Oberst Luxheim


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

In allen Geschichtswerken über den Tiroler Freiheitskampf des Jahres 1809 finden wir einen „Oberst Baron Luxheim". Nirgends aber steht, wessen Vaters Sohn er ist, woher er gekommen, was sein ferneres Schicksal wurde, ja nicht einmal sein Vorname kommt in der Literatur vor. Da dieser Mann aber bei Andreas Hofer in hohen Ehren stand, es unter ihm zum Oberst brachte und schließlich Oberkommandant des Pustertales mit unbeschränkter Vollmacht wurde, reizt es, das Inkognito dieses Mannes zu lüften. Nach manchen falschen Fährten fand sich endlich in einem Akte der Polizeihofstelle im Archiv des Bundeskanzleramtes (Inneres) in Wien des Rätsels Lösung. Luxheim war am 26. Jänner 1810 in Wien verhaftet worden und gab nun im Polizeiverhör eine unfreiwillige Selbstbiographie.

Er hieß richtig Ferdinand Anton von Oulerich (D'Oulerich), war im Jahre 1767 zu Thann (Kreisstadt im Oberelsass bei Mülhausen) geboren, katholisch, mit Beatrix Freifrau von Girardi (geb. 1769), Tochter des Thaddeus Freiherrn von Girardi, Grundherrn von Limburg und Sasbach (Breisgau), verheiratet, und wurde für den Militärdienst erzogen. Da seine Eltern ein Gut Luzheim besaßen, nannte sich Oulerich seit 1805 „von Luxheim". Unter diesem Namen machte er auch den Tiroler Freiheitstampf 1809 mit, weshalb wir ihn weiterhin so nennen wollen. Luxheims Vater Anton von Oulerich, aus einer französisch-elsässischen Adelsfamilie stammend, war Offizier bei einem Schweizer Regiment in ehemals französischen Diensten (1798), seine Mutter wurde ein Opfer der französischen Revolution (1794) und starb im Gefängnis zu Nancy.

Luxheim, dessen äußere Erscheinung wenig gewinnend gewesen sein soll, beginnt schon sehr früh seine militärisch-abenteuerliche Laufbahn. Er tritt 1779 bei der königlich-(Ludwig XVI.)französischen Marine ein, wurde 1784 Unterleutnant im Regiment Berwyk, 1794 Leutnant im österreichischen Husarenregiment Prinz Rohan, das er 1795 als Rittmeister verließ, um von 1796 bis 1799 bei der „Nobelgarde zu Pferde" beim Condè'schen Korps zu dienen. Zum Major avanciert, muss er, dem Stockacher Tumult (25. März 1799) entronnen, das Korps wegen eines Duells mit einem russischen Major verlassen. Nun fing er wieder von vorne an und trat 1800 als Kadett beim Grenz-Husarenregiment in Wien ein. Diese Anstellung verdankte er einer Empfehlung des Herzogs L. A. H. von Enghien (1722 bis 1804) an den Erzherzog Karl (1771 bis 1847). Aus Gesundheitsrücksichten verbrachte er nach dem Frieden von Luneville (9. Februar 1801) die Zeit von 1800 bis 1805 in seiner Heimat Sasbach. Anlässlich eines Besuches in Frankfurt wurde er 1805 dort verhaftet, nach Paris geführt und während der ersten napoleonischen Kriege im Pariser Tempelturm durch 2 1/3 Jahre eingekerkert, aber endlich über Intervention einer Prinzessin von Lothringen entlassen, dann nach Straßburg abgeschoben (Sommer 1808), jedoch dort wieder durch drei Monate interniert, schließlich aber auf Grund einer von seinem Schwiegervater gestellten Kaution enthaftet. Noch immer von den Franzosen als verdächtiger Spion verfolgt, flüchtete Luxheim nach Zürich und Bern, und schließlich nach Österreich (Vorarlberg).

