343 - Senn in Nauders


zu haben.1) Giovanelli war empört; es kam zwischen ihm und Hormayr zu Auseinandersetzungen, die eine dauernde Entfremdung bewirkten. Die Ausweisung war nicht mehr rückgängig zu machen, aber Giovanelli sorgte treulich für die arme Frau und suchte dem dankbaren Freunde sein Kärntner Exil zu erleichtern.

Neben diesen von Hormayr verfügten Deportationen ging die von Chasteler eingesetzte provisorische Regierung noch gegen andere vor, die sie der augenblicklichen Stimmung zu opfern für gut fand. Landrichter Rungger in Nauders hatte sich dem Teimer bei der Konfiskation der Kassen in den Weg gestellt. Eben an Teimer und an Senn, der bei Beginn des Aufstandes selbst sich nach Innsbruck verfügt hatte, fand er zwei gefährliche Ankläger. Sie erwirkten ein Dekret der Regierung: „Die gegenwärtigen Umstände erfordern zur Beruhigung des biedern Volkes die unverzügliche Verfügung, dass der Richter Rungger, welcher ohnehin durch die letzten bayrischen Anordnungen eine andere Bestimmung erhielt und sich angemaßt hat, die vom Major Teimer verfügte Versiegelung der Kassengelder eigenmächtig abnehmen zu lassen, sogleich dem Assessor Senn die einstweilige Gerichtsverwaltung von Nauders und Zugehör ordentlich übergebe." 2) Damals von Hormayr selbst noch gehalten, musste Runger einige Wochen später den Platz räumen. Senn zog siegreich ins Gerichtshaus ein. 3) Ähnliche Behandlung wie Rungger widerfuhr dem Pfarrer von

1) Schultes an Giovanelli, Lienz 24. April 1809: „Ich kann Dein Vaterland nicht verlassen, ohne von Dir Abschied zu nehmen, da Du eine der Ursachen warst, die mich dahin führten. Du weißt, was ich dieses halbe Jahr für das Land tat. Über 1545 Spezies bekam in dieser kurzen Zeit der (botan.) Garten durch mich und mehr als 4000 würde er in diesem Herbst bekommen haben. Mit allen angesehenen Mineralogen war ich im Verkehr. Euer Kabinett, bereits durch die Reste von Ambras und Neustift bereichert, würde kein Leichardingscher Skandal mehr geblieben sein. Ich arbeitete, wie Du weißt, Tag und Nacht. Zum Lohn dafür hat mich Roschmann, glücklicherweise noch in Gesellschaft des Rektors Spechtenhauser und Bertholdis, binnen sieben Stunden von Innsbruck unter der Bedingung weggejagt, dass ich mit Extrapost nach Klagenfurt fahre. Das habe ich wahrlich nicht verdient. Mein kleines Vermögen ist damit verloren und ich bin ruiniert. Aber das wäre noch eine Kleinigkeit, ich komme in der ganzen Welt fort. Aber ich musste sogar meine Familie zurücklassen. Das bringt mich dem Grabe nahe. Das habe ich von Hormayr nicht verdient, dem ich so oft das Leben rettete. Sag ihm, dass ich ihm für diesen Lohn danke. Ich wäre bei der neuen Ordnung der Dinge doch nicht in Tirol geblieben, aber ich hätte erwartet, dass man mir doch zweimal 24 Stunden gegönnt hätte, um meine Frau mitzunehmen. Adieu, Giovanelli, sei glücklicher als einer der Unglücklichsten." A. G.
2) Absetzungsdekret vom 20. April, gezeichnet von Trentinaglia, Anderlan und Dauwrabik. M. K.
3) Senn war Richter in Pfunds, bis er infolge der Neuorganisierung 1807 mit kleinem Gehalt quiesziert wurde. Notdürftig ernährte er seine zahlreiche Familie, indem er nun Advokatendienste leistete. Kurz vor dem Aufstand ernannte ihn die bayrische Regierung zum Assessor für Fürstenburg. Aber bereits zählte er zu den von Teimer eingeweihten und schloss sich im April offen demselben an. Senn und Teimer veranlassten Runggers Abführung nach Bozen, wo Hormayr über ihn richten sollte, und agitierten für seine Absetzung in Innsbruck. Vor Hormayr wusste sich Rungger zu rechtfertigen und wurde von demselben wieder nach Nauders zurückgesandt. Rungger ist natürlich übel zu sprechen auf Senn, aber sein Urteil über diesen wird richtig sein. Er schildert ihn als den Mann mit beißender Zunge: „Man braucht kein großer Physiognom zu sein, um aus den Zügen seines gelben, mit Falten eingegrabenen Gesichtes den Mann zu erkennen, als den er sich stets zeigte. Selbst im geschäftlichen Umgang schwingt er immer seine satirische Geissel so heftig, dass sie einem das Herz zerfleischen möchte. Das ist seine besondere Force. Besonders schlimm ist seine Feder und Zunge gegen den, der sich ihn zum Feinde gemacht hat. Allerdings gibt er sich auch dem ganz hin, dem er gut ist." Über Runggers Entfernung s. im 2. Kap.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 343

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.