622 – Ermüdung


aufzunehmen hatten, suchte der Sandwirt stärkenden Trunk zu verschaffen: „Liebste Wirt," so bat er seine Genossen von der Gastgebzunft, „seit von der Giette, diet nur den Leitten 12 Yhrn Wein verhelfen und geschbind herausschickhen, das sie morgen wass haben, sonst wohlen sie den Feint nicht mer ehrholen, die Verpflegung ist ausgangen. Seit von der Giet und befolgt mir diese Gnade." 1)

Die Weisungen Hofers vom folgenden Tage tragen der eingetretenen Notlage und Ermattung Rechnung. Es fehlt an Nahrung und Munition: „Söchet, das ess verpflögt wirth, wein, wan ess ihn nit ehrhalten habt, wirth nachkomen. Ich befelche euch alle in schuz des Allerhögsten", und „wögen der monizion klagt Ein Jeder", so schreibt er an seine „lieben Passeyrer Hauptleit". Haspinger droht ,,im Namen des Herrn Andreas Hofer" den Stubaiern mit Gewaltvollstreckung, wenn sie, da Mutters und Natters allein nicht das Erforderliche aufbringen können, nicht „Rindvieh, Gerste und andere vorrätige Sachen" herbeischaffen. Sie sollen bedenken, dass, wenn ihre Landsleute Mangels wegen zum Brenner abziehen, ihr eigen Vieh dem Feinde zum Raub fallen und ihre Häuser niedergebrannt werden. „Denkt, was ihr anfanget, wenn ihr jetzt uns nicht unterstützt." Der Sandwirt verzichtete auf einen neuen Angriff, er zählte auf den Abzug des Feindes. ,,Ich habe auf alle Orthen berichtet, das niemand solle angreifen, der weill khenen wir unss mit monizion versöchen und auch leit khomen nach." Dem Feinde soll ein offenes Tor durch Unterinntal gelassen werden: „Für heunte haben wir uns unterhandelt und haben beschlossen, den Feund ganz in Ruhe zu lassen, wenn wir von ihnen nicht angegriefen werden, und haben zugleich die von Tux und dieser Gegend von der Folderer Bruggen weggezohen und das Volk heraufgezohen, auf das die Retaradi nicht verhindert werde." 2) Aber vorsichtshalber soll das Volk beisammen bleiben. Schon sind große Lücken entstanden: „Unterstizung khriege ich kheine von die andern Comandanten,

1) Hofer eigenh. Schönberg 13. August. J. M. Dieses Ortsdatum zeigt, dass Hofer am Schlachttag abends zum Schönberg zurückkehrte, was gegen Maretich II, 236 zu berichtigen ist. "
2) Purtscher verbreitet 14. August folgenden Befehl Hofers auf dem rechten Flügel (dat. Patsch): „Ich (Hofer) benachrichtige, dass von heute ab mit dem Feind nichts soll angefangen werden und nur sich verteidigen, wo man gegenwärtig ist indem mehrere Hilf, auch Pulver und Blei erwartet wird. Auch soll der Feind Bewegung machen sich durchzuziehen, und da wird es ratsamer sein, denselben zu verfolgen als bei Innsbruck packen zu wollen." Hofer schreibt direkt an Tschöll .(14. August, 12 Uhr mittag): „Der Geist der Landesverteidiger ist bei den meisten erloschen, die Braven können den ganzen Tag nicht aushalten. Dass das Pulver niemals ankommt, macht mir sehr Angst, doch es kann nicht mehr lang dauern. Vielleicht hat es bis morgen grosse Veränderungen, da die Volderer Brücken nicht mehr besetzt bleibt. Wenn der Feind unsere Leut heut nicht angreift, so müssen wir auch ruhig sein." (Cop. in A. A.)



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 622

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.