289 - Ankunft in Lienz
dem Stadttor bewillkommt von den Behörden. 1) Ein Kurier wurde sogleich über den Hl. Blut-Tauern zu Hiller und Jellachich nach Salzburg entsendet, um mit diesen in Verbindung zu treten, die Avantgarde kam noch an diesem Tage, ohne einen Feind zu spüren, bis Mittewald. Erst in der Nähe von Sillian streiften bayrische Patrouillen. Des bösen Wetters halber wies Chasteler dem größten Teil seiner Mannschaft Quartier in Lienz an, nur ein Bataillon wurde bis Asling vorgeschoben. Wurde dennoch an diesem Tage ein bayrisches Pikett bei Innichen aufgehoben, so geschah es von einer Rotte Bauern, welche Johann v. Kolb dazu aufgeboten hatte. 2)
In Lienz nahm Hormayr alsbald die Gelegenheit wahr, seiner Intendantschaft zu walten. Seine erste Frage galt dem Verhalten der Beamtenschaft. Die Bauern erwiderten, sie hätten nur einen Wunsch, man möge ihnen den wackeren Richter belassen. Im Hause des angesehenen, schon an der Vorbereitung beteiligten Kaufmanns Oberhuber fand der Empfang der Behörden statt. Hormayr nahm ihnen den im Besitzergreifungspatent formulierten Eid ab und widmete ihnen folgende Ansprache: „Dieser jetzt geleistete Eid ist für die Beamten, die früher in österreichischen Diensten waren, nur eine Erinnerung, da man von der unverletzten Treue derselben ohnehin überzeugt ist. Nachdem aber auch Bayern dem österreichischen Kaiser geschworen haben, so will ich sie nachdrücklich an ihre Pflicht ermahnt haben. Zwar ist der Herr Landrichter auch ein Bayer, aber ich habe mich von seiner rechtschaffenen Denkungsart überzeugt und wünsche, mich auch von den übrigen Beamten so überzeugen zu können." 3) Mit der Gönnermiene des herablassenden
1) Bericht des Adjutanten Vejder J. M., Journal des Feldzuges Chastelers A. J. Berichte der Mautbeamten Kappler und Max Lofayer in Lienz M. St.
2) Kolb spielt im Aufstande eine verhängnisvolle Rolle. Er war der Sohn eines geachteten Innsbrucker Advokaten, verschwägert mit der Familie Anreiter, in jungen Jahren bestellt als ständischer Steuereinnehmer. Durch leichtfertiges Leben brachte er nicht allein das ansehnliche Vermögen seiner Frau durch, sondern veruntreute auch Steuergelder. Er verlor seine Stelle, wurde aber noch gnadenweise von der Landschaft mit einer kleinen Pension bedacht. In den Kriegsjahren spielte er den grimmigsten Feind der Franzosen und wollte Krieg auf eigene Faust führen. Trotz der Waffenruhe, die 1801 dem Lüneviller Frieden vorausging, bearbeitete Kolb die Bauern zu einer Erhebung gegen die in Tirol stehenden Franzosen. Die tirolischen Behörden verhüteten mit Mühe ein großes Unglück. Auch an E. Johann drängte sich Kolb heran mit der Berechnung, durch ihn mit einer bedeutenden Mission betraut zu werden. Er überschüttete den Prinzen mit seinen geschwätzigen Briefen. Hat er auch da keinen Eindruck machen können, so war er mit seinen oft an Wahnwitz grenzenden Schwärmereien bei aufgeregten Volksmassen ein gefährliches Bewegungselement. Seine Person ist die widerlichste Erscheinung im Tableau des Aufstandes.
3) Es war der allgemein geachtete Landrichter Bram. Die Worte Hormayrs genügten einem bayrischen Beamten, um in München Bram als zweideutigen Menschen zu denunzieren.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.