Die Ausweisung des Professors Schultes
von Rudolf Granichstaedten-Czerva
Eine interessante Figur im Innsbrucker Universitätssemester 1808 — 1809 war der später zu großer Berühmtheit gelangte Professor Schultes. Josef August Schultes war am 15. April 1773 in Wien als Sohn eines Schmiedes, später Kammerdieners des Grafen Oettinger, geboren, sollte nach des Vaters Wunsch Kaufmann, nach der Mutter Wunsch Geistlicher werden. Beide Berufe behagten ihm aber nicht und er verlegte sich unter großen Entbehrungen auf das Studium der Naturwissenschaften, wurde 1796 Dr. der Medizin, und erhielt schon im nächsten Jahr, kaum 24 Jahre alt, die Lehrkanzel für Botanik an der Theresianischen Ritterakademie in Wien, wo er daneben auch als praktischer Arzt wirkte. Im Jahre 1806 wurde er als Professor für Chemie und Botanik an die Universität in Krakau berufen.
Schultes war ein verbitterter, eigensinniger, gallsüchtiger Charakter, der sich viele Feinde schuf und außer wenigen Freunden, die er später auch abstieß, niemanden gelten ließ. Dabei war er unstreitig ein Genie, ein Talent, ein Gelehrter von hohem Format. Sehr bald zerstritt er sich in Krakau mit zwei Kollegen (Littrow und Knoll), die er unaufhörlich angriff. Die Regierung musste sich ins Mittel legen. Es gelang ihm, dass er an die Universität Innsbruck berufen wurde, wo er Naturgeschichte nach Blumenbach und Linnèe vorzutragen hatte.
Schon von Wien aus verband ihn ursprünglich ein inniges Freundschaftsverhältnis mit dem jungen Josef von Giovanelli (geb. 1784, gest. 1845). Beide waren begeisterte Naturforscher. Als nun Tirol durch den Preßburger Frieden (1805) an Bayern kam, sympathisierte Schultes, der in Wien mit der Regierung wegen zu geringer Dotierung seiner Forschungsarbeiten stets im Kampfe lag, mit Bayern und zerriss dadurch die Freundschaft mit dem streng österreichisch gesinnten Giovanelli. In einem Briefwechsel (15. und 19. Oktober 1808) krachten die beiden Geistesgrößen wie kämpfende Hirsche aneinander.
In Innsbruck fand Schultes für seine Forschungen ein — Paradies! In dem bayerischen Generalkommissär Grafen Karl Arco (geb. 1769, gest. 1856) erstand ihm ein hoher Gönner, der sofort vom König Max Josef eine Summe von 3900 Gulden für die Errichtung des physikalischen Kabinettes bewilligte. Auch aus der alten Raritätenkammer von Amras durfte sich Schultes alles nehmen, was er brauchte, trotz des heftigen Protestes der dort als Verwalter dienenden Rentbeamten Anton Pfaundler (geb. 1757, gest. 1822). Er nahm nun einen kostbaren Tisch mit eingelegten Steinen für sein Mineralienkabinett, den Federmantel eines Indianerhäuptlings für seine Vogelsammlung, einen Schreibtisch aus Ebenholz, der zugleich ein Klavier war, nebst kostbarer Uhr für das physikalische Kabinett, usw.
Schultes konnte sich in Innsbruck wieder nicht lange halten. Er denunzierte die Aufstandspläne der Tiroler an die bayerische Regierung (16. März 1809) und beschimpfte den Klerus in gehässiger, oft unflätiger Weise. Das erregte schon in Wien den Zorn des Hofrates Josef von Hormayr, der ihm Rache schwor. Als Hormayr dann nach Tirol kam (15. April 1809) und die Regierungsgeschäfte übernahm, war sein erstes Werk — auf Grund der Patente vom 8. April 1809 (Villach), bzw. 13. April 1809 (Udine) — die Ausweisung des unverträglichen Schultes.
