Anton Knoflach's Tagebuch (Teil 3)


Den 19. September. Ich stehe als Ordonnanz beim Herrn Vater. Er speist mit 10 andern im kleinen Saale, wo die französ. Offiziers speisten. An die Wand ließ er ein Crucifix und ein Marienbild hängen. Das Tischtuch war äußerst beschmutzt; der Tisch mit Weinflaschen ganz bedeckt. Gester sollen die Herren in der Burg besonders wohlgemuth gewesen seyn; sie sangen sogar das Lied: Die liebe Feyerstunde schlägt.

Halb 9 Uhr abends. Der Ordonnanzdienst war ziemlich stark; kaum hatte ich Zeit zum Essen. Oft mußte ich heimlich lachen, so sonderbare Gruppen sah ich. Einmal saß der Herr Vater mit 5 vertrauten Bauern und dem Purtscher an einem Tische voll Schriften; der eine pfiff, der andre schmauchte, ein dritter streckte gähnend die Arme auseinander; einer ließ sich durch nichts stören und las aus einem geistlichen Buche. - Das Wasser aus der Flasche in ein Glas zu gießen, ist ihnen zu viel Mühe; sie setzen den Hals der Flasche an den Mund. — Übrigens drängt sich alles an den Sandwirth. Mich wunderts, daß er nicht schon verrückt wurde; auf so verschiedene Gegenstände soll er Bescheid geben.

Den 20. September. Als ich gester spät in die Hofburg kam, war der Sandwirth mit seinen Leuten im Rosenkranz-Bethen begriffen; das Gebeth wollte kein Ende nehmen. - Das Gespräch beim Abendessen war immer von Geistern, Hexen, u. d. g. Nach der Tafel tranken einige fort, andere spielten. Der Sandwirth mit drey andern sang ein Tiroler Lied; er machte den Vorsänger. Um 11 Uhr gieng alles auseinander.

Schon halb 6 Uhr früh kam der Sandwirth ohne Schuhe und Strümpfe in das Ordonnanzzimmer; er sprach einige Minuten mit mir. Jemand warnte mich, ja auf meiner Hut zu seyn, da ich verdächtig sey und man mich sehr beobachte. Ich bin ohne alle Sorge.

Heute abends kamen Kühe von den Alpen zurück. Die meisten ließ der Sandwirth durch die Hofgasse treiben, damit er sie sehen konnte. Er gieng, so lang der Zug dauerte, keinen Schritt von der Altane und sah sehr vergnügt auf das Vieh. Die meisten Kühe hatten schöne große Büschel von Blumen auf den Köpfen; eine trug kleine Figürchen, wie ein Bauernbursche einem Fräulein die Haarlocken abschnitt. Der Herr Vater rief lachend von der Altane herab: „Söht's, wie einer an Freiln die Hoor oschneidt!"

Den 22. September. Gestern arbeiteten im Berge bei Wiltau über 200 Bauern an Verschanzungen. — Der Landrichter Graßl von Mittersill kehrt morgen nach Hause zurück. Der Sandwirth empfieng ihn heut sehr freundlich und bath ihn um Verzeihung.

Den 24. September. Es geht das Gerücht, der Waffenstillstand sey auf 2 Monate verlängert. Das wäre fatal!

Ich sehe Menschen, die sich dadurch sicher zu stellen suchen, daß sie die jetzige Zeit loben, über Künste, Gelehrsamkeit, etc. schimpfen, zu den Vorübergehenden: Gelobt sey Jesus Christus! sagen u. d. g. — Menschen, die sich sonst zu den sehr gebildeten zählen.

Den 25. September. Es ist eine schreckliche Geldnot. Einige Beamte mußten schon das letzte Bett versetzen oder verkaufen. Auf ihre Bitten um Besoldung werden sie zur Hoffnung auf Gott verwiesen und sich zu helfen, wie sie können — also zum Stehlen? Es ist groß Glück, wenn nicht mancher Hungers stirbt.

Den 26. September. Unsere Bauern sollen den Baiern den Paß Strub mit beträchtlichem Verlust abgenommen haben. Der Pater Rothbart und der Hauptmann Harraßer spielen da unten die Hauptrollen. — Morgen werden für den Grafen Sarnthein die Exequien gehalten.

Den 28. September. Heute wurden bey 300 beym Paß Strub gefangene Baiern, meistens vom Leibregiment, hier eingebracht; morgen sollen eben so viele nebst Offizieren folgen.

Den 29. September. Obwohl es stark regnet, kamen doch die Steinacher in einem zahlreichen Bittgänge in die hiesige Pfarrkirche.

Bey Strub sollen die Baiern von unsern Bauern überfallen und das ganze Leibregiment teils gefangen, teils versprengt worden seyn. - Unter den gefangenen Offizieren, die heut ankamen, war ein Hauptmann, der sich auf dem Transport der in Tirol verübten Grausamkeiten gerühmt haben soll. Diesen ließ, als die Gefangenen auf dem Rennplatze aufgestellt wurden, unser Oberkommandant vortreten und er hielt an ihn vom Balkon folgende Anrede: „Bist du der Lump, der Spitzbub, der Galgenklachel, der Mordbrenner? muß man so mit uns armen Bauern umgehn, da wir euch so gut behandeln?" Zu den Gemeinen, die über seine Heftigkeit erschrocken waren, sagte er: „Ihr habt euch nicht zu fürchten und werdet es bey uns besser haben als bey euerm König. Aber du, du Lump (wieder zum Hauptmann) packe dich aus meinen Augen! Führt ihn sogleich in den schwersten Kerker. In drey Tagen wirst du schon dein Schicksal erfahren." Er wurde hierauf in das Zuchthaus gebracht.

Den 30. September. Gester abends lamen die Deputirten Eisenstecken, Sieberer etc. auf Umwegen zurück; sie haben das k. k. Hauptquartier den 13. d. M. verlassen. Nach ihrer Aussage gehen morgen, den 1. Oktober, die Feindseligkeiten wieder an. Rußland ist aber neutral. Der Kaiser schickte 2 Tiroler nach London, um etwas für die verunglückten Tiroler zu erwirken.

In das Land brachten sie 3000 Dukaten mit und für den Sandwirt nebst einem Belobungsschreiben eine große goldene Medaille mit einer 50 # schweren Kette und Verleihung eines adeligen Rittersitzes in Ungarn. „Den Adel brauch ich nicht", sagte er bey Durchlesung dieser letzteren.

Den 1. Oktober. Der Pater Rothbart, ein Vätter (?) des Sandwirths, Kommandant im Pinzgau, trägt, wie man manchmal den hl. Anton von Padua malt, einen dreygestülpten Hut, eine Scherpe über die Schultern, Stiefel und Sporne. Er war immer voran, soll aber nun vermisset werden.

Den 2. Oktober. Es erscheint ein Patent, dessen Verfasser der junge Hr. v. Giovanelli ist, über die nähere Organisierung der administrierenden Landesstelle. Die Vertheidigungsgeschäfte behält der Oberkommandant sich allein vor.

