534 - Der Waffenstillstand
sich bereit halten, weil es der retirierende Feind berühren könnte. 1) Gegenüber Vertrauten hat Hormayr, als er von der traurigen Tatsache sichere Kunde bekommen, dieselbe nicht mehr völlig verhehlt. Seine Bozener Freunde wurden schon am 16. Juli verständigt, dass die kaiserliche Armee etwas zurückgedrängt worden. Man verstand solche Redensarten und begann zu zittern. 2) Bald ließ sich auch vor der Allgemeinheit die schwere Niederlage der Kaiserlichen nicht mehr verschleiern. Im Volk erzeugte sie nicht große Erregung. Konnte sich das Kriegsglück nicht wieder wenden? Und wie auf ein Regensburg, Eckmühl ein erstes, so auf ein Wagram nicht wieder ein zweites Aspern folgen? Der Kaiser hat geschworen auszuhalten, also halten wir mit ihm aus. Das war die Sprache der populären Logik. Da, fast im gleichen Augenblick, taucht wie gespensterhaft ein zweites Gerücht auf, es verbreitet sich die Sage von einem Waffenstillstand, der zwischen den beiden kriegführenden Kaisern geschlossen worden sei.
Kaum ist ein grellerer Widerspruch denkbar als derjenige, den das Kaiserwort der vielberufenen Wolkersdorfer Depesche durch die auf Wagram folgenden Vorgänge erfahren hat. Unter dem niederschmetternden Eindruck der Niederlage beherrschte den Kaiser Franz momentan der Gedanke eines Friedensschlusses, den Fürst Johann Liechtenstein beim Sieger durchsetzen sollte. Franz stellte nur eine Bedingung: volle Integrität der Monarchie. 3) Gewiss, wenn erreichbar, eine große Errungenschaft für den tief gefährdeten Kaiserstaat, aber gleichbedeutend mit gänzlicher Preisgabe des getreuen Tirol. Napoleon war weit entfernt, darauf einzugehen. Gleichzeitig entschloss sich Erzherzog Karl, an der Möglichkeit weiteren Widerstandes verzweifelnd, einen Waffenstillstand anzubieten. Und diesen nahm der Imperator an, noch am 12. Juli hat er ihn unterzeichnet. Während ihm die darin vereinbarte Demarkationslinie die österreichischen Alpenländer überlieferte, bestimmte der vierte Vertragsartikel, Tirol und Vorarlberg seien von den österreichischen Truppen zu räumen. Der Groll des Kaisers Franz ergoss sich über den vertragschließenden Bruder in solchem Masse, dass dieser alsbald den Oberbefehl niederlegte. 4) Der Kaiser war entrüstet über den Waffenstillstand überhaupt, der ihm „mehr als ein
1) Ausschreiben des Gerichtes Schlanders auf Grund der von der Intendantschaft erhaltenen Berichte v. 20. Juli. J. St. 18. Juli schreibt die Schutzdeputation an Straub: Hormayr hat große Siege der Österreicher mitgeteilt, bei der Flucht des Feindes dürfte auch Tirol bedroht werden, deshalb sind neue Kompagnien zu bilden.
2) Hepperger zum 16. Juli, a. a. O.
3) Die Vollmacht v. 8. Juli bei Criste, Feldmarschall Johannes Fürst v. Liechtenstein p. 133 „sous la condition de l'intégrité parfaite de la monarchie." Diese Integrität konnte sich natürlich nur auf jenes Österreich beziehen, wie es beim Ausbruch des Krieges war.
4) Wertheimer, Gesch. Ost. u. Ung. II, 381 ff.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.