719 - Johanns Schmerz


dankt Gott „für diesen glücklichen Friedensschluss". 1) Die freudige Nachricht hat Giovanelli „und alle Freunde der guten Sache vom Tode zum Leben erweckt". Schon sprach man von der bevorstehenden Einberufung der Stände, „damit sie für das Wohl des Landes zum künftigen Landesfürsten sprechen können". 2)

Nur wenige Tage hielt diese Luftspiegelung an. Es verhielt sich mit der Verkündigung des Friedensschlusses genau so, wie mit der Mitteilung des Waffenstillstandes. Sie erfolgte zuerst von bayrischer Seite. Briefe aus München sprachen darüber mit aller Bestimmtheit, aber ohne schon Details zu melden. Und das genügte, um den tirolischen Horizont sich wieder verdüstern zu lassen. Man sagte sich: wenn der Friede so günstig ist, warum beeilt sich Österreich nicht mit der Publizierung? Und tatsächlich vollzog sich dieselbe mit unglückseliger Langsamkeit. Erzherzog Johann erfuhr das Genaue erst am 20. Oktober. Es war für ihn ein Tag des tiefsten Schmerzes, der ihm Vorwürfe gegen sich, noch mehr gegen andere auspresste. Die Lesung des Friedensvertrages, so lautet sein Selbstbekenntnis, hatte mich fast erdrückt. „Wozu die lange Zeit von Znaim bis Schönbrunn? jetzt, nach dem Frieden, hieß es die zum äußersten Widerstand aufgereizten Völker beruhigen und sie dem Feinde übergeben, Völker, welche alles gewagt hatten, die man aufgereizt hatte, welche auf das Halten gegebener Beteuerungen zu zählen berechtigt waren. Ich sollte Tirol beruhigen, die Leute belehren, mich traf diese bittere Aufgabe." Noch einmal durchzuckt ihn das alte Feuer. Den Frieden als ohnmächtige Kapitulation verwünschend fährt er fort: „Wir hätten noch 300 000 Mann, und die Alpenländer warten nur auf das Zeichen zum Aufstand, Tirol steht unbesiegt da. Solch ein Zeitpunkt kommt nicht wieder. Den Tirolern hat man heilig versprochen, sie nie zu verlassen; jetzt werden sie vergessen, der Glaube an unsere Mittel, an unser Wort fällt." In den dunkelsten Farben sieht er die Zukunft seines Staates. 3) An einer anderen Stelle seiner Denkwürdigkeiten kleidet er seine Stimmung in die Worte: „Tirol, dieses Land der Treue und des Mutes, nachdem man es bis zum letzten Tage aufgeregt und Hoffnungen genährt hatte, von denen man schon in der letzten Zeit wusste, dass sie nicht in Erfüllung gehen würden, dieses Land gab man auf, mir aber gab man die Aufgabe zu beruhigen. Da brach mir das Herz. Dazu kam noch, dass man mich für den Ausgang des Krieges verantwortlich machte."

1) 12. Okt. Straubs Selbstbiographie.
2) Giovanelli an s. Vater, 12. Okt. Am nächsten Tag schreibt er: „Es wurde hier schon für sicher ausgegeben, dass Tirol an Bayern zurückkommt. Aber gottlob nun zeigt es sich anders. Erzherzog Ferdinand bekommt Tirol und wird gewiss ein guter Herr gegen uns sein und das Vaterland wieder zu seinem Wohlstand zurückführen."
3) Es litt den Erzherzog nicht mehr in seiner Abgeschiedenheit, am 23. ging er nach Totis.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 719

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.