Den 4. Oktober morgens. Viel Glück und Heil dir zum Nahmenstag, lieber Kaiser Franz! Das vorige Jahr feyertest du ihn in deiner Residenz, wo nun deine Feinde ihr Wesen treiben; dieß Jahr sitzest du trüben Blickes in einem elenden sumpfigen Winkel Hungarns! Und doch möcht' ich lieber du als Napoleon seyn! — — —

Abends. Vor Mittag war Te Deum und solennes Hochamt in der Hofkirche, vom Prälaten zu Wiltau gehalten, der auch die goldene Kette und Medaille weihte und dem Sandwirth öffentlich umhängte. Der Exjesuit P. Tschidrer predigte. Nicht die Kugeln, sagte er, die Bethengrallen haben die Feinde hinausgejagt. Von den Dörfern kamen gleichgekleidete Bauernburschen mit Stutzen, die das Fest sehr verherrlichten. Der Sandwirth, in seiner Festtagsjoppe, war voll Andacht; auf dem Hut trug er ein kleines, mit Blumen eingefaßtes Gemälde. Beim Herausgehen aus der Kirche wurde er beynahe erdrückt. Auch alle Beamten wohnten in Galla der Feierlichkeit bey.

Halb 10 Uhr abends. Im Theater wurde „Liebe zum Besten der Fürsten" von Iffland mit Beyfall gegeben. Es kamen viele Beziehungen auf K. Franz vor, die mit lautem Klatschen aufgenommen wurden. Auch der Sandwirth war da und das Haus gedrängt voll.

Den 6. Oktober. Alles spricht von Frieden; doch Niemand weiß, wem wir angehören. Daß doch die Friedensnachricht sich bestätigte!

Den 9. Oktober. Di Pauli schrieb mir: „Bey nun geschlossenem Frieden hoffe ich Sie bald wieder zu sehen, denn ich kann nichts anderes erwarten, als daß meine Landsleute sich nun freywillig zum Ziele legen werden." Edler Mann! möchte, was du erwartest, in Erfüllung gehn; doch ich fürchte noch gräuliche Auftritte. Also Frieden und wir wieder bairisch! Möchte die Erfahrung die Baiern klüger gemacht haben. Mir ist sonderbar zu Muthe! — Napoleon wird nach München kommen; was da für ein Zusammenfluß von Gaffern seyn wird! Möcht' ihn doch auch sehen.

Auf dem Platze werden heut unter anderm Kanonenkugeln verkauft, die am Berg Isel ausgegraben wurden; sie sollen guten Absatz finden.

Den 10. Oktober. Nach einem so verheerenden Kriege sollte man sich wahrlich des Friedens freuen; doch weh dem, der diese Freude nun bey uns äußerte! Gester wurden zwey Personen arretiert, weil sie öffentlich sagten, es sey bestimmt Friede.

Den 11. Oktober. Es wird publicirt, alle Waffen seyen in die Hofburg einzuliefern. An alle Gerichte ergieng das Aufgeboth, die bereits organisirten Kompagnien ausrücken zu lassen. Der Sandwirth sagte heute, er wette seines Kopf, daß nicht Friede sey; vielmehr seyen schon Österreicher im Anzuge. Er ließ in allen Gemeinden publiziren, sie sollten ja den Friedensgerüchten nicht trauen; sie seyen nur von den Baiern ausgestreut, um die Landesvertheidiger von den Grenzen wegzubringen. Arme Landsleute, wie lange wird man euch noch bey der Nase herumführen? Vermutlich ertönt in wenig Tagen wieder die Sturmglocke. Die ganze Welt frohlockt über den Frieden, nur wir nicht; nur wir werden noch die Greuel des Krieges sehen!

Den 12. Oktober. Der Sandwirth, seine Adjutanten und andere Anführer haben zusammen geschworen, sich nicht zu ergeben, noch zum Ziele zu legen, sondern — nicht zu siegen (daß das unmöglich sey, sehen sie ein) im Feinde zu morden und zu sterben! Alles ist aufgebothen, auf den ersten Wink aufzustehen. Der Sturm der umliegenden Gegend ist angewiesen, sich in der Stadt zu sammeln und da die weitern Befehle zu erwarten. Wahrscheinlich werden dann auch wir Städter mitgeschleppt. — Die Grundbesitzer erhielten Befehl, das Türkenkorn und Stroh vom Felde hereinzuschaffen, damit der Feind sich nicht dahinter verbergen könne.

Halb 10 Uhr abends. Seit heute Mittag ist die Stadt voll vom Gerüchte, daß Tirol, Vorarlberg und Salzburg dem Erzh. Ferdinand zufalle. Der alte Herr v. Giovanelli schrieb seinem Sohne, der Deputirte Nessing habe die Nachricht unmittelbar vom Kaiser gebracht. Sie hat viel wahrscheinliches; ich wünsche es, aber glaub' es nicht.

Den 14. Oktober. Die Gerüchte wechseln und durchkreuzen sich von Stunde zu Stunde. Herr v. Roschmann soll, als Civil- und Kriegs-Kommissär vom Kaiser geschickt, schon im Lande seyn.

Den 18. Oktober. Im Ober- und Unterinnthal soll der Landsturm aufgebothen seyn, sich bereit zu halten. Die kommenden drey Tage hat der Bischof von Brixen auf Ersuchen des Sandwirths als Beth- und Fasttage erklärt.

Den 19. Oktober. In der Stadt ist alles in Bewegung. Gen. Wrede soll schon bis Rattenberg vorgedrungen seyn. Die verflossene Nacht kamen aus Unterinnthal schon viele Fuhren von Flüchtenden und noch immer treffen deren ein. Auch sollen die Baiern wieder gebrannt haben. Die Gefangenen, so zu Hall lagen, wurden hierher gebracht. Überall ist der Landsturm aufgebothen.

Abends. Von allen Seiten strömt der Landsturm zusammen. Es ist wirklich rührend, die armen Bauern auf den ersten Wink Haus und Familie verlassen und dem Feinde entgegen eilen zu sehen. Von Hall kamen heut schon viele Flüchtlinge mit Weibern, Kindern, Hornvieh, etc. Die Baiern sollen schon in Rattenbcrg seyn. Ich bin ohne Furcht, aber habe Erbarmen mit meinen Landsleuten.

Den 20. Oktober. Unausgesetzt ziehen Stürmer jauchzend durch die Stadt. Ich erfuhr bestimmt, daß die Baiern, 8 — 10,000 Mann stark, bis Rattenberg vorgerückt sind. Die Bauern liefen größtentheils davon; nur die Schanzen an der Zillerbrücke sind noch von ihnen besetzt. Hätten die Baiern gester noch vorrücken wollen, sie wären ohne Verlust nach Innsbruck gekommen. Nun wird es sie schon mehr kosten.

Abends. Die Baiern stehen noch zwischen Kundl und Rattenberg. Heut den ganzen Tag eilten Stürmer nach Unterinnthal. Die Stadt sollte heut auf Befehl des Oberkommandanten 10/m F. (10.000 Gulden) vorschießen, doch einigen Löhnungsrückstand zu bezahlen. Man both 3/m F. an; sie wurden nicht angenommen. Alle 10/m F. oder nichts, war des Sandwirths Antwort. Er wisse schon, daß die Stadt nichts thun wolle und daß es noch viel baierisch gesinnte Spitzbuben hier gebe; morgen komme der Landsturm von Oberinnthal: mit dem solle die Stadt es selbst abmachen. — In diesem Tone hat er noch nie gesprochen.

Den 21. Oktober. Wirklich soll heut der Oberinnthaler Landsturm kommen. — Um halb 9 Uhr vor Mittag ist Hr. v. Roschmann hier angekommen. Die Baiern stehen noch auf dem alten Platze; bis morgen Mittags können sie hier sein. Sie kamen heut unvermuthet durchs Zillertal und versprengten alle Bauern in den Schanzen an der Zillerbrücke. Haufen von Hunderten retirirten diesen Nachmittag, und nun, halb 9 Uhr abends, dauert die Retirade noch fort. Sie haben Ordre, den Berg Isel zu besetzen und da sich zu halten.

