606 - Aukenthaler und Spaur


dass sie sich schon verloren gaben. Neben ihnen fielen die Soldaten. Der Kapuziner waltete seines geistlichen Amtes und pflegte die Sterbenden. Aukenthaler musste seinen berittenen Wächtern folgen — seine Wache zu Fuss war schon längst davongelaufen. Nun forderte ein Offizier die Dragoner auf, im strengsten Galopp weiter zu eilen. So ließen auch die von ihrem Gefangenen. Dieser aber spähte nach einer Gelegenheit aus, um das Weite zu gewinnen. In der Nähe des Gärberbaches entsprang er in das Gebüsch, um das andere Sillufer zu erreichen. Der Steg war abgetragen. Ohne Unfall durchwatete der kräftige Mann den reißenden Bergstrom. Aber nun versagten auch ihm die Kräfte, er musste sich kurze Rast gönnen. Im Walde aufwärts schreitend gewahrte er in einer Lichtung einige Bauern. Schon legten sie auf ihn an; da rief er ihnen zu, er sei ja ein Hauptmann der Meraner, welcher gerade der Gefangenschaft entflohen. Sie wollten es nicht glauben und führten ihn nach Patsch zum Pfarrer. Diesem gab er seine Papiere zu lesen, und nun war das Misstrauen zerstreut. Gebt mir ein Gewehr, so forderte er die Anwesenden auf, und geht mit mir wieder hinab zum Fluss, vielleicht treffen wir versprengte Feinde. Mehrere schlossen sich an und folgten ihm. Da sollte es ein merkwürdiges Wiedersehen geben. Wie sie den Wald durchstreiften, sahen sie in der Ferne ein Häuflein Bayern, es waren 29 Mann mit 3 Offizieren. Ihrer waren nur ein Dutzend. Aber dass jene ihre Gefangenen werden müssten, das stand sogleich fest. Indem sie sich den Anschein gaben, als wären sie nur ein Teil einer größeren Truppe, stellten sie sich den Herankommenden in den Weg. Und da erkennt Aukenthaler den bayrischen Obersten Graf Spaur, welcher ihn in Sterzing zur Verwahrung übernommen. Herr Oberst, 1) Sie sind ein Gefangener, so herrschte er ihn an. Darauf steckten die Offiziere ihre Säbel in die Erde, die Mannschaft verwarf die Gewehre. Den Säbel des Grafen eignete sich sogleich Aukenthaler an, die Bayern hatten ihm den seinigen in Sterzing abgenommen. Die Gefangenen wurden nach Patsch eskortiert. Spaur war vollständig entkräftet und brach auf dem Wege zusammen. Ein nahes Bauernhaus spendete warme Milch, dann ging der Marsch ins Dorf. Im weiträumigen Bärenwirtshaus wurden sie einquartiert und gelabt. Aber die Wertsachen der Offiziere reizten die Beutelust der Bauern. Geld, Uhren, silberne Sporen, Ordenskreuze müssten abgeliefert werden. Als man sich auch noch an der Monturzierde vergreifen wollte, trat Aukenthaler, vom Wirt unterstützt, dazwischen. Am nächsten Tag lieferte er noch die Bayern nach Matrei, dann eilte er

1) Einer der andern Offiziere war Spaurs verwundeter Neffe. Von der gleichzeitigen Gefangennahme der Frau dieses Obersten wurde oben berichtet. Wie man in Bayern Spaurs Verhalten beurteilte, deutet eine Äußerung Weinbachs an: Die Offiziere „sollen ihre Leute und die Landstraße verlassen haben".



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 606

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.