590 - Bewegungen im Inntal
müsse er eine bestimmte Antwort erhalten, denn dazu sei er gesendet; werde ihm diese nicht zuteil, so wäre sein Gang zwecklos. Dabei gebärdete er sich, als wolle er abtreten. Nun wurde der General gelassener und sprach in gütlich zuredendem Tone: „Mit Österreich ist Friede, Ober- und Unterinntal hat schon die Gewehre abgeliefert, Napoleon verfügt über Hunderttausende, mit denen er nach Tirol rücken wird, darum machen Sie, Herr Pfarrer, Dekan oder wer Sie sind, denn Sie können das meiste beim Volke wirken, dass alle nach Hause gehen, die Waffen ablegen und so einer großen Verwüstung der Gegend vorbeugen." Die Wirkung seiner Vorstellungen konnte Lefebre sogleich aus den Worten des Kuraten ermessen: „Dass mit Österreich Friede ist, glauben wir nicht; dass die Inntaler sich entwaffnet haben, glauben wir auch nicht; dass Napoleon mit großer Macht vorrückt, kann möglich sein, aber Tirol hat er noch nicht." Damit wurde das Gespräch abgebrochen. Lantschner wurde eingeladen, nach ein paar Stunden mit mehreren Deputierten wieder zu kommen, denn auch Hofer werde zu bestimmter Stunde „bei seiner Ehre" erscheinen. Von Mauls kam niemand mehr, nur einen Zettel schickten sie nach Sterzing, wo sie erklärten: was der Sandwirt mit dem Marschall ausmache, sei auch ihnen recht.
Zur Befriedigung des Marschalls gediehen die Verhandlungen auf keiner Seite. Von einer Unterwerfung wollten die Bauern nichts wissen, höchstens dass eine kurze Waffenruhe eintrat. Wenn wir einer Aufzeichnung glauben dürfen, so verging auch der 10. in Unterredungen, welche den Stillstand bis zum nächstfolgenden Tage ausdehnten. 1) Lefebre brauchte diese Zeit, um den beschlossenen Rückzug vorzubereiten. Es war ihm eine Nachricht zugekommen, welche ihn dringend nach Innsbruck rief — die Nachricht von Pontlatz.
Hofers fliegende Botschaften wirkten auch im Inntal. Freilich mahnte Lefebres Macht, solang sie dort konzentriert war, zur Vorsicht. Aber Anzeichen der sich ausbreitenden Gärung waren zur Genüge vorhanden. Dort, wo man anfangs sich willig gezeigt, begannen in der ersten Augustwoche die Einlieferungen der Gewehre zu stocken. 2) Als Dipauli dem ankommenden Generalkommissär Rechberg entgegenfuhr, beobachtete er manches, was ihm auffiel. Die Bursche in den Orten, welche die
1) Darüber erzählt nur Joh. Hofer: „10. Aug. 8 Uhr wurde ich hinausgerufen zum General Stengel. Dieser und der Graf Spaur haben eine Predigt gemacht. Sie sagten, der Waffenstillstand ist aus, Lefebre stehe auf Tues (Tuins) und hätte nur ein Zeichen zu geben. Ich antwortete, der Sandwirt habe gemeldet, er wolle selbst kommen oder zur rechten Zeit antworten, ich kann nit dafür. So haben wir in dreiviertel Stunden einen weiteren Waffenstillstand gemacht. Als ich nach Gasteig kam, schickte ich die Depeschen vom Sandwirt hinaus. Als sie dieselben erhalten haben, haben sie um einen weiteren Stillstand auf 11. Aug. 9 Uhr früh angesucht."
2) Meldung des Distriktskommandos in Rattenberg v. 7. Aug. bei Maretich II, 3.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.