560 - Hofers Auslegung des Waffenstillstandes


der Wunsch des Erzherzogs. Hofer war nicht für Folgerungen zu haben, wie sie der Überläufer Senn konstruierte. Den Waffenstillstand legte er aus als Einstellung der Feindseligkeiten von beiden Seiten: Tirols und seiner Feinde. Ein Okkupationsversuch, wie ihn Lefebre unternahm, erschien ihm ais flagrante Vertragsverletzung. Schon die ersten Meldungen davon drängten friedlichere Regungen in ihm wieder völlig zurück. Daher rufen er und Kolb die Gerichte Pustertals auf: „Nachdem man erfahren hat, dass der Feind unter dem Vorwand der durch den ausgestreuten Waffenstillstand zugesagten Räumung Tirols sich unsern Grenzen nähert, so sind folgende Maßregeln zu treffen. Jedes Gericht hat sogleich, eine Kompagnie hierher zu schicken. Die Mannschaft soll sich für einige Tage mit Lebensmitteln versorgen und wegen der Löhnung infolge des Geldmangels nach dem Beispiel der braven Etschländer sich etwas gedulden. Der wahre Tiroler muss in diesem Augenblick frei von allen Nebenabsichten das Seinige beitragen. Auch die übrige Mannschaft hat sich bereit zu halten zum Auszug". 1) Ähnlich auch an die Kärntner: „Wohlan denn, Brüder und Nachbarn! Stehet auf, ergreift die Waffen wider den allgemeinen Feind Himmels und der Erde. Keiner bleibe weg. Das einzige und letzte Los von uns allen sei: Für Gott und den Kaiser Franz siegen oder sterben!" Als der Sandwirt die Überschreitung des Strubpasses vernahm, gedachte er die Franzosen, welche „mit der Falschheit wie sie immer üblich haben", das Land angefallen, im Inntal aufzuhalten. Die Meraner Kompagnien bekamen Hall als Marschziel von ihm zugewiesen. Den Mann von Rinn wollte er nicht vermissen. Daher sollte der Meraner Kommandant Glatzl vorauseilen und Speckbacher in seinem Hause zu Judenstein oder wo immer, vielleicht tiefer im Unterinntal, zu erfragen suchen. In Strass sollte dann, wohin Hofer über Pinzgau und Zillertal zu kommen versprach, beim Wirt Adam gemeinsamer Kriegsrat gehalten werden. 2) Die Annahmen, von denen dieser Befehl des Sandwirts ausging, waren durch die Wirklichkeit längst überholt. Speckbacher weilte weder zu Haus noch im Unterinntal, und Lefebre war schneller, als Hofer nach der Erfahrung im Mai vermuten mochte, bis Innsbruck vorgerückt.

Das Vorrücken des Feindes machte den Plan Hofers zur Tauernwanderung gegenstandslos. Nicht ohne tiefe Verstimmung mag er beobachtet

1) Lienz, 28. Juli. Or. in d. Ger. Akt. Bruneck. Noch vom 29. datiert ein leidenschaftlicher Aufruf eines österreichischen Hauptmanns, Baron Gallenfells (aus Bruneck): „Von bösen Menschen werden allerlei Gerüchte ausgestreut, welche die Leute verzagt machen. Es wird deshalb bekannt gegeben, dass die Nachricht vom Waffenstillstand ganz unwahr ist. Wer ein Wort davon spricht, ist zu verhaften und streng zu bestrafen."
2) Hofer an Glatzl, Lienz, 30. Juli. J. M. Gemeint ist Adam Eder, Neuwirt in Strass, der bekannte Freund Hofers.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 560

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.