402 – Niederlage bei Wörgl
Waldkulissen her den Feind hätten verwirren können, waren nicht vorhanden. 1) So mussten die Kaiserlichen Stellung für Stellung preisgeben, um 11 Uhr betrat Chasteler wieder den Wörgler Boden. Hatte er sich schon nicht im schluchtenartigen Terrain halten können, wie viel weniger in dem breiten, offenen Felde. Sieberer hatte in der vorausgehenden Nacht von seinem Heimatsorte Langkampfen dem Marquis sagen lassen, er möge seine Stellung bei Rattenberg wählen, wo sich ein felsiger Talriegel ganz nahe an den Inn vorschiebt. 2) Chasteler erinnerte sich des Rates nicht. Ja, ein Landwehrbataillon, das noch am 12. seine Bestimmung als Reserve in Rattenberg bekommen hatte, war, wie es heißt, „durch ein Missverständnis zur Unzeit" nach Wörgl gerufen worden. 3)
Durch einen halbtägigen Rückzug bereits ermüdet und demoralisiert, wurde Chastelers Mannschaft auf einer Linie von mehr als einer halben Stunde Ausdehnung in der Ebene verteilt. Die dem Innfluss benachbarte Au nahm als nördlichen oder linken Flügel Straubs Schützen (ca. 1000) auf, den Eingang des Dorfes besetzten Geschütze und Reiter als Zentrum, dahinter 4 Kompagnien, in die Häuser verteilt; das Gros des Militärs hielt als rechter Flügel den südlich gelegenen Waldrand besetzt. Alsbald hatte der unmittelbar nachdrängende Feind die letzte Brücke über die Ache forciert und stellte sich nun einige hundert Schritte vor dem Dorfe in Schlachtordnung auf. Wredes Kanonen bringen die österreichischen bald zum Schweigen, ein bayrisches Regiment (Leiningen) löst sich in Kolonnen auf, um das schwache Zentrum zu umschließen. Daher protzen die Kaiserlichen ihre Geschütze ab und enteilen durch den schon in Brand geschossenen Ort. Die feindliche Kavallerie, über 1000 Pferde, wendet sich gegen den linken Flügel. Die Bauern zerstieben im Augenblick, einzelne von ihnen, wie die Hauptleute Aniser und Spiegl von Hall, werden noch gefangen. Darauf stürmt die Reiterei auf der Straße gegen Kundl, und so droht der rechte Flügel, vorn von der Hauptmasse des feindlichen Fußvolkes bereits angegriffen, auch im Rücken gefasst und von Rattenberg abgeschnitten zu werden. Da bleibt kein Ausweg als sich eilends in die waldbedeckten Bergabhänge zu schlagen. Keine Stunde hat diese Gefechtsaffäre um Wörgl gedauert, Chastelers Korps ist gewesen. Über 600 ließen das Leben, die andern zerstoben, wohin sie der Zufall und die Hoffnung auf Rettung führte. Die Katastrophe war die unvermeidliche Folge von Chastelers Unvermögen, den Gefechtsboden im
1) Vejders Journal: „Wo man auf Tausende rechnen musste, waren kaum Hunderte da."
2) Sieberers Tagebuch. Auch diese Stelle hat Hormayr beim Abdruck etwas geändert.
3) Vejder a. a. O.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.