In der Hofburg ist schon alles aufgepackt. In einer Stunde flieht der Sandwirth mit Roschmann etc. und seine Herrschung hat wahrscheinlich ein Ende. Auf der Straße ist ein gewaltiger Lärm.

10 Uhr nachts. Mit Trommeln und Pfeifen ziehen Bauern jauchzend durch die Stadt. Vielleicht müssen auch wir noch auf den Berg Isel (in montem sanctum) ziehen. Man hört das Läuten und Muhen der Kühe, das Gewinsel der geflüchteten Kinder. Auch viele Leute von der Stadt fliehen. Ich gehe zu Bette.

Den 22. Oktober, früh. Das war eine Nacht! Nicht eine Stunde schlief ich. Unausgesetzt wurde geschrieen, gejauchzt, getrommelt, gepfiffen; Fuhren von Flüchtlingen ohne Ende. Ich glaube kaum, daß in den Dörfern von Schwaz bis hieher noch ein Mensch zu Hause blieb. Alles verläßt seine Hütten. Diese Nacht brannten die Bauern den Ziegelstadel ab, weil die vorigen Male die Baiern sich dort gelagert und verborgen haben.

Auf dem Berg Isel stehn sehr viele Bauern; in der Stadt sind wenige mehr.

Abends. An die Bauern am Berg Isel schlossen sich auch viele Kompagnien Unterländer an. Ein Geistlicher Namens Danai organisiert den Sturm im Oberinnthal; vor ½ St. durchritt er die Stadt und sprach in sehr hochtrabendem Tone; unter andern, er höre auf 8 Tage auf, Priester zu seyn; wer sich nicht füge, den haue er zusammen (aufs Schwert weisend, das an seiner Seite hieng). Er erzählte Gräuelthaten, die Gen. Wrede ausübe; daß vom Kaiser Depechen gekommen; wie er, Danai, alles anordnen wolle, etc. — Wir sind wieder in einer teuflischen Lage. Man sieht viele Wachfeuer am Berg Isel.

Den 23. Oktober, morgens. Die Nacht war wider Erwarten ruhig.

4 Uhr nach Mittag. Heute kamen die letzten Kompagnien aus Unterinnthal zurück. Von Rottholz, wo die Baiern noch immer stehen sollen, bis hierher gibt es keine bewaffneten Bauern mehr, und ihre Hütten stehen verlassen. Weiber und Kinder zogen sich in die Berghöfe zurück. Am Berg Isel stehen wohl bey 10/m Bauern, lauter baumfeste, Strapazzen gewohnte Kerls. Sie verschanzen sich unausgesetzt und bauen sich Hütten. Lebensmittel führen sie von der Stadt hinaus, der sie immer Visiten machen. Danai ist einer ihrer Kommandanten. Wir stehn also nun zwischen 2 Armeen. Die Bauern haben eine Defensionslinie gezogen, die Niemand überschreiten darf, der noch in die Stadt zurückkommen will. Der Landsturm von Steinach und Matrey mußte über Schmirn das Tuxer Joch besetzen, damit die Baiern nicht von dort auf den Rücken kommen. Roschmann soll zu Steinach, der Sandwirth beym Schupfenwirth seyn. Eine Anarchie, wie nun, war wohl nie in dieser Stadt.

8 U. abends. Der größere Theil der Bauern, bei 5000, kam zwischen 6 und 7 U. in die Stadt und wurde einquartirt. Holzknecht, des Sandwirths rechte Hand (erster Minister) und noch ein Passeirer logiren beym weißen Kreuz. Vielleicht gehen sie morgen den Baiern entgegen.

Den 24. Oktober, morgens. Dank dir, Gott! für die so ruhige Nacht!

11 Uhr Mittags. Die meisten Bauern giengen dem Feinde entgegen, jauchzend und frohlockend. Sie wollen die Baiern, die sich zu Rotholz verschanzt haben, mit Gewalt wieder aus dem Lande vertreiben. Aber ich fürchte, sie laufen wieder vor der ersten Patrouille zum Teufel. Danai war es besonders, der sie zu diesem Vorrücken aufmunterte. Unter den Bauern verbreitete man die Nachricht, Salzburg, Tirol und Kärnten sey dem König Ferdinand zugefallen. Roschmann soll es gebracht haben. Ich glaub es nicht, weil es nicht förmlich kundgemacht wird. Das Land wird gewiß, schon des Beyspiels wegen, wieder baierisch. Nur bald einen rechtmäßigen Herrn und ich will mit allem zufrieden seyn! Die abscheuliche Lage dauert zu lang!

12 Uhr. Was das für ein Laufen ist! Die Baiern müssen im Anzug sein. Die Neustadt wimmelt von Bauern. Es ist ein fürchterlicher Lärm. Alles fährt und lauft durcheinander. Man trommelt, trompetet; die Verwirrung ist unbeschreiblich.

Halb 1 Uhr. Die ganze Stadt ist nun wie ausgekehrt; nicht Ein Bauer läßt sich mehr sehen; alle sind sie dem Berg Isel zugerannt. Es sind baier. Reiter nach Hall gekommen, und wie ich voraus sah, alle Bauern liefen davon. Ob die Baiern hierher kommen, zweifelt man noch immer. — Vor Mittag waren die Erequien für den verstorbenen jungen Grafen Tannenberg.

6 Uhr abends. Vom Hausdach sah ich durch ein Fernrohr deutlich eine kleine, bey h. Kreuz nächst Hall stehende Kolonne Kavallerie. Bey der Haller Brücke brannten die Baiern mehrere Kannonen gegen die Ellbögner Straße zu ab; ohne Zweifel stehn Bauern dort. Also nicht bloß eine Patrouille, sondern die ganze Avantgarde muß in Hall angekommen sein. Die Brücken zu Mühlau, Pradl und Wilten sind abgetragen. Die meisten Bauern sind wieder auf den Berg Isel gezogen.

8 Uhr: Viele Bauernhorden ziehen in der Stadt herum; sie trompetten, trommeln, pfeifen, jauchzen, schreyen. Die Baiern sind bey Thaur gelagert. Die ersten Posten stehen schon am Scherer Hof. Am Berg Isel gegen die Gallwiese sind viele Wachfeuer. Ich gehe zu Bette. Ich war noch nie so furchtlos.

Den 25. Oktober morgens. Auch diese Nacht glücklich vorüber! Es ist unbegreiflich! So viele Bauern in und um die Stadt, ohne Anführer, ohne Ordnung und Disciplin, jeder sein eigener Herr, jedes einzelnen Herz voll Haß gegen die Stadt und die Herren; und doch nicht ein einziger Unfug! Die Bauern sind nun alle am Berg Isel in ihren Schanzen; in der Stadt sieht man keinen mehr.

10 Uhr. Vor einer Stunde gieng ein Parlamentär des Sandwirths nach Hall ins bair. Lager. Seine Depeche soll vorzüglich die Frage enthalten: warum Gen. Wrede nach Tirol gekommen, da doch der Friede gewiß sey. — Bauern und Baiern stehen noch in der alten Position.

1 Uhr n. M. Das ist wieder ein Laufen! Ich komme vom Hausdache. Die Baiern rücken schon über die Mühlauer Anhöhe herauf. Sie haben schon mehrere Kanonen gegen die Brücke gelöset.

2 Uhr. Die Hauptwache ist wieder von Baiern besetzt; der Doppeladler verschwunden! Es war schrecklich, die ersten baier. Jäger in die Stadt herein rasen zu sehen. Das war ein Schreyn! Wrede ist vor ½ St. zu Fuß an der Spitze eines Bataillons eingezogen. In der Neustadt ist türkische Musik. Vom Berg Isel herab hört man mehrere Kanonenschüsse. Auf der Hauptwache wird rasend gesoffen.

