496 - Hormayr und Senn
schiene mir eine kleine Deduktion über die volle Rechtmäßigkeit unserer Notwehr gegen die Vertrags- und friedensbrüchigen Bayern und eine Widerlegung der hier beigeschlossenen hochtönenden Proklamen, fasslich für das Volk, ziemlich heftig und vor allem so beißend als möglich. Ich weiß, dass Sie ganz der Mann dazu sind; ich verspreche Ihnen im voraus eine gute Belohnung und ersuche, es eilig zu besorgen." Da Senn zögert, wird er noch schmeichelnder angesprochen und der Lohn genau definiert: „Ich wünschte, Sie hätten meinen letzten Bericht an Erzherzog Johann gelesen, um zu sehen, wie viel Ihnen das Vaterland und besonders ich als Intendant schulde und was wir noch von Ihren Talenten und Ihren Plänen für die Landesverteidigung erwarten dürfen. Schreiben Sie mir, ob es Ihnen konvenieren würde, sogleich anstatt Dipauli als provisorischer Appellationsrat einzutreten." Das kleine Missverständnis zwischen ihnen sei für immer beseitigt, davon dürfe gar nicht mehr die Rede sein. 1) Aber alle schönen Worte und Anträge lockten Senn nicht mehr, den demokratischen Staatsrechtler. 2) Er hatte sich in der letzten Zeit der Bewegung über zu vieles geärgert, als dass er sich mit dem Intendanten noch weiter einlassen wollte. Anstatt uns, so sagte sich der bitter gestimmte Herr Landrichter, mit allem Nötigen zu versehen und uns mit einer hinreichenden Truppenmacht zu decken, „nur kriegsmäßig, ich will nicht sagen pflichtmäßig", haben sie alle uns verlassen, „alle Prinzen, alle Generale und alle Truppen". Wenn die Bayern in ihren Flugschriften von Tirols Preisgabe durch Österreich deklamieren, so sei das schwer zu widerlegen. Den gütigen und rechtschaffenen Kaiser und seine Brüder will Senn zwar nicht anklagen, aber schließlich sei es einerlei, was „nicht befohlen oder nicht befolgt" wurde. Tirol habe sich trotz rühmlicher Mitwirkung der Soldaten selbst befreit. Dafür, dass das selbstbefreite Land unter Österreichs Szepter zurückkehre, war auch Senn, aber es sollte nicht bedingungslos geschehen. Und da sollten diejenigen am meisten mitreden, welche sich um die Befreiung am meisten verdient gemacht hatten, die Bauern. Was der alte bäuerliche Viertlsvertreter längst am Herzen gehabt, es sollte in der bei diesem Anlass zu fordernden Verfassungsreform Verwirklichung finden. „Sollen wir uns auf ein neues an den alten Schlendrian des faulen, vielfach zweckwidrigen Geschäftsganges im gelben Hause zu Innsbruck 3) gewöhnen, mit einem Schwarm landschaftlicher Beamten, nur aus dem immatrikulierten Adel?" Da müsse vorher mit dem Kaiser genau auseinandergesetzt werden, „was als Fundamentalgesetz, was als sonst erworbenes Vorrecht oder löbliches Herkommen, was als bloßes Privilegium zu betrachten" sei. Vom guten
1) Hormayr an Senn, 7. und 17. Juni. A. G.
2) Vgl. ob. p. 4, Anm. 2 und 67, Anm. 2.
3) Ständehaus.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.