738 - Hofer an Drouet


allen friedlichen Bewohnern menschliche Behandlung zu. 1) Feierlich ward darin versichert, dass der Friede aufgerichtet sei. Auf die Bauern zwar machte solche Beteuerung nicht viel Eindruck, aber Roschmann wurde nachdenklich. Vorrücken des Feindes und Friedensbestand, das waren zwei Dinge, die er sich bald zusammenreimen, bald wieder nicht zusammenreimen konnte. 2) Mit verhängnisvoller Zähigkeit verschloss er sich noch immer vor der Bedeutung der ihm nachgeschickten Abberufung. Er bewog Hofer zur Unterzeichnung eines Schreibens, das ein Parlamentär an General Drouet zu überbringen hatte. Form und Inhalt desselben stellen der diplomatischen Gewandtheit des Verfassers nicht das beste Zeugnis aus. Die Nachricht vom Frieden, so lässt Roschmann den Sandwirt sagen, sei zwar willkommen, aber was sollen die feindlichen Akte? Das heiße „nicht das heilige Wort der beiden Kaiser erfüllen". Tausende von Tirolern ständen kampfbereit und seien entschlossen, bis auf den letzten Mann für Religion und Verfassung zu siegen oder zu sterben. Mit jeder Stunde werde des Generals Lage bedenklicher; schon sei es fraglich, ob er das Land noch verlassen könne. „Vereinigen wir uns daher. Die Furcht ist in diesem Land nicht zu Haus. Schonen wir auf diese Art das Menschenblut, das noch von beiden Seiten fließen kann." Es bleibt Drouet „überlassen", Waffenruhe zu halten, bis ein Kurier von Österreich kommt.

Wer wird darüber staunen, dass der Überbringer beim General „unsanft" aufgenommen wurde? Seine Entgegnung bestätigt es. Der General erklärt es unter seiner Würde, Hofers Schreiben zu beantworten. Um jedoch Blutvergießen zu meiden und falschen Versprechungen entgegenzutreten, will er „nicht dem Chef, sondern allen Irregeführten" eröffnen, dass Tirol nach dem Frieden zum König zurückkehren muss. Mit dem besiegten österreichischen Kaiser, der das Land preisgeben musste, habe es gar keine Gemeinschaft, dürfe auch keinen Boten an ihn senden. Mit Beauharnais, der an der Spitze von 80 000 Mann gegen Lienz rücke, könnten sich die Tiroler, wenn sie wollten, in Verbindung setzen. Unterdessen müsse es sich jeder selbst zuschreiben, wenn bei fortgesetzten Tätlichkeiten Unglück über ihn kommt. 3) Es war eine energische Zurückweisung

1) Vom selben Tag (24.) datiert ein in Tir. Stimmen 1893 Nr. 104 publiz. Proklam Deroys gegen Speckbacher aus Hall, weil er sich nicht stelle, nachdem er selbst ein Dankschreiben an den König wegen Behandlung des Sohnes gerichtet habe. Deroy dürfte an diesem Tage schwerlich in Hall gewesen sein, da er zur Bewachung der Strecke östlich von Rattenberg mit seiner Division dort zurückgeblieben war.
2) Dieses Schwanken bei Roschmann beleuchten zwei Briefe desselben. An E. Johann schreibt er: „Der Feind kam nach Hall. Von allen Seiten kamen Nachrichten über den Frieden, so dass nicht mehr daran zu zweifeln ist." In seinem Brief an Giovanelli d. j. (25. Okt. A. G.) heißt es: „Es ist merkwürdig, dass der Feind sicher an den Frieden glaubt und dennoch immer mehr vorrückt."
3) Drouet an Hofer, Hall 25. Okt. J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 738

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.