Halb 3 Uhr. Vivat! Vivat! ertönt's von allen Seiten. Warum? Weil so eben der Kronprinz, stark eskortiert, vorbeyritt.

3 Uhr. Gen. Wrede mit einem baier. und einem französ. General sitzt auf zerlumpten Sesseln mitten in der Neustadt und trinkt Wein; Flasche und Gläser auf der Erde.

6 Uhr abends. Die ganze Stadt ist vom baier. Militär wieder geräumt. Das Hauptquartier ist zu Hall. Alle Kranken, Blessierten, hier verborgenen baier. Gefangenen etc. führten sie mit sich ins Hauptquartier. Auch alle Wachen sind wieder unbesetzt; nur einige Reiter als Patrouille bleiben hier. Wahrscheinlich kommen diese Nacht wieder die Bauern. Vor einer ½ St. — wer sollte es glauben? — haben sie 2 Blessierte und mehrere Musketten herabgetragen; ein Piquet muß sich zu weit hinausgewagt haben. Baron Reinhart, Rapp, Azwanger, der Gubernialrath v. Anderlan, Gaßler, die Frau v. Stadler (ihr Gemahl hat sich verkrochen) und Baron Lochau, der letzte mit 3 Mann Wache, wurden in das Hauptquartier abgeführt. — Morgen, sagen die Baiern, kommt das Hauptquartier hieher. In der Hofburg müssen die Zimmer für den Kronprinzen zugerichtet werden. Sie sagen, der Friede sey gewiß; die Bedingnisse wissen sie nicht.

Halb 8 Uhr. Ich war mit dem Hausherrn auf dem Dache. Eine Kugel pfiff nahe an uns vorbey. Die Bauern sind wieder in der Stadt; sie schreyen und lärmen, jauchzen und schießen wie Wahnsinnige. Selbst in den Zimmern ist man nicht sicher; ich hörte schon zerschmetterte Fenster klirren. Der Schrecken kostet gewiß manchen das Leben. Die Berge gegen Amras, Berg Isel und Axams scheinen in Flammen zu stehen; so viele Feuer sieht man. Mir brennt und schmerzt der Kopf vor lauter Wirrwarr. Ich wohne aber auch der Hauptwache gegenüber, wo immer der Lärm am größten ist.

Den 26. Oktober morgens. Das war noch die allerunruhigste Nacht. Es wurde nichts als geschossen, gepfiffen, gesungen, geraset. Die Sandwirth-Dragoner ritten wie Besessene herum. — Die baier. Vorposten stehn zu Mühlau. Gester plünderten sie hier das Haus vom Vater des Rapp und suchten auch den alten Mann, einen Bäckermeister, auf; ein Beweis, wie der Sohn bei ihnen angeschrieben steht. In der Nacht fielen mehrere kleine Vorpostengefechte vor; es war sehr mondhell.

Halb 12 Uhr. Noch ist alles in statu quo. Auf die baier. Vorposten bey Weyrburg schießen die Bauern vom Steinbruch herab. Unterbrochen fallen immerfort Stutzenschüsse.

4 Uhr. Die Stadt wimmelt wieder von Bauern. Sie rücken den Baiern entgegen. Viele wollen nicht und zanken sich darum mit einem besoffenen Sandwirth-Dragoner. Ein schwer blessierter Bauer wird ins Spital getragen. Die Baiern schießen aus dem Löwenhause; die Bauern stehen im Hofgarten.

Halb 7 Uhr. Das Schießen hat nun aufgehört. Es sind wenig Bauern mehr in der Stadt.

Halb 8 Uhr. Man hört heftig feuern. Ich war auf dem Dache. Was das für ein herrlicher Anblick ist! So viel tausend Feuer auf allen Seiten und dazu der Mond, wie er über den Berg heraufsteigt! — Das Schießen dauert immer fort. Im Hofgarten muß eine Feldschlange stehn; so oft sie losgebrannt wird, zittern alle Fenster.

Den 27. Oktober morgens. Mit Tagesanbruch wurde zu feuern angefangen und noch dauert es sehr heftig fort. Das Löwenhaus ist die Festung der Baiern.

9 Uhr. Es werden Blessierte vorbeygeführt und getragen. Auf der Ebene über dem Steinbruch ist das Feuer am heftigsten. Von Hall her hört man viele tausend Schüsse, auch aus Kanonen. Vor starkem Nebel kann man nichts sehen. Aus dem baier. Lager zu Mühlau hört man die türkische Musik und von den Bergen herunter das Schreyen und Jauchzen der Bauern.

Nach 10 Uhr. Ein baier. Dragoner mit einer weißen Fahne überreichte einem hiesigen Bürger zwey Paquete, eines an den Magistrat, das andre an den Sandwirth. Ich war auf dem Rathshause beym Erbrechen; es enthielt lauter Proklamationen des Vicekönigs d. d. Villach, 25. Oktober, alle noch naß. (Wie konnten sie seit gester von Villach kommen?) Der Inhalt ist: die Tiroler sollen die Waffen niederlegen, ihre gerechten Beschwerden sollen gehört werden; überall sey Friede, nur hier noch Krieg, etc. Man wird daraus nicht klug, wem das Land zufalle. Die Bauern glauben nicht daran und es wird von allen Seiten wieder geschossen. Der Magistrat erhielt den Auftrag, diese Proklamationen überall bekannt zu machen und anzuheften; das wird er wohl bleiben lassen, Österreich, Österreich, warum machst du uns nichts bekannt?

Halb 1 Uhr. Bis jetzt wurde unausgesetzt gefeuert. Nun ist alles stille. Ein Sandwirth-Dragoner will, bey hundert auf der Hauptwache müßig stehende Bauern sollen vorgehen; sie sagen, sie müßten zuvor essen. Er schilt sie infam aus; keiner wagt es, ihm etwas entgegen zu sagen, — Nun hör' ich schon wieder schießen.

7 Uhr abends. Bis nun dauerte das Schießen; jetzt herrscht Ruhe. Um 4 Uhr sprang wieder alles durcheinander, weil es hieß, die Baiern kommen. Von Kufstein bis hierher sollen bei 18/m Baiern liegen. — Die Proklamationen sind sicher nur eine Fiction.

Halb 9 Uhr. Die Wachfeuer brennen heut noch viel lebhafter als gester. Auch im Oberinnthal sieht man viele. — „Wer da?" „Gut Freund!" „Wie heißt die Parole?" „Sandwirth!" Ein anderer: „i sch . . . auf die Parol!" Antwort: „Ah! bist du's, Hießl?"

Den 28. Oktober morgens. Seit 6 Uhr bis nun, halb 8 Uhr, hört man wieder schießen.

1 Uhr. Einige Schützen raufen sich. Alles lauft zusammen; der Lärm ist ungemein. Des Sandwirths Stallmeister Tonl, ehedem Hausknecht zu Sterzing, (er hatte die Aufsicht über die Pferde der gefangenen baier. Bauern) stellt die Ruhe wieder her. Er läßt die Rädelsführer auf den Berg Isel führen.

7 Uhr abends. Nach Mittag wars völlig ruhig. Ich machte Besuche. — Des Sandwirth soll auf dem Berg Isel gewesen seyn und das Feuern eingestellt haben. — Die Hauptleute stecken die Köpfe zusammen; sie scheinen einen geheimen Plan zu haben. — Auf dem Steinbruch stehn bey 400 Baiern; zu Mühlau und um Innsbruck herum bey 1000.

