493 - Hormayr in Unterinntal
Das erste Wiedersehen mag zwischen Hormayr und Hofer etwas kühl gewesen sein. Dabei konnte der Freiherr wahrnehmen, wie man des Sandwirts „imponierendes Aussehen" 1) bewunderte, wie die Leute überall herbeiströmten, wo er sich öffentlich zeigte. Da drohte dem Intendanten, der bereits die bis zum 20. Mai amtierenden Behörden wieder bestätigt hatte, unangenehme Verdunkelung. Es galt also, beim Volke im Ansehen zu steigen, seinen Leiden und Bedürfnissen Teilnahme entgegenzubringen. Hormayr beredete den Sandwirt zu einer abermaligen Reise ins Unterinntal, eine ganze Suite militärischer und bäuerlicher Würdenträger ließ er sich folgen. Wer etwas auf dem Herzen hatte, ward geladen, beim Intendanten vorzusprechen. Er besuchte bis Rattenberg hinab die Stätten der Zerstörung, sprach mit vielen Deputationen und erbaute sich an der frommen, gottergebenen Festigkeit, mit welcher die Ärmsten ihr Unglück ertrugen. „Es war ein herzzerreißendes Schauspiel, die vor drei Wochen noch so blühenden Ortschaften in Graus und Zerstörung zu sehen, Menschen, denen der tägliche Bissen Brot gebrach, ohne Männer und ohne Väter herumirrende Weiber und Kinder, nirgend ein Klaggeheul, nirgend doch die so gegründeten Flüche und Verwünschungen." „Mit weit mehr Bewegung als über den eigenen Jammer zeigten die Unglücklichen mehrfach darauf, wo die Wut der Flamme wundersam dieses oder jenes Muttergottesbild oder Johann von Nepomuk verschont habe." Freilich volle Hände zur Linderung der Not besaß Hormayr nicht. Er musste vor allem mit schönen Worten auszulangen suchen, was dem gewandten Mann auch nicht schwer fiel. Und schon das tröstete manchen. So war es wenigstens beim Schwazer Bürger Lergetporer, welcher dem Intendanten den Verlust seiner reichen Habe klagte und um die Bezahlung der ihm noch rückständigen Hauptmannsgage ersuchte. Vornehm herablassend entgegnete der Freiherr, er sei über die Verhältnisse des Bittstellers aufs vollständigste unterrichtet. Und mit einem Tone, dem man es ankennt, dass der gute Schwazer weniger geknickt davonging, als er gekommen, setzt er seiner Erzählung bei, bei seinen vielen Geschäften habe der Intendant eine andere Antwort nicht geben können. Jedenfalls war das gefällige, einschmeichelnde Wesen Hormayrs so manchem Trostbedürftigen lieber als die naturwüchsige kalte Resignation, wie sie der Sandwirt zur Schau trug, der für denselben Lergetporer, der auch ihm sein Elend klagte, nur die Worte fand: „Es geat bisweiln hålt a so." 2) Was Hormayr außer milder Zusprache noch leisten konnte, war ein kräftiger Appell an die Landsleute, ihren schwer getroffenen Genossen zu helfen. Auch daran ließ er es nicht fehlen, und
1) So Knoflach a. a. O. zum 4. Juni.
2) Lergetporers Tagebuch, J. M.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
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