497 - Senn und Hofer


Kaiser Franz befürchtete zwar der Politikus nichts arges, aber der Monarch habe anders gesinnte Vorgänger gehabt und könne wieder solche Nachfolger bekommen. Der konstitutionellen Geschmacksrichtung Senns behagte schon die Zusammensetzung der Schutzdeputation nicht, dieselbe sollte aus wirklicher Wahl, nicht aus behördlicher Bestellung hervorgehen. In gleicher Weise ins Leben gerufen dachte er sich einen ständischen „Inquisitionsausschuss" gegen die „Vaterlandsfeinde" und noch einen „diplomatischen oder Konstitutionsausschuss", welcher für den bald zu eröffnenden vollen Landtag die nötigen Materialien vorzubereiten hätte. 1) Das waren nun aber Gedanken und Projekte, welche, an sich schon verfrüht, in das augenblickliche Programm Hormayrs nicht passten, um so weniger, als die Verwirklichung nur unter passiver Assistenz desselben gedacht war. Würden diese Ausschüsse, meint Senn, durch Wahl aus allen Ständen und allen Landesteilen das nötige Ansehen und „öffentliche Legalität" bekommen, so würde auch „der Herr Intendant den Beitritt schwerlich ausschlagen oder wohl auch nicht können, besonders wenn man ihm sagte, dass sie nur zu seiner Sicherheit und allfälligen Rechtfertigung da wären". Daher wendet sich Senn nicht an Hormayr, sondern an Hofer, „den Herrn Oberkommandanten". Sie beide saßen einst im letzten Landtag von 1790. Wenn sie sich auch nur ganz flüchtig, eigentlich nur dem Namen nach, von dorther kannten, so setzte Senn doch voraus, dass sie eines Sinnes seien. „Wir sollten miteinander gemeinschaftliche Sache machen und wechselseitig einander in die Hand arbeiten". Es ergeht seine Einladung an den Sandwirt zu einer Unterredung, die aber wegen ihrer Wichtigkeit wohl mehr als ein paar Stunden beanspruchen würde. Auch jedes Aufsehen (schon Hormayrs wegen) wollte Senn vermeiden und wünschte daher Hofer in Meran zu sprechen, wohin er unter dem Vorwand, seine Familie zu besuchen, kommen wollte. Die in Aussicht genommene, langatmige staatsrechtliche Vorlesung mag den Wirt und Bauer am Sand gar wenig gereizt haben. Es findet sich wenigstens keine Spur, dass er der Anregung des Verfassungsfreundes Senn nachgekommen wäre. 2)

Leute vom Schlage eines Senn machten, wenn sie auch früher eifrig mitgewirkt hatten, dem Intendanten wenig Freude. Auch sonst bekam

1) Dieser letzte Ausschuss dürfte wohl mit der Erinnerung an den Meraner Bauernlandtag von 1525 zusammenhängen.
2) Senns Brief an Hofer, Nauders 8. Juni 1809, handschr. Cop. in A. G. wörtlich abgedruckt bei Bartholdy, Der Krieg d. Tir. Landleute p. 359ff., Hormayr II, 461 ff., im Auszug bei (Hörmann) Materialien p. 228.
Ein solcher Brief war 1810 für Senn kein Hindernis, zu beteuern: „Ich hatte mit Hofer, den ich nie persönlich gekannt habe, nicht nur keine Gemeinschaft, sondern schlug sogar, wie ich beweisen kann, die wiederholte Einladung, zu ihm zu kommen und bei ihm zu bleiben, rundweg aus." Senns Verteidigung, März 1810. M. K. Einen anonymen eifrigen Verteidiger fand Senn in der Schützenzeitung 1860, Nr. 24.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 497

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.