319 - Angriff auf das Kloster in Volders
ein Tuch gehüllt, in Dipaulis Haus, wo Teimer nun Toilette machte. 1) Wie ihm angegossen war diese entlehnte Tracht freilich nicht, schlotternd hing sie am hageren Leibe. Aber für den ersten Augenblick tat sie ihren Dienst. Als Teimer in ihr ein Pferd bestieg und dem staunend sich sammelnden Volk verkündete, er sei vom Erzherzog Johann geschickt und schlage in Stadlers Haus sein Hauptquartier auf, da schollen ihm brausende Jubelrufe entgegen. Bereitwillig gestand man ihm die Verfügung über die Gefangenen zu, von denen ein großer Teil noch am Abend dieses Tages nach Unterinntal auf seinen Befehl abgeführt wurde. Aber manches Bäuerlein bemerkte doch verwundert, dass sich der Schneider am Kleide dieses Abgesandten des Erzherzogs vermessen habe. Unangenehm für Teimer waren die alsbald auf ihn einstürmenden Fragen, wann denn die Österreicher kommen. Darauf wusste er ja selbst keine Antwort, und weiteren Zudringlichkeiten entzog er sich, indem er sich bei Stadler einschloss. Die große Mehrzahl derer aber, die im Verlaufe des merkwürdigen Tages in der Stadt zusammengeströmt waren, betrachtete bei anbrechender Dämmerstunde die Arbeit vollendet und begab sich heimwärts. Als es dunkelte, hatte Innsbruck fast das gewöhnliche Aussehen, Stille herrschte allenthalben. 2) Jener französische Offizier Constantin, welcher zufällig an diesem Tage in Innsbruck weilte, versicherte Lodron, was er in den eben verflossenen Stunden wahrgenommen, übertreffe alles, was er selbst in Spanien gesehen habe.
Dem ausgegebenen Losungswort, die Bayern gefangen nehmen, kam man, während der Kampf in Innsbruck tobte, auch in der Nachbarstadt Hall nach. Der Vorgang spielte sich insofern gleichmäßig mit dem in der Landeshauptstadt ab, als auch in Hall die Bürgerschaft sich nicht beteiligte, jedoch mit dem Unterschiede, dass hier nach einem bestimmten Einzelkommando vorgegangen wurde, das von Speckbacher ausging. Wir sahen den rastlosen Mann die Wege zurücklegen von Dorf zu Dorf und jedem seine Aufgabe zuweisen. Schon da beobachtet man seine Findigkeit, die auf Täuschung des Gegners berechnete Taktik. Um die Überrumpelung der Nordseite der Stadt zu erleichtern, musste die
1) Dipauli bemerkt dazu: „Diese Begegnung mit Teimer hatte für mich unangenehme Folgen. Da Teimer, weil die Österreicher nicht rechtzeitig erschienen, beim Volk in Ungnade sank, erinnerte man sich, dass er zuerst in seiner Uniform aus meiner Wohnung erschienen sei, und man wäre bald geneigt gewesen, mich als Verbündeten des Betrügers (so nannten sie ihn) zu behandeln. Aber auch in Bayern kam ich in großen Verdacht; denn bald hieß es, ich sei ein Komplize Teimers, weil er mir Sauvegarden gab und weil er zuerst aus meinem Hause in der Uniform vor das Volk trat. Man sagte, ich hätte schon vorher diese Uniform für ihn bei mir versteckt."
2) Üb. d. Innsbrucker Vorgänge: Mieg, Danei, Dipauli, Ennemoser, Patsch, Stettner, Pusch, Aufzeichnungen des Jos. Lener (J. M.), Stadlers Bericht an Kaiser Franz, 17. April 1809. M. St.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.