglich, die bayerischen und Tiroler Quellen zu synchronisieren. Es ist absolut plausibel, dass De la Motte mit seinen Vorstößen lediglich beabsichtigte, die Tiroler zurückzudrängen und zu beschäftigen, während das Gros seiner Marschkolonne samt Tross den gefährlichen „Flaschenhals“ an der Innbrücke passierte. Trotzdem dürften sich die Angriffe in der subjektiven Wahrnehmung der militärisch wenig geschulten Tiroler Kämpfer so dargestellt haben, als wolle der Gegner den Flussübergang für das ganze Regiment erzwingen. Und es lag wohl auch – wie in der Randbemerkung von Generalmajor von Siebein deutlich gesagt wird – durchaus in der Absicht der Bayern, den Gegner in diesem Glauben zu lassen.


Somit haben wir beim Gefecht an der Telfer Innbrücke die kuriose Situation, dass sich beide Seiten als Sieger fühlten und fühlen konnten: Die Tiroler, weil die Bayern nicht über den Fluss gelangt waren und Telfs vor den befürchteten Zerstörungen bewahrt worden war und der bayerische Kommandeur, weil er sein Regiment intakt und geordnet und mit relativ geringen Verlusten durch eine kritische Situation hatte manövrieren können.



Quelle: Die Kämpfe in Telfs und an der Telfer Innbrücke am 9. August 1809, Eine kommentierte Quellensammlung von Stefan Dietrich.
Von Stefan Dietrich freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.

© Stefan Dietrich.