Sein erstes Auftreten in Tirol erfolgte Ende Juli 1809. Luxheim kam aus Vorarlberg über den Arlberg nach Tirol. Er soll am 20. Juli in Bregenz, am 29. Juli in Innsbruck, am 31. Juli in Sterzing, am 6. August im Mittewald und am 8. August vor Lienz geweilt haben. Um diese Zeit hatte der französische General Ruska die Stadt Lienz eingenommen und rückte gegen die Lienzer Klause; da stellte sich Luxheim an die Spitze der Pustertaler Bauern, die er durch Ranzionierte, bewaffnete Landesverteidiger und Freiburger Studenten (Hauger, Tritschler) verstärkte, und griff bei Leisach die Truppen Ruskas an. Wiewohl hiebei Luxheim keinen Sieg erfocht, zog sich Ruska doch zurück. Damals schon, wie später, war Luxheim als Abenteurer, feiger Schwätzer, unbrauchbar, unkundig, ein Mann des aufgeregten Volkes, eine fragwürdige Gestalt, ein englischer Söldling, beschrieben. Da Anton Steger das Kommando des Pustertales wegen Misshelligkeiten anfangs August niederlegte, übernahm, von Martin Teimer und Eisenstecken hiezu empfohlen, Luxheim das Kommando. Bei der Wiedereinnahme von Leisach durch die Franzosen warf Luxheim die Waffen, Uniform, „selbst den Geldbeutel" (!) von sich und floh auf seinem Pferde über Welsberg bis Bruneck.

Dann hören wir nichts bis zum Einzug Hofers in Innsbruck (15. August 1809). Am 19. August 1809 verfasste und unterfertigte Luxheim, der sich stets an Hofer herandrängte und sich bei ihm auf jede Art geltend zu machen suchte, die berühmte „Vorstellung" Andreas Hofers an Kaiser Franz, in der der Zustand des Landes in den kräftigsten Zügen geschildert wurde. Luxheim stand damals auf dem Höhepunkt seiner Macht; seiner Unterschrift fügte er den Titel „Oberkommandant von Pustertal" bei. Auf Grund eines (gedruckten) Befehles Andreas Hofers vom 19. August 1809 begab sich Luxheim ins Pustertal und führte dort die Aufsicht über alle im Lande zusammengefangenen Marodeure, Plünderer, Räuber und ähnliches Lumpengesindel.

Zehn Tage nach seinem Besuch bei Hofer in Innsbruck finden wir Luxheim, und zwar eine Zeit lang als Defensions-Oberkommandant im Pustertal; dort stritt er sich mit dem Leiter der Schutzdeputation Doktor Philipp von Woerndle herum; er nahm immer den Mund voll, ohne irgendwie nützliche Dienste zu leisten und war dabei ebenso unbotmäßig wie unfähig. Um seinen kriegerischen Ambitionen zu frönen, zog er am 31. August 1809 gegen Ampezzo. Er hatte ein Freikorps aus den österreichischen Selbstranzionierten gegründet (400 Mann), das den Namen Luxheimsches Korps oder „Erzherzog-Johann-Freikorps" führte. Die von Belluno heranrückenden Franzosen griffen ihn aber zuerst an und vernichteten in einem blutigen Gefechte den größten Teil der Mannschaft Luxheims. Luxheim selbst verbarg sich in einem Wagen, um nach dem Pustertal zu entkommen, weil die aufgeregten Tiroler Landesverteidiger das Unglück dem Verrate oder der Feigheit Luxheims zuschrieben. Dieser kam aber nur bis in die Feste Peutelstein, die von den Hilfstruppen unter Hauger wieder eingenommen wurde. Luxheim sammelte nun die Reste seines Freikorps, besetzte das von den Feinden verlassene Ampezzo, griff dann den Feind bei Chiapuzzo an, erlitt aber infolge der Übermacht des Feindes eine vollständige Niederlage (29. September).

Zum drittenmal war das Freikorps vernichtet worden. Luxheim entkam wieder durch die Schnelligkeit seines Pferdes und zog nach Lienz, wo er das Vorposten-Kommando im Mölltal erhielt. Major Johann Bapt. Türk übernahm die Reste des Luxheimschen Korps; Luxheim schloss sich als Militärkommandant dem Türk, der Oberkommandant von Kärnten war, an. Beide versuchten die Blockade von Sachsenburg (Oktober 1809). Von seiner Stelle als Oberkommandant des Pustertales hatte ihn Hofer schon am 8. September 1809 enthoben.

Luxheim blieb bis 24. Oktober 1809 in Kärnten. Als er die Nachricht vom Friedensschluss (Friede von Wien, 14. Oktober 1809) bestätigt fand, verließ er die letzte Stätte seines kriegerischen Wirkens, begab sich über Sterzing, den Jaufen nach Meran und Bozen, dann (3. November 1809) über den Vintschgau nach Glurns, Konstanz, Bern, und wieder über Konstanz auf endlosen Irrfahrten nach Wien. Er hatte sich von dem kaiserl. österr. Gesandten in Bern einen Pass nach Wien dedato 20. November 1809 verschafft.

