633 - Verfolgung des Feindes
Hall zurückgehalten, er musste den auch hier ausbrechenden Exzessen steuern. Aber Speckbachers Leute, fortwährend durch neuen Zulauf verstärkt, hefteten sich an die rechte Flanke des Gegners, der unter stetigem, verlustreichem Gefecht den Weg fortsetzen musste. Eine Kolonne, vornehmlich aus den sächsischen Kontingenten gebildet, zog nördlich vom Inn dahin und sah sich bei Mils und Terfens vom Landsturm aufgehalten. Die scheinbare Ruhe, welche der Marschall im menschenleeren Schwaz getroffen, erweckte in ihm den Gedanken, den Abzug zu sistieren. Der hinter ihm folgenden Division Deroy befahl er die Wiederbesetzung von Hall an. Diese erhielt aber die Ordre erst in der Nähe von Schwaz und hatte ihrerseits über mannigfache Belästigung der am Berghange sie begleitenden Bauern zu berichten. 1) Und so gab Lefebre die kaum gefasste Absicht wieder auf. Die Truppen konzentrierten sich in Schwaz. Neues Elend brach über den unglücklichen Ort herein. Zwei Tage biwakierten hier 10 000 Mann, die in der Gegend ihre Verpflegung suchen mussten. In den Ruinenstätten war nichts zu holen. Also mussten die Felder den allerletzten Besitz der armen Marktbewohner abgeben. Halbreife Früchte dienten den Soldaten zur Nahrung, das Getreide wurde als Pferdefutter gemäht, das Holz, das zur Wiedererbauung der Häuser aufgehäuft worden, musste zu Lagerzwecken dienen. Was die Wohltätigkeit den Abbrändlern zur notdürftigsten Einrichtung ihrer Wohnstätten gespendet, selbst die bisher verschonte Marktapotheke wurde zerstört. 2) Wenn nichts anderes, so hätte schon die ausgezehrte Gegend zu baldigem Aufbruch antreiben müssen. Am Abend des 16. setzte sich die Division Deroy in Bewegung, am nächsten Morgen folgte der Marschall. Hatten die Vorposten schon während der Lagerung in Schwaz fortwährend Plänkeleien der Bauern ausstehen müssen, so wurden bei Wiederaufnahme des Marsches die Anfälle noch zahlreicher und heftiger. Nun war auch Haspinger nachgekommen. Freilich rissen die Heimkehrenden unter den Landesverteidigern immer wieder Lücken, aber es folgten neue Zuzüge und die ausgesandten Aufrufe weckten in manchen Orten Unterinntals den Landsturm. Zu einer förmlichen Schlacht sich zu stellen, war zwar die angesammelte Macht zu klein, aber groß genug, um den Feind an günstigen Straßenstellen jeden Augenblick zu necken. Bei Jenbach konnte sich General Rechberg erst mit Granatwürfen den Weg bahnen. Rotholz passierte er unter heftigem Feuer der Bauern. Von den Felskuppen bei Brixlegg grüssten die Gewehrsalven der Zillertaler und Alpacher, im Wald ober Rattenberg breiteten sich Margreiters Wildschönauer aus. Ostwärts der Stadt wollte Lefebre seine Mannschaft rasten lassen. Die Stadt selbst
1) Weinbach gibt Deroys Verlust mit 60 Mann an.
2) Eine sehr anschauliche Schilderung auch über diese Vorgänge in der Chronik des Franziskanerklosters in Schwaz, vielfach benützt von Rapp und Maretich.
Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.