Schwaz, 15. Mai: 420 Häuser niedergebrannt



Ein Bürger erlebt, wie Schwaz geplündert und niedergebrannt wird

Nun brach der verhängnisvolle, für Schwaz unvergessliche 15. Mai heran...

Wir können uns noch kaum erklären, wie es denn kam, dass wir den nahen Anzug der Feinde nicht früher merkten. Es wurde doch von Strass und Rotholz bis hierher unausgesetzt, freilich ohne Gebrauch der Kanonen, geplänkelt, indem die Schützen und Stürmer von den Anhöhen herunter beständig den Feind beunruhigten... Der Feind war auch wirklich sehr stark: er hatte 12.000 bis 15.000 Mann... doch wollte man dem Feinde noch in und um Schwaz einen Abbruch tun... Das gewaltige Feuer dauerte eine Stunde. Endlich zog sich das Militär und Sturmvolk auf allen Seiten zurück... Es harrten noch manche von uns, in Gewölbe und Winkel verkrochen, auf das gänzliche Ende der Kanonade; andere zitterten im Zimmer den kommenden Ereignissen entgegen, und einige wagten es, auf den Dächern die Bewegungen des Militärs zu beobachten, als man auf einmal von allen Seiten nichts anderes hörte oder sah, als Tore und Türen gewaltsam aufbrechen, Kästen und Behältnisse einschlagen, Sessel, Geschirr, Fensterscheiben und andere Gläser zertrümmern, Menschen von jedem Stande und Alter und Geschlechte misshandeln und ihnen ein durch Mark und Bein dringendes Jammergeschrei auspressen. O schaudervolle Stunden! —Gleich nach dem Abzuge der Österreicher und Stürmer schrien sie bei dem Marktbrunnen wild umher: „Wo ist der Hauptmann Lergetporer?“ Mit Tigerwut stürmten sie dann in das Haus, und während einige seinen Bruder mordeten, schleppten andere seine Gemahlin in das Lager. Was diese rechtschaffene Frau auf dem Wege und im Lager ausstehen musste, lässt sich kaum sagen. Sie drohten ihr mit allen Todesarten, sie rissen ihr die Kleider vom Leibe und spotteten dann recht höhnisch: „Nun, wie galant, Frau Hauptmann!“... Es ist wirklich ein besonderer Zug der bayerischen Grausamkeit, dass sich ihr Geifer gerade auf alte, kränkelnde und wehrlose Leute am heftigsten ergoss. Einem alten Aufleger schlugen die Unmenschen in seinem Quartier mit den Säbeln die Hände ab, zogen dann die Haut bis über die Ellbogen zurück. So geschunden, ließen sie ihn schreien und bluten und liefen auf eine kurze Zeit fort. Die Tochter brachte nun den unglücklichen Vater zur Sicherheit in den Keller.

Kaum war er dort, als sie wieder kamen, ihn in viele Stücke zerhauten... Ein alter Handwerksmeister sollte den Barbaren seinen Keller öffnen; der zitternde Greis findet nicht gleich den Schlüssel; flugs schießt ihn einer tot; ein anderer eilt hinzu, stößt ihn sein Bajonett so durch den Hals, dass es im Boden steckt... Einen dürftigen Vater von drei kleinen Kindern steckten sie ganz nackt mit dem Kopfe und dem oberen Teil des Leibes in den vor seiner Hütte befindlichen Misthaufen; den übrigen Körper ließen sie hervorragen, und so musste der gute Mann ersticken. Den alten Spitaldiener prügelten sie so tüchtig, dass er nach zwei Tagen sterben musste...

Wo ihnen ein Mädchen aufstieß, wurde es misshandelt. Manche, die sich widersetzten oder fliehen wollten, wurden ihrer Kleider gänzlich beraubt und nackt durch die Gassen und mitten durch den Markt gejagt... Die viehische Wollust schonte die ältesten und hässlichsten Weibsbilder nicht. Ein altes Weib wurde ganz entkleidet durch eine ganze Gasse geschleppt und blieb am Ende der Gasse tot liegen... Dieses Plündern, Rauben, Zerstören, Misshandeln, Schänden, Morden begann um 3 Uhr Nachmittag und dauerte den noch übrigen Tag und die ganze Nacht fort. Zu diesen Schreckensszenen kamen noch andere, und zwar weit fürchterlichere. Schon nach 4 Uhr wurde es allmählich im Markte bekannt, dass es im Dorfe außer dem Lahnbache brenne, und um 6 Uhr standen schon gegen 30 Gebäude in Flammen. Die Bewohner des eigentlichen Marktes sahen freilich wegen des hohen Bettes des Lahnbaches von dieser Brunst nur den himmelhoch aufsteigenden Rauch; aber ein anderes Feuer schwebte gerade vor ihren Augen: Das am linken Innufer gelegene, von Schwaz eine halbe Stunde entfernte Dorf Vomp ward um 5 Uhr in der Mitte und auf allen Seiten angezündet und bildete gleichsam nur ein Feuer... Gott, wie war nun uns Bewohnern des Marktes bei dem Anblick dieses Feuers zumute... Es war eben 7 Uhr vorbei, als die Brunst begann, und in wenigen Augenblicken standen drei oder vier Häuser in Flammen. Weil aber bei einer gänzlichen Windstille das Feuer nicht nach ihrem Wunsche sich ausbreitete, so zündeten sie um 8 Uhr in dieser Gasse noch in zwei Orten und in der daran stoßenden, längs am Innufer gelegenen in vier Orten, bei dem äußersten Hause angefangen...



Quelle: Schwaz, 15. Mai: 420 Häuser niedergebrannt, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 1649: Die Schreckenstage von Schwatz im May 1809. Ein Versuch von B.J.S., einem Augenzeugen. (Ausschnitt), in: Wolfgang Pfaundler, Werner Köfler, Der Tiroler Freiheitskampf 1809 unter Andreas Hofer, Zeitgenössische Bilder, Augenzeugenberichte und Dokumente, München 1984, S. 100.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.