451 - Hofer und Leiningen


besonders wachsames Auge hatten. Und wirklich langte bald eine solche an, adressiert an Buol. Es war jene, worin Chasteler den Oberbefehl wieder an sich nahm und Buol nach Pustertal abberief. Das versiegelte Stück wurde dem Kurier in Sterzing abgenommen und zu Hofer gebracht. Bei allem Ärger über die Generale hatte der Sandwirt, großgezogen in der Scheu vor der Autorität, Bedenken, sich am Briefe zu vergreifen. Mit einem seiner Hauptleute, dem Grafen Hendl, besprach er den heiklen Fall. Hendl wurde nicht lange von Skrupeln gequält und zerriss den Verschluss. Und richtig: da stand es schwarz auf weiß, ein neuer Beleg für Chastelers Treulosigkeit: Buol habe den Brenner gleich zu verlassen. 1) Einer militärischen Ordonnanz gewährten die Bauern von nun an keinen Pass mehr.

Nur zögernd nahm Hofer von dem Platze Besitz, auf den ihn Verhältnisse gestellt, die niemand mehr beklagte als er. Wie glücklich wäre er gewesen, Dienste zu leisten unter einem militärischen Führer, dem man vertrauensvoll folgen konnte. Im nächsten Augenblick schien sich dieser sein liebster Gedanke verwirklichen zu wollen. Zu seinem freudigen Erstaunen traf Leiningen in Sterzing ein. Auch diesen Offizier hatte Chastelers Wankelmut in den letzten Tagen auf erschöpfenden Märschen straßenauf und straßenab getrieben: von Trient nach Bozen, von Bozen nach Klausen, von Klausen retour und endlich bis nach Schabs. Hier erfuhr er, dass nun an Stelle Marschalls Buol sein kommandierender General sei. Von ihm wollte er Befehle entgegennehmen, daher seine Ankunft in Sterzing. 2) Hochwillkommen erschien er dem Sandwirt, der eben mit andern am Tische saß und Pläne entwarf, wie man die Bayern vom Brenner verjagen könne. Denn bereits war die Kunde von jenen kleinen Plänkeleien bei Steinach bis in Hofers Kreis gedrungen. Leiningen tat bei diesem Kriegsrat sogleich eifrig mit. So saß er unter ihnen als jenes militärische Haupt, wie Hofer sich dasselbe dachte, kriegserfahren und ein Freund der Bauern. Solche glückverheißende Wendung nach trübseligen Stunden musste den intimsten seiner Vertrauten, seinem Weibe und dem Freunde Morandell, flugs kundgetan werden: „Ich mache Dir zu wissen, dass ich heute schon wieder sehr fröhlich bin, obwohl ich gestern sehr traurig war. Denn mir ist mein Wunsch gelungen und ich hoffe jetzt das Bessere, weil Herr Oberst von Leiningen Kommandant von Tirol geworden ist. Deshalb mache ich Dir zu wissen, dass Du jetzt wegen mir nicht mehr trauern darfst und ich hoffe Dir in kurzem wieder sehr freudige Nachricht geben zu können. Schick geschwind dieses Brieflein dem Herrn

1) Hochrainer merkt dazu an: „Hofer hat diesen Brief hier in Sterzing zurückgelassen und er war lang in meinem Besitz, bis ich denselben dem Danei übergab."
2) Es war in der Nacht des 21. Buol und Leiningen haben sich offenbar bei ihrer nächtlichen Reise auf der Brixener Strasse verfehlt.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 451

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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