314 - Szenen im Hause Dipaulis


ihnen, dass die Mädeln und die Musikanten die Buben bezahlten. Lodron selbst schätzte die Zähl der Besucher in den ersten Tagen der Okkupation auf 2300 Köpfe. Unter die eigentlichen Bauern hatte sich wohl auch vorstädtisches Gesindel gemischt, und dieses vergriff sich arg am Eigentum des Generalkommissärs. Es drang, während er mit den bewaffneten Aufständischen im Empfangssalon verkehrte, in die inneren Wohnräume, bemächtigte sich des Wäschevorrates, zertrümmerte kostbare Schreibkasten und Kommoden und verstreute die gräfliche Bücherei. Gegen solche Ungebührlichkeiten bestellten die Bauern sogleich Sauvegarden vor die Burgräume, und diese retteten wenigstens Lodrons Galauniform, mit welcher eine Diebsbande schon enteilen wollte. Der Graf berechnete den Schaden auf 5700 Gulden. 1) Ein Teil der Bauern begnügte sich mit der Besichtigung der Hofburg. Einen eintretenden Schwarm fragte der Burgverwalter Pusch, offenbar um ihn vom Besuch des Generalkommissärs abzuhalten, ob sie den Riesensaal in Augenschein nehmen wollten. Recht gern, lautete die Antwort, und er führte sie hinauf und erklärte ihnen die dort angebrachten Bilder von Mitgliedern des habsburgischen Kaiserhauses. Mit großer Rührung lauschten die Beschauer den Worten des Führers, welcher noch die Mahnung anbrachte, sie möchten doch nichts rauben, denn wenn der Erzherzog Johann käme, würde er wohl in der Burg wohnen wollen. Das war ihnen einleuchtend, und unter vielen Dankesbezeugungen verließen sie ruhig den Palast. 2)

Üblere Behandlung war dem verhassten Kanzleidirektor Mieg vermeint. Für das Haus, worin er wohnte, gab es eine förmliche Blockade (Engelhaus). 3) Ebenda hatten Dipauli und der Priester Tschiderer ihr Quartier; sie boten alles auf, um den Bedrohten zu retten. Sie stellten sich solange den Eindringenden entgegen, bis Mieg sich über die Dächer der Nachbarhäuser in ein sicheres Versteck flüchten konnte. 4) Dieses Engelhaus war noch aus einem andern Grunde der Zielpunkt stürmischer Angriffe. In ihm hatte der Jude Uffenheimer sein Verkaufsgewölbe, und die Leute, nicht zufrieden, dasselbe geplündert zu haben, wollten ihn auch in seiner Wohnung aufsuchen, die sie fälschlich in diesem Hause vermuteten. Die ersten Besuche, noch am Vormittag, hatten Mieg gegolten. Dipauli, der

1) Den bäuerlichen Sauvegarden, täglich sechs Mann, zahlte Lodron außer der Verköstigung einen Tageslohn von je einem Kronentaler. Was die Bauern in Küche und Keller übrig gelassen, wurde dann für Chasteler gebraucht. Aus seiner Bücherei bedauerte Lodron namentlich den Verlust von Buffons Museum Francais und der Prachtausgabe der Werke Wielands. „Übersicht über die Schäden, welche der bayrische Generalkommissär des Innkreises 1809 erlitten hat." J. St. Die Auftritte bei Lodron sind mehrfach bezeugt, so unter andern von Danei und in bayrischen Briefen.
2) Chron. von Gottfr. Pusch a. a. O.
3) Gelegen am nördlichen Ende der Maria Theresienstrasse.
4) Mieg wurde im Hause des Dr. Käsbacher geborgen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 314

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.