401 – Chasteler in Unterinntal
die Stürmer von Innsbruck und Sonnenburg sollten auf das erste Zeichen Rattenberg zueilen und die von Oberinntal als Reserve dienen. Dass man sich in der Schutzdeputation der kritischen Lage bewusst wurde, zeigt ihr Befehl, es möge eine Bittprozession mit Umtragung des Madonnenbildes der Innsbrucker Pfarrkirche veranstaltet werden. 1) Teils zu Schiff, teils auf der Reichsstraße brachte Chasteler 2 Bataillone (Lusignan), 4 Landwehrbataillone, etwas Reiter und einige Geschütze bis Wörgl. Hier erreichten ihn Fenners Botschaften, wonach sich dieser vor den weit überlegenen feindlichen Streitkräften mit den paar Kompagnien, die er um sich hatte, bis Söll zurückgezogen habe. Erst jetzt erkannte Chasteler einigermaßen die Lage. 2) Dass er in der Ebene von Wörgl nicht stehen bleiben dürfe, stand ihm in diesem Augenblicke fest; also entweder vorwärts oder zurück bis Rattenberg. In diesem letzteren Fall fürchtete er, dass Fenner den Anschluss an ihn nicht mehr erreichen könnte. Vielleicht, so nahm er an, ist es nur die feindliche Avantgarde, welche über Ellmau vordringt, und diese könnte von Fenner mit einem ihm eiligst zugesandten Bataillon Lusignan und dem von allen Seiten requirierten Landsturm wohl aufgehalten werden. Diese die Wirklichkeit noch immer unterschätzende Meinung zerstörte bei Tagesanbruch (13. Mai) der von der Richtung Ellmau her hörbare Kanonendonner und ein abermaliger Kurier Fenners, welcher melden ließ, der Marschall stehe mit ganzer Macht vor ihm, die ihn aufzureiben drohe. Nun drang Chasteler selbst mit all seiner Mannschaft, Militär wie Schützen, soviel deren in der Eile Straub herbeigebracht hatte, in das enge, ins Söll-Landl führende Tal ein. Bald stieß er auf Fenner, der nebst dem ihm überlassenen Bataillon nach kurzem Widerstand außerhalb Söll schon geworfen worden war. Von Chasteler aufgenommen, fassten die Zurückziehenden nochmals Posto und hielten, durch ein zweites Bataillon (Oberst Ruiz) verstärkt, den vorwärts stürmenden Gegner auf. Gegen dessen überlegenes Geschütz und seine zeitweilig vorstoßende Reiterei schützten keine angelegten Verhaue. Große Stürmermassen, die etwa von den flankierenden
1) 12. Mai, L. A. Der Bürgermeister Schumacher antwortete der Deputation: Die Prozession soll stattfinden, sie aber möge die Kosten (37 G.) dafür übernehmen an Stelle der verschuldeten Pfarrkirche und die Prozession „nicht auf Kosten jenes Gnadenbildes setzen, dessen mächtiges Vorwort angerufen werden soll". (13. Mai, M. St.)
2) Chasteler hatte noch bei seinem Abgang von Innsbruck erklärt, er gehe nach Kufstein. (So Giovanelli an seinen Vater, 11. Mai.) Und unter dem Eindruck der aus Innsbruck erhaltenen Berichte schreibt Giovanelli d. ä. (13. Mai): „Die Eroberung des Strubpasses hat nicht viel zu bedeuten, wenn die Österreicher in Salzburg sich rühren und Chasteler einen Ausfall macht. Ich glaube nicht, dass der Feind tiefer ins Land eindringt." Zwei Tage später bezeichnet derselbe Lefebres Invasion als „eine Streiferei", die nur „dient zur Bestätigung des von E. Karl erfochtenen Sieges, infolgedessen die Franzosen zurückziehen". Diesen Zurückziehenden, meint Giovanelli, wolle Lefebre nur Platz machen. A. G.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.