422 - Panik in Innsbruck


riefen, der Feind stehe in Hall. Sogleich löste sich die Prozession, die jährlich an diesem Tage zur Johanniskirche am Innrain geht, in wildem Schrecken auf. Das brennende Schwaz erweckte neues Entsetzen. Tagsüber trieb sich alles auf den Straßen herum, um Neuigkeiten zu erhaschen; voll der widersprechendsten Gerüchte kehrte man gewöhnlich nach Hause zurück. 1) Nicht wenige packten ihre Habe und begaben sich auf die Flucht. Dagegen meinte Dipauli: „Die Bleibenden tun besser als die Weglaufenden." Dass er richtig urteilte, mag man aus der Fluchtgeschichte seines Freundes, des Appellationsrates Peer, ersehen, welche mit ihren bezeichnenden Details Danei beschrieben hat. Peer entschloss sich, mit seiner Familie über das obere Inntal nach Meran zu retirieren. 2) Der ihm befreundete Danei begleitete ihn. Schon beim Beginn der Fahrt gab es unliebsamen Auftritt. Auf der Innbrücke brachen die Ketten, welche die Koffer der Reisenden auf dem Wagen festhielten. Das Gefährte musste stehen bleiben. Bauern gingen vorüber und ein Weib aus der „Kotlacke". Dieses rief jenen zu: „Söchts Mander, wie mans enk måcht, zerst håbn d'Hearn 's Lånd verkaft und enk a, und iatz måchn si si durch mit'n Geld; koan fortlåssn sollts." Und gleich bildete sich ein Auflauf, einer sagte zum andern: „Du, dö håbn 's Lånd verkaft." Mit Mühe konnte sich die Gesellschaft losmachen und gelangte nach Zirl, der ersten Post. Wieder machten sie großes Aufsehen und wurden fixiert von zahlreichen Stürmern, die sich eben vor dem Gasthof sammelten. Jedermann drang in die Ankömmlinge um Neuigkeiten. Die Befragten hofften sich zu salvieren, indem sie das schlechte Wahre verschwiegen und von Siegen der Österreicher erzählten. Man ließ sie auch nach kurzer Rast passieren. Bevor sie aber noch die nächste Poststation 3) erreichten, holte sie ein Postillion ein, welcher sie im Auftrage einer bäuerlichen Innsbrucker Stafette zur Rückkehr aufforderte. Herr und Frau Rat waren blass vor Schreck. Danei übernahm es, die Sache zu schlichten. Die Familie quartierte er im nahen Posthause ein, er selbst fuhr zurück nach Zirl. Dabei vergaß er nicht seine Personalpapiere, worunter ein Ablassbrief, 4) zu sich zu stecken. Mitten auf der Strecke begegneten ihm zehn Sturmleute von Zirl, welche der Reisegesellschaft nacheilten, um sie zurückzueskortieren. Danei konnte sie nicht zurückhalten und rief ihnen nur noch zu, sie möchten wenigstens

1) Dipaulis Briefe (A. D.), Chronik von Pusch.
2) Peer ließ sich von der Schutzdeputation einen Geleitschein ausstellen. Derselbe lautete für eine Fahrt durch Oberinntal sonderbar genug: „Herr v. Peer ist von Hormayr zum Mitglied der Deputation bestellt und muss deshalb von Hormayr genauere Instruktionen einholen. Er soll deshalb frei zu Hormayr passieren können." 15. Mai. L. A.
3) Damals Plattele vor Telfs.
4) Noch datierend von seinem Aufenthalt in Rom.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 422

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.