339 - Empfang der Behörden
Burg entdeckt hatte, bildete mitten in Tannengrün den Schmuck des Balkons am Landhause. Jedermann hatte die bayrische Kokarde mit der österreichischen vertauscht, die blasenden Postillone zeigten sich wieder in der alten kaiserlichen Tracht mit den schwarzgelben Schnüren. Durch ein dreifaches Spalier von Schützen und Stadtmilizen, unter festlichem Geläute und stets sich erneuernden Vivatrufen bewegte sich der Zug zur Hofburg, auf welcher der bayrische Löwe schon längst den Schüssen der Bauern zum Opfer gefallen war. Am Eingange entbot der Bürgermeister mit seinen Räten den Willkommgruß. Graf Lodron, der noch die Burg bewohnte, schickte, von einem Unwohlsein befallen, den Freiherrn Philipp von Lerchenfeld zu Chasteler, welcher den Abgesandten mit den Worten empfing, er sei gekommen, „um Tirol für den Kaiser zu vindizieren". Im Unterschied zu Hofer, der sich in Sterzing an Chastelers „großer Mannschaft" erfreute, fiel beim Empfang in Innsbruck manchem die bescheidene Truppenzahl auf, so dass er meinte, die allein hätten den Kinkel und Bisson wohl nicht gefangen bekommen. 1) Von diesen Gefangenen hat Chasteler die Wenigsten gesehen. Eben in diesen Tagen zogen sie in langen Kolonnen durch Osttirol, die einen über Gerlos, die andern über Lofer nach Salzburg. Von einem Distrikt zum andern bildete der Landsturm mit seinen primitiven Waffen ihre Begleitung. Wo immer sie durchkamen, eilte Gross und Klein zusammen, um das seltene Schauspiel zu gemessen. 2)
Chasteler schritt, da Hormayr zurückgeblieben, an die Übernahme der Gesamtregierung. Am 16. April begannen schon um 8 Uhr morgens die Aufwartungen. Zunächst sprachen im Namen Lodrons die zwei Kreisräte Benz und Eder vor und baten um Sicherheit für die Beamten. In höflich zuvorkommender Manier wurden sie vom Marquis empfangen und
1) Stettner, Vejder, Miegs Bericht. Mieg widmet unter anderem Chasteler die Worte: „Da erschien er, dazu bestimmt, der oberste der Teufel in der Hölle zu sein, wie sein Helfershelfer Hormayr gewiss von allen der verruchteste war."
2) Bericht eines bayr. Beamten, 23. April 1809 (M. St.): „Wir sahen mit blutendem Herzen unsre braven Soldaten mit 90 Offizieren, ausgeraubt, durchführen von Henkersknechten gleichenden Insurgenten mit allen Arten von Mordinstrumenten aus der ältesten Zeit, einige hatten sogar triumphierend eine große Ochsensehne neben der Pistole und dem Säbel hängen, und so ein treuloser Tyrann ritt mit einer Trompete zum Spott voraus. Wo sie hinkamen, wurde Sturm geläutet, ebenso alle Fressglocken bei den Bauernhäusern neben der Straße." Den staffelweisen Durchzug der Gefangenen beschreibt anschaulich das Tagebuch des Pflegers in Lofer: „15. April kommen 400 bayrische Gefangene, 16. früh 1200 gefangene Bayern und Franzosen, nach zwei Stunden wieder 1000, um mittag abermal 1200, abends kam Kinkel mit seiner Frau und übernachtete beim Hacklwirt, 17. April passieren 40 französische und 48 bayrische gefangene Offiziere, 18. 120 kranke und verwundete Bayern." M. K. Als am 26. 700 dieser Gefangenen Enns passierten, sah man unter der Eskorte Tirolerinnen, jede mit einem „Schoissprügel" bewaffnet. Mem. v. Skall, Handschr. in d. K. Fideikommissbibl. in Wien.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.