637 - Die Tagesordnung in der Burg


setzte sich mit ihm zu Tisch. 1) Das Getränk lag in Gebinden bereit, die aus der heimischen Weingegend „aus dem Land" geliefert wurden. Man zechte reichlich, doch nicht im Übermaß. Nach einem Mittagsmahl befragt, ob noch Wein befohlen werde, meinte der Sandwirt: „Jatz hommer amål gnua, åber um a viere bringst wieder a Maulvoll." Nach des Tages Mühen wandelte sich der Saal zur traulichen Plauderstube. Bevor es jedoch an den Heimgarten ging, durfte der an den Abendtisch sich unmittelbar anschliessende Rosenkranz nie versäumt werden. Wer immer mitgespeist, der wurde dazu verhalten. „Håbts mitgössen, kennts mitbettn a", lautete die Einladung im Befehlston. Hofer machte selbst den Vorbeter, Gäste und Wachen knieten um ihn im Kreise. Manch einem wurde diese Abendandacht, während der die Flaschen vom gedeckten Tische winkten, wohl etwas zu länglich. Denn an die Geheimnisse und die Litanei des Rosenkranzgebetes hängte der andächtige Hausherr noch eine erkleckliche Schnur von einigen Dutzend Paternostern zu Ehren der zahlreichen Schutzheiligen, die er anzurufen pflegte. Diese Abendgewohnheit galt ihm so heilig, dass er auch für die Tage, da er die Hofburg verließ, seine Adjutanten verpflichtete, ihrer niemals zu vergessen. 2) Es war eine Äußerung derselben tiefgewurzelten Frömmigkeit, die sogleich, nachdem die Burg bezogen war, dem Sandwirt den Befehl entlockte, den kleinen Saal mit einem Kruzifix und einem Marienbild zu schmücken. War das Gebet zu Ende, so kam die muntere Unterhaltung zu ihrem Recht. Ein Kleeblatt nahm die Karten zur Hand, andere Gruppen sammelten sich um einen Erzähler. Gern hörte man von Gespenstergeschichten und Hexenspuk. Auch dem Gesang huldigten die Männer. Im Chor sangen sie das Lied „Die liebe Feierstunde schlägt", 3) Schnaderhüpfeln und

1) Joh. Thurnwalders Aufzeichnungen mitget. von Simeoner im Jahresber. d. Gymnas. v. Znaim 1900 und 1901).
2) Dar. Knoflach, Purtscher und Gänzbachers Notate in A. G.
3) Herrn Prof. Wackernell, dem unermüdlichen Liederforscher, verdanke ich die Angabe, dass dieses von den Bauern Hofers gesungene Lied abgedruckt ist in dem „Neuen Volksliederbuch" VI. Aufl. Reutlingen 1832 p. 53. Der Text lautet:

Die liebe Feierstunde schlägt,
Wie sehnt' ich mich nach ihr!
Auf weichen Rasen hingestreckt,
Wie schmeckt die Ruhe mir!

Es war ja heute gar so heiß,
Und immer floss so hell
Von meiner Stirn ein Strom von Schweiß,
Als wär im Kopf ein Quell.

Was doch der Arme leiden muss
Von Leuten, die nichts tun
Und sich im größten Überfluss
Wohl gar noch müde ruh'n!

Ich denke und gesteh' es auch
Des Tags oft her und hin:
Warum ich doch nicht auch so reich
Wie andre Leute bin?

Da fällt mir ein: der liebe Gott
Fand dieses so für gut,
Und dem nur schmeckt ein Stückchen Brot,
Der nach der Arbeit ruht.

Es dauert ja nur kurze Zeit
Wohl alles auf der Welt,
Bis da, wo zu der Ewigkeit
Die Feierstunde schellt.

Dann sind wir wieder alle gleich,
Das Tagewerk ist aus:
Und jeder kehret, Arm und Reich,
Mit seinem Lohn nach Haus.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 637

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.