674 - Unlust bei der Mannschaft


da sie nie eine Löhnung empfangen, während desselben etwas verdienen können". 1) Die Erscheinung, dass Kompagnien nicht komplett sind, wiederholte sich. In einem Befehle Hofers, wo er zur Ablösung eine Kompagnie verlangt, lesen wir die bezeichnenden Worte: Schicket uns „aber eine ganze". 2) Das Ausbleiben des Soldes, ja selbst der Wäsche, 3) macht die Leute verdrossen. Sind die vier Wochen verstrichen, so will sich keiner mehr halten lassen. An die Stelle begeisterter Folgewilligkeit treten Gesuche um Dispens. Jetzt ist, schreibt einer, die Zeit, da ich Holz zurichten muss, um im Winter Weib und Kind zu erhalten, ich lag ohnehin schon 32 Tage im Felde. Der harte Kampf um das tägliche Leben machte sich geltend. Und dass sich das fortgesetzte Verteidigungswesen mehr dem Militärberuflichen näherte, wollte vielen Bauern gar nicht mehr gefallen. Dass eine Abspannung eintrat, ließ sich nicht länger verkennen. Was man früher nur selten vernommen hatte, wurde jetzt öfter vorgebracht: Warum denn nur die Bauern so viele Kompagnien stellen müssten und nicht auch die bevölkerten Städte wie Innsbruck und Bozen. 4) Es war Selbsttäuschung, wenn Giovanelli von Innsbruck aus die Seinigen tröstete: „Die Defensionsanstalten waren nie in einem bessern Zustand als eben jetzt, wo es doch an allen Mitteln der Verteidigung, an Geld, Munition und Geschütz überall gebrach, gegen 20 000 Mann stehen immerfort schlagfertig im Felde." 5) Weit zutreffender hat der zeitgenössische Eberhöfer, mitten im Volke lebend, die Lage geschildert: „Der frühere kriegerische Geist war ganz aus dem Tale verschwenden, an dessen Stelle trat Kleinmut und zaghafte Furcht. Wie wird es uns ergehen, seufzte der eine, hätten wir doch nie etwas angefangen, klagte ein anderer. Bei einem Aufgebote zum Auszug gegen den Feind bemächtigte sich aller eine bedenkliche Zaghaftigkeit. Mit Mühe brachten die Führer der Bewegung die verlangte Mannschaft zusammen; und selbst hiezu mieteten die Bauern, wenn es halbweg ihre Finanzen erlaubten, Taglöhner. Selbst der so tapfere Hauptmann Groiss verzichtete jetzt auf die Ehrenstelle eines Hauptmanns

1) Hauptmann Jos. Auer an Anwalt Jos. Gufler, Innsbruck 3. Sept. J. St. Schon auf dem Marsch bis Innsbruck, heißt es da, hätten die Leute ihre letzten Kreuzer verzehren müssen. Ähnliche Klagen von den Hauptleuten Georg Laner und Andr. Ilmer an Gufler v. 12. Sept. Sie unterschreiben: „Andreas Ilmer, Hauptmann mit etlichen 40 Mann und G. Laner mit auch nicht viel mehr." Ebend.
2) Diese drei Worte mit großen Buchstaben geschrieben. Hofer an Jos. Gufler 6. Okt. J. M.
3) So in einem Schreiben an den Kommandanten Spiller, Lager Enge (bei Reutte) 24. Sept.
4) Ein solcher Brief v. 19. Sept. abgedruckt in „Andreas Hofer und die Tiroler Insurrektion" p. 38.
5) Giovanelli an s. Frau 25. Sept. A.-G. Eben da Giovanelli dies schrieb, arbeiteten 200 Bauern an Schanzwerken am Isel und bei der Gallwiese. Knoflach a. a. O.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 674

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.