410 – Kämpfe bei der Zillermündung
endlich Deroy, der von Kufstein nachgekommen war. Schon bei Brixlegg wurde die Avantgarde beunruhigt. Trümmer von der bei Wörgl zersprengten Mannschaft hatten sich da angesammelt, Landsturm aus den benachbarten Orten 1) sich ihnen beigesellt. Die Straße war an manchen Stellen abgegraben, aus dem sie begleitenden Berghange des Reiterkogels begrüßte die Herankommenden lebhaftes Feuer, das den Bayern manchen Verwundeten und zwei tote Offiziere (Major Zeiger und Leutnant Deisenberg) kostete. Der Zug stockte; Wrede selbst musste sich an die Spitze stellen, um seine stutzig gewordenen Soldaten wieder in Bewegung zu setzen. Größere Bewegungsfreiheit erhielt die Truppe erst, als es einer Abteilung gelang, den Wald, welcher den Schützen sicheres Versteck geboten hatte, in Brand zu stecken. Ein neues Hindernis bereitete der von den Bauern unternommene Abbruch der Brücke über den Zillerfluss, die unter fortwährender Beschießung hergestellt werden musste. Nun näherte sich der Weg dem Klauseck, das vom steilen Felsen der Brettfall überhöht wird. Da droben, wo sonst an geweihter Stätte nur andächtige Wallfahrer sich zu sammeln pflegten, nistete sich Speckbacher mit seinen Schützen ein. Von dem steil abfallenden Felsenkopf aus, den niemand im Sturm nehmen konnte, war ein vorbeipassierender Feind empfindlich zu schädigen. Speckbacher hielt seine Leute zurück, bis die Bayern nahe genug waren. Dann knallten die verderbenbringenden Salven herab, wieder trat Unterbrechung des Marsches ein, Tote und Blessierte bedeckten Feld und Straße. Wrede ließ die Batterie Grafenreuth auffahren, sie sollte mit Granatschüssen den Bauern das fernere Attackieren verleiden. Verwundet wurden jedoch nur die Felsen, deren Steintrümmer prasselnd herunterstürzten. Die Mannschaft oben fühlte sich wohl geborgen. Dagegen entdeckt Speckbachers Adlerauge eine andere Gefahr. Eine Abteilung Bayern schwenkt ins Zillertal ab, wendet sich zum Dorfe Schlitters und kann dann die Verteidiger auf der Brettfall von rückwärts fassen. Zugleich sieht man einen Teil der Division Deroy auf dem linken Innufer widerstandslos gegen Jenbach sich aufwärts bewegen. Das lässt weiteren Widerstand an dieser Stelle ebenso gefährlich wie zwecklos erscheinen. Speckbacher wirft sich daher in den gegen die alte Rottenburg sich hinziehenden Wald, die Passage ist den Bayern frei. 2) Am Abend kampierten sie auf den Wiesen zwischen Strass und Rotholz.
1) Hauptleute: Josef Praxmarer, Wirt von Reit und Raimund Gras von Brixlegg.
2) Denkwürd. d. Obersten v. Tavel, veröff. im Berner Taschenbuch 1885, abgedr. in Innsbr. Nachr. 1906 Nr. 30 ff. Weinbachs Bericht aus Strass, 16. Mai, a. a. O. Hormayr erzählt in seinem cit. Bericht v. 1815: Ich hatte kaum Zeit, das Wichtigste zu vernichten. Die eigentlichen Administrationspapiere, wo auch viel Kompromittierendes vorkam, musste ich der Treue eines alten Hofdieners Gottfried Pusch übergeben, welcher sie in eine Kloake warf und so mit Wasser begießen ließ, dass der von feindlicher Seite zu ihrer Rettung und Durchgehung beauftragte bayrische Kreisassessor Graf Lerchenfeld sein Vorhaben aufgeben musste."
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.