322 - Tschöll in Meran


die Grenze. 1) Augenblicklich verschwanden die bayrischen Wappen an den Amtsgebäuden. Ott wurde nach Innsbruck überführt; so habe es, sagte man ihm, der Teimer befohlen. Gegen Misshandlungen schützten ihn die begleitenden Bauern. In der Hauptstadt erwartete ihn die Deponierung nach Österreich. 2) Ein Gleiches widerfuhr dem jüngst nach Rattenberg versetzten altbayrischen Richter Schmalhofer. Den Tannenbergschen Patrimonialpfleger Inama in Rotholz erklärten die Gerichtsuntertanen wegen seiner bayrischen Gesinnung für abgesetzt. Im Dorf Kundl suchte der Pfarrer Sebastian Pungg mit seinem Hilfspriester Jos. Pöll die Leute zurückzuhalten. Das Sturmläuten verhinderte er, indem er die Schlüssel zum Turm verbarg. Aber die bereits ausgerückten Wildschönauer duldeten keine Insel der Neutralen und verhielten auch diese Gemeinde zum Anschluss. Von der Veste Kufstein sah Major Aicher schon am 12. April bewaffnete Bauernscharen die Gegend durchstreifen. 3)

Was in Reutte vorging, wiederholte sich auch in Meran. Hier war am 8. April der neue Landrichter Vincenti installiert worden. Trotz ergangener Einladung hatte sich von den Passeirer Ortsbehörden niemand eingefunden außer Hermeter. Von den übrigen Dorfmeistern und Anwälten des Gerichtes glaubte man zu bemerken, dass jeder der letzte bei der Leistung des Handgelöbnisses an den neuen Gerichtsvorstand sein wollte. Drei Tage später erfuhr man das Auftreten Teimers in Vintschgau. Auch im Weichbilde Merans züngelten die untrüglichen Anzeichen des Aufstandes empor. Die Bauern daselbst hatten sich in Valentin Tschöll einen Hauptmann gegeben. In Mais sperrte der Dorfvorsteher mit bewaffneten Männern am 11. April für jeden Fremden die Straße, es geschah mit Berufung auf Befehle des Erzherzogs Johann. Der dienstbeflissene Assessor Hörmann wollte sogleich die Verwegenen zur Rede stellen, aber der vorsichtige Vincenti hielt ihn zurück. Dieser bot die Bürgermiliz mit ihrem Hauptmann, dem Grafen Ignaz Mamming, auf, damit sie die Wahrung der Ordnung besorge. Aber kaum hatte derselbe Patrouillen auszusenden begonnen, so füllte sich die Stadt mit Bauern, welche Mamming für abgesetzt erklärten, diesem und dem

1) Über Reutte berichtet General Marulaz an General Beckers, Landsberg, 5. April: Suivent les mêmes avis, les Tyroliens revoltés, dont Ie chef est un nommé Strélen de Rietti, seraient venues jusqu' au pont de Füssen et l'auraient rompu.  Saski II, 167.
2) Bericht des Assessors Ott, M. St. Ott blieb zu Innsbruck in Haft bis zum Erscheinen Deroys, das verschaffte ihm die Freiheit. Die Patrimonialuntertanen von Aschau und Berwang wollten auch den Landrichter Froschauer verhaften, aber die Bürger von Reutte widersetzten sich. Nach dem „Verzeichnis von Verbrechern im Innkreis" (M. St.) haben Schermer, Sterzinger und Jos. Hirn von Miemig die ärarischen Kassen zu Reutte im Namen des E. Johann in Beschlag genommen. Üb. Jos. Sterzinger s. Noggler, Schützenhauptmann Josef (Elias) Sterzinger, p. 30 f.
3) Major Theobald bezeugt dem Pfleger Inama, dass ihm derselbe vor dem Abzug aus Tirol wesentliche Dienste geleistet. (M. K.) Schmalhofer war an die Stelle des nach Bozen versetzten Donnersberg getreten. Üb. Kundl die Aufzeichnungen Punggs (J. M.) und das mit Pöll zu München, 9. Juli 1809, aufgenommene Protokoll. (M. St.), auch Juffinger, Kundl, p. 197. Üb. Kufstein s. das Tagebuch Aichers (J. M.).



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 322

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.