In Wien kam Luxheim, der sich stets Luxsheim unterschrieb, am Samstag 16. Dezember 1809 an und stieg in den Zimmern Nr. 31 und 34 im Gasthaus zur „Hl. Dreifaltigkeit" Innere Stadt Nr. 531 ab. Er hatte eigene Pferde, einen eigenen Wagen, Kutscher und Bedienten; in seiner Begleitung befanden sich mehrere Männer und eine Frauensperson, die sich ursprünglich als seine Gemahlin ausgab, die sich aber später als seine Köchin Magdalena Fillerini aus Innsbruck entpuppte. Er meldete sich zur Audienz beim Kaiser Franz I. und anderen tonangebenden Persönlichkeiten in Wien, wurde zweimal vom Kaiser empfangen und verkehrte auch im Hause des Grafen Wilhelm Sickingen. Bald aber wurde die Polizei auf ihn aufmerksam. Fürst Metternich, damals Außenminister, ersuchte die Polizei um regste Wachsamkeit, die sich die Polizei aber dadurch ersparte, dass sie Luxheim am 26. Jänner 1810 über direkten kaiserlichen Befehl vom 23. Jänner 1810 kurzerhand in Polizeihaft nahm.

Das mit Luxheim aufgenommene erste Polizeiprotokoll entrollt uns das ganze Lebensschicksal dieses dreisten „Aventurier", wie ihn Ignaz Hochrainer in seiner „Chronik des Jahres 1809" nennt. Nach längeren Polizeierhebungen wurde die ganze Habe Luxheims von der Polizei versteigert, mit dem Erlös die Hotelzeche und andere Schulden des „Obristen" bezahlt, er mit allen seinen Forderungen abgewiesen und schließlich per Schub aus den k. k. Staaten ausgewiesen und als „Landstreicher" am 5. März 1810 nach Brünn und Troppau expediert.

Am 9. Juni 1810 richtet er noch aus Ratibor in Preußisch-Schlesien ein Gesuch an den Erzherzog Karl, in dem er sich über seine Behandlung durch die Wiener Staatspolizei beschwert, um eine Anstellung und um Geld bittet, doch legte der Erzherzog über Antrag der Polizei das Gesuch ad acta, da sich alle Behauptungen zum Teil als erlogen, zum Teil als sehr übertrieben erwiesen. Schreibt er doch in dem Gesuche an Erzherzog Karl, dass ihm allein die Ehre gebühre, Tirol nach dem Abzug der österreichischen k. k. Truppen „zum zweitenmale ganz vom Feinde geräumt zu haben".

Über das fernere Schicksal dieses Führers der „Luxheim'schen Bande", des „Luxheim’schen Freikorps“, wie es von Georg Hauger und Major Karl Tritschler bezeichnet wurde, ist bisher nichts weiteres mehr bekannt. Er gab bei der Wiener Polizei an, er beabsichtige nach Spanien zu gehen, da ihm in Deutschland, Österreich und Frankreich der Boden schon zu heiß sei und es ihm anderwärts zu Taten dränge. Da er kinderlos war und die Eltern verloren hatte, mag er wohl Heimatsgefühle nicht besessen und sich lieber in fremden Landen seiner Abenteurer- und Wanderlust hingegeben haben.

Im Jahre 1810 treffen mehrere Tiroler Emissäre den Luxheim als Gast eines reichen Engländers in Ratibor, vielleicht war es der Agent Maurus Horn, einer der rührigsten Agitatoren gegen Napoleon. Wiederholt beschäftigte Luxheim auch die preußische Polizei, deren Gefangener er zweimal war. Die Aussage seiner nach Tirol zurückkehrenden Geliebten, er wäre als Tugendbündler (Geheimbund 1808 in Königsberg in Preußen) füsiliert worden, gehört wohl ins Reich der Fabel. Bei seinem großen Hass gegen das offizielle Frankreich und seiner ewigen Geldverlegenheit ließ sich Luxheim wohl bald in die geheimen Netze verstricken, die England damals über ganz Europa spannte; eine besondere Rolle aber war ihm nicht mehr beschieden.

Anmerkung:

Das weitere Leben von Oberst Luxheim behandelt der Artikel:
Karl-Ludwig Ay, "Politisches Abenteurertum im Napoleonischen Deutschland, Stückradts und Luxheims Deutscher Bund als gesellschaftliches Phänomen" Erschienen in der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Band 36, 1973. S. 146 - 180.
Dankenswerter Hinweis von Ferry Kolarik und Brigitte Kolarik, geb. Luxheim (eine UrUrUr-Enkelin des "Barons"), Email-Zusendung 4. September 2009.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 319 - 323.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.