568 - Ruscas Rückzug


augenblickliche Hinrichtung vollzogen. An die „Bewohner des Tales Lienz" richtete der General die Zornesworte: „Ihr habt das Beispiel der schrecklichen Strafen gesehen. Schon ist wieder bei Dölsach ein Transport angegriffen worden. Ich will Gnade walten lassen, wenn ihr Verordnete schickt, die Waffen abliefert und mir helft, die Elenden zu fangen. Geschieht das nicht, so werde ich alles dem Erdboden gleich machen." 1) Aber die in der Klause irrte das wenig. Neue Nachschübe aus den Seitentälern 2) kamen ihnen zu, mit dem Kranze brennender Dörfer waren frische Gluten des Franzosenhasses entflammt. Als ein Pater Ruscas Aufruf den Bauern kundgab, ward ihm das Blatt entrissen, er hinterbrachte dem General die mitgegebene Drohung, man werde ihm nicht bloß die Klause versperrt halten, sondern andere Tausende werden ihm auch den Weg nach Kärnten verlegen. Rusca, dessen Korps empfindliche Verluste erlitten 3) und nur unter großen Schwierigkeiten seine Verpflegung finden konnte, stand von weiteren Versuchen ab. Am 10. führte er die Mannschaft nach Greifenburg zurück. 4) Gleich hinter ihm bezogen die Bauern die Grenzwälle von Chrysanthen. Belanglos war der Einfall einer französischen Brigade (d'Azmar) durch die Veroneser Klause. Sie zog am 6. August von Trient vor den von Hofer aufgebotenen Burggräflern unter Jakob Torggler wieder ab. 5)

In der Betrachtung dieser Vorgänge in Pustertal sind wir den Ereignissen in anderen Landesteilen zeitlich vorausgeeilt. Die Bauern in der Lienzer Klause handelten nicht nach einem von einem Hauptquartier ausgegebenen Operationsplan. Den Feind nicht ins Land lassen, war der Feldruf. Wo man ihm am erfolgreichsten begegnen könne, das wies

1) Aufruf v. 9. Aug.
2) Namentlich aus Virgen und Defereggen. Die Leute in Windischmatrei taten nur zögernd mit, aber die Stimmung war auch so, dass der Pfleger Egid Kienberger nach Mittersill entwich. Dessen Berichte an d. Generaladministration in Salzburg v. 8. und 9. Aug. M. K.
3) Rusca hinterließ in Lienz zahlreiche Schwerverwundete. Unter den Gefallenen soll auch Napoleons Adjutant, Oberst Lejeune, gewesen sein. So meldete Buol an E. Johann. Dagegen will Hormayr (II, 506) noch 1810 mit dem Oberst gesprochen haben.
4) Gerichtsassessor Caspar von Ottenthal, welcher nun auch mit dem Richter Bram Lienz verliess, sagt in seinem Bericht vom 30. Aug. (München): „Der Abzug der Franzosen geschah ganz unerwartet." M. K. Bram ging mit Rusca, Ottenthal begab sich über die Radstädtertauern nach Salzburg. Der Mautbeamte Baron Lassberg nahm seine Flucht aus Bruneck über die Berge nach Belluno, von dort über Udine nach Klagenfurt. Sein Bericht v. 15. Okt. in M. St. Kolb schreibt an die Bozener Schutzdeputation aus Lienz 13. Aug.: „Rusca zog still nach Kärnten zurück, nachdem er mehr als 300 Tote und 40 Verwundete hatte. Wir haben 4 Tote und 20 Verwundete. 6 Tiroler erschoss der Feind in Lienz. Rusca hatte große Begierde auf meine Person. Hätte mir der Landsturm von Defereggen gehalten, so wäre Rusca gefangen und er hätte meine ganze Equipage nicht unter sein Volk verteilen können." A. G.
6) Die Ampezzaner wiesen eine feindliche Truppe bei Aquabona am 10. über die Grenze.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 568

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.