9 Uhr nachts. Das Schauspiel der Wachfeuer von beiden Seiten zu sehen, könnte man eine Reise von 50 Meilen machen, ohne daß es einen gereuen würde. Ich könnte die ganze Nacht auf dem Dache sitzen und würde des Anblicks nicht satt.

Den 29. Oktober. Die Nacht war ohne alle Unruhe. Man hört vom Löwenhaus her wieder Stutzen knallen.

¾ 9 Uhr. Wie vom Himmel gefallen sind die Baiern wieder in der Stadt; bisher nur eine Patrouille von 30 Reitern und 50 Fußgängern. Zum Glück ist kein Bauer mehr da. Es ist und bleibt wahr: die Baiern sind vortreffliche Soldaten. Noch geschah kein Schuß in der Stadt.

9 Uhr. Nun sind sie alle wieder fort auf ihren alten Posten ins Löwenhaus. Wer soll daraus klug werden?

2 Uhr. Vor ½ Stunde kam ein Sandwirth-Dragoner hereingesprengt mit der Nachricht: Ein baier. Dragoner mit einer Fahne verlange zwey Rathsherren der Stadt zu sprechen. Der Bürgermeister Rauch und der Syndicus Suitner sprachen wirklich mit ihm und rapportierten: Die Baiern verlangen, daß bis morgen 9 Uhr V. M. mit Schießen inne gehalten werde. Sie verlangten auch noch einige Portionen Brod, Wein, Branntwein etc.

Halb 4 Uhr. Vor einer ¼ Stunde kam ein baier. Reiter und fragte auf Befehl des Gen. Wrede, ob an der Proklamation gedruckt werde. Man wies ihn in die Buchdruckerey. — So eben reitet ein Sandwirth-Dragoner mit einem weißen Fähnchen die Vorstadt herunter; voraus ein Trompetter, ihm zur Seite ein Bauer. Ihr Ritt geht zum Löwenhaus.

6 Uhr abends. Nun stehen wieder 2 Kompagnien Infanterie und bey 50 Reiter Baiern gerade unter meinem Fenster im Gewehr. — Gen. Wrede war nach Mittag selbst hier; er stieg im B. Zephyris'schen Hause unter den Kapuzinern ab. — B. Reinhart ist wieder von Hall zurück; die übrigen Arrestanten sollen morgen kommen. - Der Bauer, der um halb 2 Uhr vorbey ritt, gieng mit Depechen vom Sandwirth in Gesellschaft des Gen. Wrede nach Hall zum Kronprinzen. — Man sagt allgemein, es sey ein Baron Lichtenthurn vom Kaiser zum Sandwirth gekommen und habe die Nachricht gebracht: der Friede sey ganz gewiß; Tirols Schicksal werde erst in 14 Tagen bekannt werden.

Heute hörte man nur selten einen Schuß fallen; die Bauern müssen den Auftrag erhalten haben, inne zu halten.

8 Uhr abends. So viel Wachfeuer wie heut brannten noch nie. Ich übertreibe es nicht, wenn ich die Zahl auf 7000 angebe. Auf der Südseite ist von Weerberg bis Zirl gleichsam alles nur ein Feuer. Wie stimmt dies mit den heutigen friedlichen Nachrichten zusammen?

Den 30. Oktober morgens. Wieder eine Nacht glücklich überstanden! Um Mitternacht ward ich von einem starken Lärm aufgeweckt. Wie erschrack ich! Mein Zimmer war erleuchtet, als stände die Stadt in Flammen. Ich sprang auf und sah, daß die baier. Patrouille gerade unter meinem Fenster ein starkes Wachfeuer unterhielt.

11 Uhr. Der Friede wird unter Trompetten- und Paukenschall publizirt. Vom Berg Isel herab hört man Kanonenschüsse. Schon wird ein blessirter baier. Dragoner herab geführt. Ein Bataillon mit klingendem Spiele marschiert die Vorstadt hinauf. Gen. Wrede ist wieder hier. Die Arrestanten sind von Hall alle zurückgekommen. - Man hat viele Exemplare des Friedenstraktats auf den Berg Isel geschickt; ich zweifle, ob die Bauern sich fügen. Es ist aber auch himmelschreyend, wie wir von Österreich und unsern Deputierten belogen wurden! — Der 10te Artikel des Friedens sichert uns Amnestie zu. Österreich verliert sehr viel Land.

Halb 1 Uhr. So eben sind bey 200 Reiter über die Triumphpforte hinaus geritten; ein Bat. Infanterie und 2 Kanonen stehen in der Neustadt. Des publizirten Friedens ungeachtet sieht es sehr kriegerisch aus. Gen. Wrede kommt zu Fuß die Neustadt herab und macht ein sehr böses Gesicht. Unser Glück, daß der Kronprinz bey ihm ist! In der Neustadt wird lärmende Musik gemacht.

2 Uhr. Der Kronprinz fährt vorbey. Wärs Prinz Johann von Österreich, welcher Jubel würde da seyn! Doch unser Loos ist geworfen. Hunde und Katzen müssen ja, trotz ihrer natürlichen Abneigung, zusammen leben. Doch fürchte ich mich auf die Zeit, da ich auf den blassen Gesichtern meiner Landsleute die Verzweiflung lesen werde. — Seit der Publikation des Friedens hörte man vom Berg Isel herab keinen Schuß mehr.

Den 31. Oktober. Die Bauern haben heut noch keinen Schuß gethan, was mich hoch erfreut und mir Hoffnung macht, daß sie sich zur Ruhe legen.

4 Uhr nach Mittag. Ich war im Hauptquartier Hall und im Lager bey Mils. Ich hörte mit Vergnügen, wie alle Offiziers das rechtliche Benehmen des Sandwirths gegen die Gefangenen lobten. — Die Berge jenseits des Inns wimmeln von Bauern; mehrere Hundert konnte man mit freyem Auge sehen. Die Bauern wollen sich zum Abziehen nicht verstehen; sie nähern sich immer Innsbruck und wagten sich schon auf die Ebene herab. Gott verhüte, daß es noch zu Gewaltthätigkeiten komme! Die Dächer zu besteigen, ist streng verbothen. — Nach Mittag hörte man vom Berg Isel viele Schüsse. Was wollen denn die Wahnsinnigen? Möchten sie doch zur Besinnung kommen! Der Kapuziner Rothbart soll bey ihnen seyn. In der Stadt herrscht starke Bewegung.

Als der Sandwirth noch in der Hofburg residirte, verbreitete sich das bösartige Gerücht, die Frau Mollinn, die für ihn kochte, habe ihn vergiften wollen. Zu ihrer Sicherheit und Legitimation hinterließ er ihr deßwegen dieses eigenhändige Billet:

„Unterzeichneter hintter lasset der Frau mollin, gastwirthin zu in sprugg, negst der purg, die ganze zu friden Heit, und daß aller Pöste ver gniegen, damit die Frau kheinen nach deil solle haben, von denen gespröch, tie Ein mall Exe stiert hat.   in sprugg den Ersten Sept. 1809."

7 Uhr. Die ganze Neustadt ist voll Wachfeuer. Es liegen 2 Bataillons Löwenstein da.

9 Uhr nachts. Die unzählbaren Wachfeuer der Bauern, die ich so eben vom Hausdache sah, weissagen nichts gutes. - Der bittere Monat Oktober endet sich; möge sein Nachfolger nicht noch bitterer werden!

Den 1. November. Eine Menge Offiziers kommen von Hall und lassen sich Quartiere anweisen. Ohne Zweifel kommen die Truppen nach. Auch für den Kronprinzen mußten bey Hofe die Zimmer zugerichtet werden.

