340 - Chastelers erstes Auftreten
vernahmen aus seinem Munde folgende Anrede: „Meine Herren! Ich bitte zu glauben, dass Sie unter dem Schutze meiner Truppen ganz sicher sein werden. Ich beklage, was bisher vorgefallen ist. Aber ich konnte es nicht hindern, durfte und wollte es auch nicht hindern. Man darf das Volk in den Äußerungen seiner Kraft nicht stören. Noch wäre es zu früh, alles wieder in den gewöhnlichen Gang des bürgerlichen Lebens zurückführen zu wollen. Dies ist der letzte Krieg, den wir führen, für alle Fälle der letzte. Wir mussten daher ungewöhnliche Mittel zu Hilfe nehmen. (Mit besonderem Nachdruck fortfahrend) Europa liegt in einer großen Krisis, wir müssen untergehen oder wir wollen in unserer eigentümlichen Größe wieder erscheinen. Wir führen die Sache der ganzen Welt und rechnen allenthalben auf den Beistand aller Gutgesinnten, die nun so lange unter schmählichen Ketten seufzen." 1)
Nach diesem gewiss recht wenig glücklichen rednerischen Versuch fand im großen Saal die Vorstellung des ganzen Beamtenkörpers und des akademischen Senates statt. Zwei von den bayrischen Staatsdienern, Kanzleidirektor Mieg und Postdirektor Brück, zog Chasteler in ein engeres Gespräch und überraschte sie durch die Mitteilung, er habe sie zu seinen Referenten ausersehen. Schon am nächsten Tag musste er, durch einen Brief Hormayrs über das Voreilige dieses Schrittes belehrt, denselben widerrufen. Der geschwätzige Kommandant war noch in die Unterredung mit den beiden Männern vertieft, als ihm eine Abordnung der ständischen Aktivität gemeldet wurde, die sich bereits wieder konstituiert hatte. In Gegenwart der Bayern gab er Befehl zum Eintritt mit den Worten: „ Wüssten doch diese zudringlichen Menschen, wie lästig sie mir sind." Damit verabschiedete er diejenigen, gegen welche sich das Volk erhoben, und empfing jene, die im Namen desselben vor ihm das Wort führten. Es waren Graf Tannenberg, Abt Markus von Wilten und Herr v. Stadler. 2)
Mittags war große Tafel, bei welcher der Kommandierende eine bunte Gesellschaft um sich vereinigte: die Spitzen der bayrischen Behörden, seine eigenen Offiziere und bäuerliche Schützenhauptleute. Da gab es Tischgespräche, die den Ohren Miegs und seiner Genossen nicht sehr erbaulich klangen. Man unterhielt sich auch über das Schicksal der
1) Bericht Eders. M. St. Als Chasteler noch in den folgenden Tagen von Misshandlungen bayrischer Beamten hörte, sagte er (nach Mieg): „Ich kann nicht Elemente verschiedener Natur vereinigen, ich brauche Feuer und kann nicht Wasser hineingießen."
2) Dies alles nach Miegs Bericht, wo noch der Satz angehängt ist: „So hat also Chasteler die Verräter mit Verachtung gestraft." — Nach Mieg brüstete sich der General vor Lodron, dass er den „Hauptplan" zum Tiroler Aufstande entworfen und in seinem Bedientenzimmer in Klagenfurt mit Teimer alles in tiefstem Geheimnis verabredet habe. „In den Zügen Teimers meinte Chasteler Ähnlichkeit mit Napoleon zu finden, diese Äußerung erfüllte uns alle mit Unwillen."
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.