478 - Die Oberinntaler nähern sich


Hofer ist zum wichtigsten Augenblick erschienen, Aufmunterung nach allen Seiten tut not. Seine Adjutanten fliegen von einer Abteilung zur andern: nur jetzt möge man ausharren. Und die gelockerten Scharen sammeln sich wieder. Aus jeder Waldeslücke pfeifen ihre Kugeln auf die tollkühnen Stürmer. Ertel zieht wieder eine Reserve heran, diesmal auch die Eskadron des Rittmeisters Henrion, und nun geht es an eine erfolgreiche Säuberung des Berges. Den tapfern Bayern war Übermenschliches zugemutet worden, sie müssen sich zum Rückzug wenden. Unter starken Verlusten sieht man sie aus Wald und Hohlweg entweichen. So nahe sind ihnen die Bauern, dass diese das Schiessen einstellen und ihnen mit den Gewehrkolben nachjagen. Dabei machen sich die Tiroler auch an die zu unterst gelegenen Häuser und räumen sie im stürmenden Anlauf vom Feinde. Der wackere Hauptmann Ammann, der am Vormittag auf dem linken Flügel so wertvolle Dienste geleistet, fand da beim Sarntheinhof ehrenvollen Soldatentod.

Nach diesem letzten verlustreichen Vorstoß der Bayern trat ein gewisser Stillstand ein: die Bayern unterhielten von der Ebene aus, wo ihnen Kirche, Friedhof und Kloster Wilten Deckung gewährte, ein Feuergefecht gegen die Tiroler; diese antworteten aus den Waldlisieren. Während Hofer und Ertel auf ihrem Aussichtspunkte auf dem Plateau wahrnehmen konnten, wie ihre Scharen den Gegner ins Tal zwangen, sahen sie, dass es sich endlich auch von der Seite der Martinswand her zu rühren beginne. Spät, aber doch! Teimer war gegen Mittag in Zirl eingetroffen und näherte sich langsamen Marsches auf der linksseitigen Reichsstrasse der Stadt. Was er an Kompagnien mitführte aus Telfs, Landeck und Glurns, war, da sein Hauptstrom sich nach Scharnitz ergoss, nicht zahlreich; es waren fast genau soviel, als jene Abteilung ausmachte, die ihm schon in der Nacht entgegengeschickt worden war. Eben diese, Thurnwalders Passeirer, bildeten seine Vorhut und machten in einer Reihe kleiner Gefechte gegen bayrische Detachements die Strasse für die Nachrückenden frei. Von Kranewitten aus näherte sich Teimers Mannschaft über die Höttinger Felder diesem Dorfe, eine Kompagnie beschlich bald den beherrschenden Planetzenhof. Dieses Erscheinen der Oberländer musste, wie Ertel annahm, auf bayrischer Seite Niedergeschlagenheit erwecken. Ihm selbst und den Schützen, übrigens auch kaum weniger der Gegenseite, begann es an Schiessbedarf zu mangeln. Das Feuer ließ nach. Und da wollte es nun Ertel mit einem Parlamentär bei dem zweifellos ermatteten Gegner versuchen. Ein Leutnant musste Deroy zur Kapitulation auffordern. Der General war bloß für einen kurzen Waffenstillstand zu haben, und so zerschlug sich die zweistündige Besprechung. Während dieser Zeitspanne waren bei den Tirolern Munitionswagen vom Brenner eingetroffen. Im glücklichen Besitz des willkommenen Schussbedarfes legten



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 478

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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