Halb 10 Uhr. Die Truppen von Hall, der Kronprinz, die Generale sind alle schon hier und gegen den Berg Isel marschirt. Sechs Haubitzen und 20 Kannonen sind gegen die Schanzen der Bauern aufgepflanzt.

Die Kannonade ist fürchterlich; es zittern alle Fenster, Gott, so weit mußte es kommen! Wie wird es enden? Es rückt wieder ein Regiment mit Musik ein. Es wird Allarm geschlagen; Soldaten und Offiziers sind in Galla, der Kronprinz in einen schlechten Mantel gehüllt. Wieder ein Infanterie-Regiment, das kommt! — Es ist gewiß, daß auch B. Lichtenthurn den Bauern aus Österreich die Nachricht vom Frieden, und vom Erzh. Johann Trost und Zuspruch zur Ergebung gebracht hat. — Das letzte Regiment lauft die Neustadt hinauf. — Die Hartnäckigkeit der Bauern ist doch unbegreiflich! — Schon wieder zieht ein Bataillon ein.

Es ist ein sehr neblichter Tag, der den Baiern gut zu statten kommen mag.

10 Uhr. Alles bebt, so heftig ist das Kannonen- und Muskettenfeuer. Es werden mehrere Blessirte herab geführt, unter ihnen ein städtischer Schlosser, der sich zu den Bauern gesellt hatte.

11 Uhr. Vom Berg Isel her vernimmt man nur noch einzelne Schüsse: heftiger wird am Steinbruch gefeuert.

2 Uhr. Gott Lob! Die traurige Geschichte scheint ein Ende zu haben. Alle Schanzen der Bauern sind im Besitz der Baiern. Sie haben die Bauern daraus mit sehr geringem Verlust vertrieben. Um 11 Uhr marschirten sie im Sturm gegen den Hußlhof, nachdem 2 Stunden unausgesetzt 30 Kannonen in einem Halbmonde gespielt hatten. Die Bauern gaben 2 mal Pelotonfeuer, aber die Baiern brachten sie in einigen Minuten zum weichen. Ebenso gings am Berg Isel. Um ½ 12 Uhr zogen schon baier. Soldaten mit eroberten Feldschlangen, Doppelhacken, etc. die Neustadt herab. Die Bauern irren nun im Gebirge herum; die Baiern rücken gegen den Brenner vor. Das Schießen hat ganz aufgehört.

9 Uhr nachts. Man sieht keine Wachfeuer der Bauern mehr, nur jene der Baiern. Abends und nach Mittag wurden mehrere gefangene Bauern eingebracht, auch ein Geistlicher. — Wie mir doch heut so ganz anders zu Muthe ist als die vergangenen Tage! Mich dauern meine Landsleute, die sich in ihren Erwartungen so getäuscht finden, herzlich. Wo mögen sie alle herum irren? — Das Hauptquartier ist nun hier.

Den 2. November, früh. Diese Nacht war so ruhig, als lebten wir im tiefsten Frieden.

1 Uhr nach Mittag. Die Baiern sollen bis Matrey vorgedrungen seyn. — Heute nach Mittag war bey Aldrans eine ziemliche Affäre; die Bauern zogen wieder den kürzern.

Man publiciert, alle Gewehre und Munition seyen einzuliefern; die Hausherren haben die Abwesenden anzuzeigen; binnen 48 Stunden müssen alle Männer baierische Kokarden tragen.

Den 3. November. Heut früh wurden wieder einige Bauern eingebracht; zwey davon erhielten öffentlich 10 Stockprügel. Die Dörfer alle in der Gegend vom Berg Isel sind von Truppen besetzt, die meisten Häuser standen menschenleer. Von der Stadt und den umliegenden Dörfern wird viel requirirt. Die Einquartirungen sind ungeheuer; überall sieht man Noth und Elend, bey den Baiern Übermuth und Unersättlichkeit. Ich wünsche aus meinem Vaterlande hinauszukommen, so sehr ich es liebe! es ist zu schwer, so viele Drangsale mit anzusehen.

Diesen ganzen Tag mußten requirirte Leute aus der Stadt an Ausfüllung der Bauernschanzen arbeiten. Ich war am Berg Isel. Hätte Einigkeit unter den Bauern geherrscht, sie hätten sich lang halten können.

Den 4. November. Nun haben die Baiern auch die Verhaue an der Martinswand forcirt.

8 Uhr nachts. Was das für ein herrlicher Anblick war! auf dem Berg Isel liegen 2 Regimenter; diese feyerten diesen Abend das Nahmensfest ihres Generals Wrede. Sie zündeten wohl über 1000 Feuer an, durch die sie Granaten warfen. Bis in die Stadt hörte man sie jauchzen — und Tausende meiner Landsleute jammern! Ungerechtes Schicksal! Verdiente wohl das Freiheit liebende Tirol dieses schreckliche Loos? Ich fürchte, es kommt noch einmal zum Widerstande. Die Baiern wüthen zu sehr. — Zirl liegt wieder zum Theil in Asche. Bei 30 Bauern sah ich wieder ins Zuchthaus führen!

Den 5. November. Der Sandwirth, sagt man, hat versprochen, sich zur Ruhe zu begeben und für sich und seine Anhänger um Schonung der Personen und des Eigenthums gebeten; denn er sey nun von der wahren Lage und vom Frieden vollständig überzeugt. — Vor 8 Tagen sollen in einer Konferenz zu Matrey die Herren v. Stolz, v. Wörndle etc. ihm so zugesprochen haben, daß ihm der Angstschweiß herab rann und er schon Befehl zum Rückzug gab, als der Rothbart und Danai die Leute von neuem aufhetzten. Auch Holzknecht schrieb an die Oberstin Epplen, daß er zur Ruhe zurückkehre. Nach allem dem dürfte die alte Ordnung bald wieder eintreten. Die Bauern fangen an, in ihre Häuser zurückzukehren und sich in ihr Schicksal zu fügen.

Den 7. November. Im Briefe, den der Sandwirth am 4. d. M. an Gen. Drouet schrieb und der heut gedruckt erschien, unterschreibt er sich wie gewöhnlich: „Oberkommandant von Diroll"; nur setzt er am Ende hinzu „gewöster". — Die baier. Truppen waren heut in Steinach.

Den 8. November. Die Franzosen sind aus Trient schon den 25ten v. M. in Bozen eingerückt. Die Truppen des Vicekönigs rückten darum so langsam vor, weil sie zugleich das ganze Pusterthal entwaffneten. - In den hier umliegenden Gemeinden werden noch viele junge Burschen vermisset.

Den 9. November. Noch spuckt's immer da und dort. Den Hauptwiderstand kann's wohl noch am Brenner geben, wenn nicht die Franzosen auf den Rücken kommen.

Ich war in Wiltau. Der Berg Isel steht nun kahl da. Noch immer sind auf Befehl einige 1000 Menschen mit Umhauung des Waldes beschäftigt.

Der Schützenmajor Sieberer bringt vom Brenner die frohe Nachricht, daß sich die Bauern unterwerfen und die Waffen niederlegen. Mich dauern nun die armen Soldaten. Sie müssen bey dieser ungeheuern Kälte bivouaquiren. Was Wunder, wenn sie gegen die Tiroler erbittert sind? — Der versprochenen Sicherheit des Eigenthums ungeachtet werden alle Heustadel ausgeplündert.

Den 11. November. Das Militär hat die Bivouaquen verlassen und in den umliegenden Dörfern Kantonnirungen bezogen.

