367 - Siegesfeier im Lande


bekümmert um die Frage nach der weiteren Zukunft lebte man dem frohen Augenblick. Wahrhaft ungeheuchelt war der Jubel, da sich das Volk im Gotteshaus oder auf Schießständen zur Begehung von Siegesfesten versammelte. Der vorletzte Sonntag des April (23.) war der Tag, an dem in allen Pfarrkirchen des Landes die offizielle Danksagung gehalten, in Innsbruck ein großes, von Chasteler mit Besten begabtes Freischießen eröffnet wurde. Die Prediger auf der Kanzel sprachen von der Bedeutung des Tages. Eindrucksvolle Worte richtete Benitius Mayr in Innsbruck an die andächtige Menge, und da er daran erinnerte, wie so mancher das göttliche Gesetz verletzt habe, da er sich an fremdem Eigentum vergriffen, so wurden alsbald zahlreiche entwendete Sachen zurückgestellt. 1) Von einem andern Festredner eben dieses Tages werden die Worte überliefert: „Der Kaiser Napoleon, dieser korsikanische Flüchtling, hat sich angemaßt, den Titel eines Grafen von Habsburg anzunehmen und Erzherzog von Österreich werden zu wollen. Der bayrische König hat die Kirchen geplündert, die Religion mit seinen zweideutigen Verordnungen unterdrückt, Steuern auferlegt und die Rekrutierung anfangen wollen. Nun hat der österreichische Kaiser Tirol befreit, er kämpft für die Religion, auch wir Tiroler wollen für dieselbe streiten und sterben." 2) Dieselben Gefühle begegnen im schriftlichen Gedankenaustausch jener Tage. Domprobst Buol begrüßt einen Freund brieflich: „Jo Victoria, der Allmächtige hat geholfen, te deum laudamus." Ähnlich schreibt Carneri aus Salzburg nach Innsbruck, und jener warmblütige Alttiroler, Graf Enzenberg, begrüßt nach Empfang der Nachrichten aus Tirol seinen gleichgesinnten Freund Stadler: „Gottes Hand ruhte sichtbar auf uns und sein Geist wich von unseren Feinden. Diese Vorgänge sollten aufgezeichnet werden. Aber noch heißt es wachsam sein. Mit Ihrer, Reinharts, der würdigen Prälaten von Wilten und Griess und anderer verdienter Männer Mitwirkung wird Tirol bald wieder in integrum restituiert sein." 3) Diese Wiederherstellung

1) Danei a. a. O.
2) Diese Worte wurden in Lienz gesprochen, wo man keinen Volkskampf, nur den Durchzug Chastelers gesehen hatte. Bericht des bayr. Mautamtbediensteten Max Lofayer.  M. St.
3) Enzenberg an Stadler, 26. April 1909. M. St. Der Graf schreibt weiter: „Im Vertrauen, wenn ich gefragt werden sollte, welches die Besten zur Besetzung des Guberniums wären; dürfte ich mit Vertrauen den Hofrat Eiberg in Wien zum Vizepräsidenten vorschlagen? Meinen Neffen, den Schneeburg, und Morl, diese beiden nebst Dipauii empfehle ich in der Voraussetzung, dass sie als rechtschaffene Männer vor allen Tirolern mit reinem Herzen und offener Stirn dastehen können. Dagegen gebe ich meinen andern Neffen Welsperg in Trient wenigstens als zweideutigen Mann ganz preis. Ich fürchte fast, die gar zu große Güte des Hauses Österreich möchte dem deportierten Major Graff den verdienten Lohn des Galgens nicht zumessen." — An der Erfüllung von Enzensbergs Wunsch über Aufzeichnung der Vorgänge wurde damals schon gearbeitet. Am 26. April sendet der junge Giovanelli seinem Vater im Auftrage Hormayrs Aktenstücke, damit sie sogleich gedruckt werden. „Sie bilden eine Fortsetzung der schon gedruckten Aktenstücke zur Historie der Befreiung Tirols' und sind mit denselben Lettern zu drucken." Pradella, Hofmeister im Haus Giovanellis, hat die Korrektur zu besorgen. A. G.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 367

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.