482 - Lässige Verfolgung


Chastelers, und durch das feinere Tuch der grünen Jacke. 1) Beim goldenen Adler stieg er ab. Sein Begleiter, der Kapuziner, begab sich ins Kloster. Mit strengem Verweis vom Provinzial empfangen, versprach der Rotbart schnelle Rückkehr in die stille Zelle. Wie aber Hofer davon hörte, ließ er dem Ordensobern sagen, es wäre traurig, wenn der Orden nicht einen einzigen Mann zum Dienste für Kaiser und Vaterland entbehren könnte; lasse man ihm den Pater nicht gutwillig, dann werde er ihn doch behalten. Und Joachim durfte dem Sandwirt auch noch weiter folgen. 2)

Auch Teimer war langsam — es war um Tagesmitte — herangerückt. Als kaiserlicher Major wollte er nicht ohne jegliches militärische Gepränge erscheinen, selbst wenn es einen komischen Anstrich hatte. Wie er die Stadtbrücke passierte, ritten ihm voran zwei ranzionierte Kürassiere auf Müllerpferden, „der eine ohne Kasquet, der andere mit einer Haube auf dem Kopf", hinter ihm sein Adjutant, der „Schmalzer Toni", dann einige Soldaten und Ranzionierte, endlich Trommler und Trompeter mit dem Bauernschwall.

Von irgendwelcher militärischen Initiative verlautet nichts. Die Tiroler aber fanden sich bei ihrer sprichwörtlich gewordenen Langsamkeit des Überlegens nur allmählich in der überraschenden Situation zurecht. Den Feind heute zu schlagen hatten sie vermeint; beizeiten zu sorgen, dass der Geschlagene oder Abziehende aufgehalten werde, daran hatte niemand gedacht.

Deroy hatte längst ganz unbehelligt die Stadt Hall passiert, als Speckbachers Leute sich den Schlaf aus den Augen rieben und gewahrten, dass weitum kein Feind vorhanden sei. Über die Trümmer der von den Bayern zerstörten Brücke strömten sie in die Stadt, um sich gütlich zu tun. Bald bemächtigte sich ihrer zügellose Weinlaune und toller Siegestaumel. Nicht einmal Speckbacher, der sie jetzt am liebsten gleich zusammengenommen und dem Feinde nachgesetzt hätte, vermochte zu Wort zu kommen. 3) Ein unvorsichtiges Wort konnte einem von den Ungebärdigen arge Verlegenheit schaffen. 4) Auch nach bayrisch Gesinnten wurde gefahndet.

1) Alle diese Züge nach Knoflachs Tagebuch, der auch für diesen Tag fast jede einzelne Stunde schildert. Zu ½ 7 Uhr abends merkt er an: „Jetzt hatte ich ein frohes Stündchen. Nussbaumer spielte Klavier, und der österreichische Rittmeister Altmann, ein liebenswürdiger Mann voll Geist und Empfindung, sang dazu." Gegen 9 Uhr abends brach im Gasthof zur Sonne ein Brand aus, den die noch anwesenden Bauern eifrig löschen halfen.
2) Haspingers Tagebuch, gedr. in d. Mitteil. d. Kriegsarchivs II, 1903.
3) Speckbacher stellt am 6. April 1811 in Wien folgendes Zeugnis aus: „Der Elefantenwirt in Hall Andreas Mayr hat am 30. Mai 1809 für die Landesverteidiger um 25 Gulden Wein herausbringen müssen zur Haller Brücke, damit die Schützen nit hätten sollen in die Stadt einrücken, dieweil ich mir zuvor vor Ungelegenheiten geforchten und ich selbige hab verhüten wollen." M. St.
4) Georg Brandauer aus Salzburg, Schmied in Hall, gibt 13. Nov. 1809 in München zu Protokoll: „Als Deroy durch Hall durchgezogen war, war dort alles auf. Ich sagte den Leuten, sie sollten achtgeben, die Bayern könnten wieder kommen. Dafür wurde ich gleich auf das Rathaus geführt, wo man über mich Gericht hielt. Einige wollten mich prügeln, andere einsperren, andere dem Hofer übergeben oder gar töten. Endlich legte sich der Stadtrat ins Mittel und ich bekam für meine Rede einen scharfen Verweis." M. St. Der Mann wurde noch lange nachher schief angesehen und beschloss auszuwandern.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 482

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.