Den 12. November. Die baier. Truppen haben sich mit den französischen vereinigt. Morgen geht die Post wieder nach Bozen ab. — Gester erschien eine Proklam. des Sandwirths d. d. Sterzing 8. Nov. an die Tiroler; er bestätigt wieder die Gewißheit des Friedens und fordert sie auf, sich Napoleons Großmuth zu unterwerfen.

Böse Menschen, besonders Riedmüller und Marberger, haben es dahin gebracht, daß gester bey Imst das Bat. Habermann und ein Theil des Reg. Salern von den Bauern überfallen und beynahe aufgehoben wurden. Es eilten 3000 Mann Succurs hinauf. Mehrere sich flüchtende Familien von Imst sind angekommen. — Es gehen Gerüchte, die Österreicher seyen im Aufstande gegen die Franzosen, die Baiern würden bald abziehen, etc.; lauter Ausstreuungen böser Schurken.

Den 14. November. Die Flüchtlinge von Imst erhielten den Befehl, nach Hause zurück zu kehren, weil keine Gefahr mehr sey. Man gestand den Bauern 5 Tage Waffenstillstand zu, damit sie in dieser Zeit sich überzeugen möchten, daß die ihnen vorgelegte Proklamation des Sandwirths ächt sey. Diese Schonung der Baiern ist sehr schön.

Den 16. November. Auch Oberinnthal hat sich unterworfen. Die Wuth und List der Bauern in der letzten Affäre bey Imst war außerordentlich. Öfter wurde mit Kolben und Bajonetten gefochten. Einmal ließen sie eine schon früher eroberte Kannone auf einem Hügel zurück; der baier. Kommandirende schickt einige Reiter sie abzuholen. Auf einmal wurde aus einem nahen Gehölze auf sie gefeuert, daß eine beträchtliche Zahl todt oder blessirt hinstürzte. — Den verflossenen Sonntag schickte man Kapuziner zu ihnen, aber mit wenig Erfolg. Vorgester früh endlich schickten sie einen Deputierten mit der Meldung: ein Abgeordneter des Sandwirths sey mit der Nachricht gekommen, daß er sich unterworfen habe, und nun zogen sie ab. Auf den Sandwirth hatten besondere die Oberinnthaler großes Vertrauen.

Heute ist der Hofkommissär Graf Thierheim mit seinen Räthen Benz und Heffels angekommen; er soll ein sehr menschenfreundlicher Mann seyn.

Von vielen Gemeinden sind Geissel hier, die sich täglich zweymal beim Platzkommandanten stellen müßen und nicht eher nach Hause gehen dürfen, als bis ihre Gemeinden die Waffen eingeliefert haben.

Den 19. November. Ich war bey Benz und seiner Frau. Sie denken wie ich über Tirol, verachten den Pöbel und lassen dem wahren Tiroler Gerechtigkeit widerfahren. Hätten alle Deutschen gethan wie die Tiroler, sagten sie, wir würden nicht unter dem französ. Despotism. schmachten.

Den 22. November. Heut und gester arretirte man 2 Bauern, bey denen man verdächtige Briefe in den Halsbinden fand. Es herrscht noch immer keine rechte Ruhe. — Die Franzosen sollen im südlichen Tirol gar übel wirthschaften. Sie laden zu Brixen und am Brenner die Weinwägen ab, ohne sich zu bekümmern, wem sie gehören.

Heut kam der Appellationsrath v. Inama aus München. Er sagt, der König sey sehr unzufrieden über die Tiroler, daß sie sich nur an die Franzosen wenden, da er es doch so gut mit ihnen meine.

Den 23. November. Die Meraner und Passeyrer widersetzen sich noch immer den Franzosen. Weh jener Gegend!

Sieberer wurde von den Oberinnthalern mißhandelt. Der junge Hr. von Giovanelli konnte sich im Etschland der Wuth der Bauern nur durch seine Verkleidung in einen Geistlichen entreißen. Beide hatten den edeln Zweck, sie von fernerem Widerstand abzubringen.

Den 24. November. Ein Schreiben aus Bozen sagt, daß in den dortigen Umgebungen seit dem 19. d. Mts. beständig Gefechte vorfallen.

Den 25. November. Bey Meran wurden die Bauern mit bedeutendem Verlust zurückgeworfen. Nun wird's doch bald Ruhe geben.

Immerfort kommen baierische Beamte an, gester neun Wägen voll.

Den 27. November. Unter den hiesigen Truppen gibt's wieder einige Bewegung; es muß irgendwo spucken. Wenigst ist gester die italienische Post nicht angekommen.

Gen. Drouet gestattete nicht, daß die kön. Civil-Kommission in Aktivität trete. Darum gieng Graf Thierheim nach Mailand (zum Vicekönig). O ihr Deutschen! Sklaven Frankreichs!

Den 28. November. Die verflossene Nacht war's sehr unruhig; alle Piquete wurden bedeutend verstärkt. Nach aufgefangenen Proklamationen sind die Bauern wieder zu einem allgemeinen Angriff aufgefordert. Ein gewisser v. Kolb soll mit 7000 Bauern beim Brixner Kläusel stehen. Auch in Bozen soll es nicht geheuer sein.

Den 1. Dezember. Der Sandwirth soll wieder bey den Insurgenten seyn und Aufforderungen herumschicken. Mir thut es leid um dich, Hofer! Du konntest mit Ehren abtreten!

Den 2. Dezember. In der Stadt ist großer Lärm; bey Rattenberg kam's gester wieder zu Feindseligkeiten und heute hat es bis Arzl herauf an allen Glocken Sturm geschlagen. Niemand darf die Mühlauer Brücke passiren.

Den 3. Dezember. Die Unruhen im Unterinnthal sind wieder gestillt; es war nicht so viel daran. Viele Gemeinden sind zu klug, den Aufwieglern noch Gehör zu geben.

Den 5. Dezember. Was wird das Resultat der Zusammenkunft der Großen in Paris seyn? ich fürchte, nicht das beste. Wenn nur nicht etwa unser Ländchen zerstückelt wird! Die einzelnen Stäbe bricht man so leicht; nur der ganze Büschel widersteht der Gewalt.

__________

P. Augustin (Anton) Knoflach,
der Verfasser des Tagebuches aus dem Jahre Neun.
*)

*) Als Grundlage für diese kurze Lebensskizze diente nebst mündlichen Mitteilungen von Verwandten die vom Stifte St. Peter in Salzburg im Juni 1842 ausgegebene „Rotel" (kurze Todesanzeige und Biographie), deren Abschrift dem Verfasser durch die Güte des hochwürdigen Stiftsbibliothekars P. Pirmin Lindner vermittelt wurde. Ein Auszug aus der „Rotel" findet sich in P. Pirmin Lindners „Profeßbuch der Benediktiner-Abtei St. Peter" (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 1906), S. 215.

P. Augustin (Anton) Knoflach Repro: www.SAGEN.at

P. Augustin (Anton) Knoflach.

Anton Knoflach wurde geboren am 16. Mai 1783 in Deutsch-Matrei als Sohn des Gerichtsanwalts und bürgerlichen Wirtes „zur blauen Gans" Josef Knoflach und seiner Ehefrau Ursula. Gleich seinem älteren, am 23. Oktober 1779 geborenen Bruder Johann Kapistran wurde auch Anton, weil „ad Musas et ad Musicen aptissimus" für das Studium bestimmt.