Binnen sieben Stunden musste Schultes, der in Innsbruck noch mit Giovanelli zusammengetroffen war, am 22. April, auf eigene Kosten, die Stadt am Inn, seine im fünften Monat schwangere Frau und seine Kinder in größter Dürftigkeit verlassen. Polizeidirektor Josef von Atzwanger hatte dem Schultes den Ausweisungsbefehl um 8 Uhr früh zugestellt und um 3 Uhr nachmittags musste Schultes Innsbruck für immer verlassen. Von Lienz aus schrieb er noch an Giovanelli und legte diesem dar, was er für die Innsbrucker Universität geleistet habe: Über 1545 seltene Pflanzen habe der botanische Garten durch ihn erhalten und hätte noch weitere 4000 Stück bekommen, mit allen angesehenen Mineralogen der Welt habe die Innsbrucker Universität durch ihn Verbindungen angeknüpft, das physikalische Kabinett, durch die Reste von Amras und Neustift bereichert, sei eine Sehenswürdigkeit, Tag und Nacht habe er an dem Ausbau der Universitätssammlungen gearbeitet, usw.
Schultes musste mit Extrapost über Bruneck und Lienz nach Klagenfurt, wo er am 16. Mai ankam. Giovanelli war über die drakonische Maßregel Hormayrs gegenüber Schultes sehr empört und diese Deportation war die Ursache einer dauernden Entfremdung Hormayr's und Giovanelli's. Schultes' Lehrkanzel in Innsbruck wurde durch den Mediziner Dr. Franz Schoepfer besetzt. Giovanelli sorgte großherzig für Schultes' in Innsbruck zurückgebliebene schuldlose Familie.
Von Klagenfurt brachte man den furchtbar fluchenden Religionsspötter Schuttes in der zweiten Hälfte Mai über Preßburg nach Fünfkirchen (Ungarn) und erst Ende September ließ man ihn dort frei, worauf Schultes nach München reiste. Die Freilassung erfolgte im Wege der Auswechslung. Der von Natur aus rachsüchtige Schultes ließ nun seinen ganzen Zorn an der österreichischen Regierung und an den Tiroler Freiheitshelden aus. Er schrieb ein Pamphlet „Zwei Aktenstücke über die Tiroler Meuterei", das er nicht mit seinem Namen zeichnete, so dass in der Literatur ein Prof. Malfiner (gest. 24. Dezember 1809). bzw. ein nicht existierender Prof. Mathes als Autor galt. Die Schrift strotzt so von Denunziationen, Unwahrheiten, Schmähungen, dass wir hier nicht einmal Proben daraus wiedergeben können. Ein Herr des Stamser Konvents schrieb darüber: „Die ganze vom verachtungswürdigen Verfasser, der Kanaille Schultes, sich selbst errichtete Schandsäule, die ganze Schmähbroschüre, zu deren elenden Zusammensetzung selbst die Buchstaben errötet wären, wären sie nicht aus Metall gegossen, ist nichts als rindsdummer Tollsinn, unbegreifliche Hirnwut, ausgespien durch ein nur eines brutalen Tones fähiges, satanisch saugrobes Gassenhauermaul, wodurch sich der niederträchtige Mensch nur selbst auf den verdienten Schandpranger gestellt hat."
Nach diesem widerlichen Federkrieg, den Schultes verlor, da auch sein Buch „Geschichte der Deportierung der kgl. Zivilbeamten nach Ungarn" (1. Bd. v. Schultes, 1810) keinen Glauben fand, erhielt Schultes 1810 eine Professur für Naturgeschichte an der Universität Landshut, in welcher Stadt er am 21. April 1831 starb.
Schultes, der als Gelehrter große Bedeutung erlangte und eine Reihe epochaler Werke auf dem Gebiet der Medizin, Naturgeschichte, Botanik und Chemie schrieb, charakterisiert sich selbst durch einen Spruch, den er auf das Halsband seines Hundes, den er stets mit sich führte, gravieren ließ: Ich bin der Hund des Dr. Schultes, und wessen Hund bist du? —
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.