Er begann das Gymnasium in der vom Abte Vigilius von Granicher errichteten Lehranstalt im Stifte Stams. Während er dort weilte, starb (am 25. März 1797) sein Vater. Später kam Anton in das Konvikt des Stiftes Wilten und besuchte von dort aus das Gymnasium in Innsbruck und die philosophischen Vorlesungen. Nach absolvierter Philosophie wandte er sich den juridischen Studien zu uud trat 1808 in die Gerichtspraxis. Als Rechtspraktikant in Innsbruck nahm er eine Hausinstruktorstelle in der Familie des Appellationsrates Dipauli an; diesem Umstande ist es zu danken, daß Knoflach im Jahre 1809 zur Führung des Tagebuches angeregt wurde. Dipauli lobt in seinen Aufzeichnungen über das Jahr 1809 die Treue und Anhänglichkeit Knoflachs, der sich dadurch große Ansprüche auf seine Erkenntlichkeit erworben habe.

Nachdem die Stürme des Kriegsjahres vorübergebraust waren, setzte Knoflach die Gerichtspraxis bis zum Jahre 1813 an verschiedenen Stationen fort. Aber in der Seele des jungen Mannes war durch die Ereignisse, deren Zeuge er in Innsbruck gewesen, das patriotische Feuer entzündet worden. Manche Stellen des Tagebuches legen Zeugnis davon ab, wie bitter er die Knechtung Deutschlands durch Napoleon empfand.

Als im Jahre 1813 Deutschland endlich zum Kampfe gegen den korsischen Eroberer sich aufraffte und allenthalben die wehrhafte Jugend zu den Waffen strömte, litt es Knoflach nicht mehr in der Schreibstube, zumal auch sein Landesherr, der König von Baiern, nunmehr auf die Seite der Verbündeten getreten war. „Patriae amore inardescens“, von Vaterlandsliebe entbrannt, ließ Knoflach sich in das Korps der freiwilligen Jäger einreihen und machte als Angehöriger der bayrischen Armee den Zug der Verbündeten gegen Frankreich mit. Er war dabei, als diese am 31. März 1814 in Paris einzogen.

Von Waffentaten Knoflachs ist nichts überliefert; doch muss er im Dienste gut entsprochen haben, denn er brachte es bald zum Leutnant. Als solcher war er in Salzburg in Garnison.

Im Jahre 1815, nach dem Eintritt friedlicher Verhältnisse, nach dem Rückfalle von Tirol und Salzburg an Österreich, erbat sich Knoflach die Entlassung aus dem bayrischen Heeresverbande, die ihm mit dem Ausdrucke belobender Anerkennung und unter Festsetzung einer Pension von 600 Gulden gewährt wurde.

Knoflach aber begnügte sich nicht mit dem Abschiede vom Waffenhandwerk allein, er nahm gänzlichen Abschied von der Welt. Am 24. Mai 1816 erhielt er das Ordenskleid des heiligen Benedikt, im altberühmten Stifte St. Peter in Salzburg unter dem Klosternamen „Augustin". ( In der „Rotel“ heißt es: „Saeculi pompam, mundique perspiciens fallsciam, soli seaculorum Regi militaturus, mundo terga vertere statuit, ac veluti sorte, potius Numinis ductu ad nos delatus, s. habitu indui supplex petiit.“) Am 25. Mai 1817 machte er Profess, im Herbste 1818 wurde er durch den Bischof von Linz (da damals der Salzburger Bischofsstuhl verwaist war) zum Priester geweiht und hielt am 27. September jenes Jahres in der (Stiftskirche in Salzburg seine Primiz. Nach einem weiteren Studienjahre kam er am 16. August 1819 in die Seelsorge, und zwar als dritter Kooperator nach Abtenau. Aber schon im Jahre nachher wurde er ins Kloster zurückberufen, um eine Professur in den Grammatikalklassen des Gymnasiums zu Salzburg zu übernehmen. In dieser Stellung blieb P. Augustin bis zum Ende des Schuljahres 1837; zugleich war er unter zweimalen (1833 - 36 und 1837 bis Februar 1839) Präfekt der vereinigten Kollegien „Marianum" und „Rupertinum". Die „Rotel" erzählt von ihm, dass ihn als Jugendbildner Herzensgüte, gepaart mit vernünftiger Strenge, auszeichneten, und dass er bei allen seinen Schülern sehr beliebt war.

Während der Jahre seiner Lehrtätigkeit verbrachte P. Augustin wiederholt einen Teil der Sommerferien auf dem Ritten im Hause seines Bruders, des Bozner Merkantil-Aktuars Johann Kapistran Knoflach. In dieser Familie und in der damit eng befreundeten Familie Giovanelli gab es für die zahlreichen Gäste, die zu ihnen auf den Ritten kamen, stets geistige Anregung und lustige Kurzweil. Einem fröhlichen Nachmittage in jener Sommerfrische verdankten die nachstehenden Verszeilen, die der Domherr Habtmann von Brixen als scherzhafte „Grabschrift" für P. Augustin „dichtete", ihre Entstehung:

Hic jacet Pater Augustinus,
Conditione trinus:
Jurista, miles, benedictinus.
Jurista neminem defendit,
Miles neminem offendit,
Benedictinum nunquam se ostendit.
Quid sit de isto homine,
Tu solus scis, o Domine.

Mit den Worten „Benedictinum nunquam se ostendit“ spielte Habtmann auf eine Eigenschaft an, die P. Augustin vor anderen Ordensleuten voraus hatte: von seinen Offizierszeiten her war ihm nämlich auch im Habit noch eine gewisse Ritterlichkeit geblieben, die sich insbesondere auch im Verkehr mit Damen kundgab.

In den Jahren 1837 und 1838 stellten sich bei P. Augustin die ersten Anzeichen einer Gemütskrankheit ein, die ihn nur zu bald zur Ausübung des Lehramtes unfähig machte. Mehrere Jahre hindurch litt er unsäglich unter drückender Melancholie, Angstgefühlen und Schlaflosigkeit. Mit Beginn des Jahres 1842 trat dann fast plötzlich, ohne wahrnehmbare äußere Veranlassung, eine Besserung dieses Zustandes ein. P. Augustin erlangte seine frühere Heiterkeit und konnte den geistlichen Obliegenheiten nachkommen. Zur Stärkung der wiedergewonnenen Gesundheit rieten die Arzte eine kleine Reise nach Wien an. P. Augustin unternahm sie am 28. April 1842, aber sie hatte einen schlimmen Ausgang. In Wien ergriff den kaum Genesenen ein typhöses Fieber, das ihn am 19. Mai zu raschester Heimkehr zwang. Er fuhr mit einem Donaudampfer nach Linz und kam von da nicht mehr weiter. Am 26. Mai wurde er von seinem Linzer Absteigequartier ins Spital der barmherzigen Brüder gebracht. Dort starb er noch am gleichen Tage. Er wurde in Linz begraben.

Von P. Augustin existiert ein schönes Porträt in Öl (Brustbild) im Stifte St. Peter. *) Eine Lithographie von J. Benz (Kniestück) aus späterer Zeit zeigt den Pater ans einem Stuhle sitzend in aufrechter Haltung mit strenger Miene. Die Form des Kopfes mit der breiten, gewölbten Stirne, die von leicht gewelltem Haupthaar umrahmt ist, erinnert an Goethe. Auffallend ist die fein geschnittene Nase und der scharfe Blick aus den dunklen Augen.

*) Durch die besondere Zuvorkommenheit des hochwst. Abtes von St, Peter wurde dem Herausgeber dieses Büchleins eine Photographie des Ölgemäldes zur Verfügung gestellt, nach welcher das dieser Biographie beigegebene Bild angefertigt wurde.



Quelle: Dr. Franz Schumacher (Hrsg.), Anton Knoflach's Tagebuch über die Ereignisse in Innsbruck im Jahre Neun, "Anno Neun", XIII. Bändchen, Innsbruck 1909.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.