Das Wipptal 1809 – Erinnerungen – eine volkskundliche Untersuchung
Von Dr. Hermann Holzmann
ERINNERUNGEN
In den Jahren vor 1938 habe ich in Verbindung mit den Volksschulen und den Jugendorganisationen die Jugend selbst zur Sammlung der noch lebenden Volkstraditionen und Erinnerungen an 1809 angeregt. Der damalige Schulleiter Alois Tonini, Steinach, Schulleiter Michael Meßner von Trins und andere haben sich für diese Jugendarbeit eifrig und erfolgreich eingesetzt. Diese Aktion wurde dann über das Wipptal hinaus erweitert.
Eine gesammelte Veröffentlichung wurde für ein Jugendjahrbuch vorbereitet. Bei den bekannten Ereignissen 1938 sind leider die Manuskripte in Innsbruck vernichtet worden. Nur die Aufsätze aus dem Wipptal habe ich in eigenen Abschriften aufbewahrt. Nachstehend werden diese letzten persönlichen Erinnerungen an 1809 der ältesten Bewohner des Wipptales zum ersten Mal veröffentlicht. Es mag auch eine Anregung für die Gegenwart bilden, eine ähnliche Sammelarbeit im Jubiläumsjahr 1959 durchzuführen.
Dr. Hermann Holzmann
DAS SCHANDBILD VON ST. JODOK
Ein anderes Mal hatten französische und bayrische Soldaten hinter dem Garten des Gasthauses „Zum Lamm" auf weit sichtbarem Platz ein Spottbild des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer aufgestellt. Die braven Valser Bauern ärgerten sich furchtbar über diesen Spott, aber trotz aller Versuche gelang es ihnen nicht, das Bild zu vernichten. Es war nur bei Tag aufgestellt, wobei zwei Wachtposten hin und her gingen. In der Nacht wurde es wieder in das Wirtshaus gebracht, wo die Soldaten ihren Hohn und Spott trieben. Da wohnte damals beim heutigen Klaudilerhaus ein Bub namens Franz Denifle, der spätere Schulmeister von St. Jodok. Der hatte sich entschlossen, das Bild um jeden Preis zu entfernen. So beobachtete er genau die Wachsoldaten. In einem günstigen Augenblick sprang er dann vom Stall heraus und hatte das Bild schon ergriffen. In wenigen Sprüngen war er im Garten, wo ziemlich tiefer Schnee lag. Ausweg gab es keinen mehr, denn die Soldaten hatten das Entschwinden des Bildes gemerkt. So stampfte er es in den Dreck und Schnee hinein, dann bückte er sich und tat, als würde er einer wichtigen körperlichen Beschäftigung nachgehen.
Die Soldaten liefen herbei und fragten, wer denn das Bild weggenommen habe. Er stellte sich ganz unschuldig, dann stammelte er: „Ja, ja, zwei Burschen sind eben über die Brücke in das Schmirntal gesprungen!"
Es gab großen Alarm in St. Jodok. Die Soldaten liefen in das Schmirntal hinein bis nach Rohrach, aber vom Bilde fanden sie keine Spur.
In seinem späteren Leben als Schullehrer von St. Jodok hat Franz Denifle diese Geschichte oft erzählt. Die Jugend nahm sich immer ein Beispiel an dieser wackeren Tat eines Schulbuben!
Toni Lamplmayr, St. Jodok, 13 Jahre
DIE LEERE KIRCHE VON ST. JODOK
Nach der Niederlage der Tiroler haben die bayrischen Soldaten auch den Pfarrer von Sankt Jodok-Vals vertrieben. Ein fremder bayrischer Pfarrer wurde eingesetzt. Aber die Bauern gingen nicht mehr in die Kirche. Jeden Sonntag waren die Kirchenstühle leer. Nur die Soldaten hatten Platz genommen.
In einem Bauernhof im innersten Valser Tal kamen jedoch in dunkler Nachtstunde die Leute zusammen. Auf weitem Umweg, um nicht aufzufallen, gingen sie am Tag vorher über Gries, Lueg nach Padaun und dort in das hinterste Valser Tal hinein. In nächtlicher Stunde wurde dort vom vertriebenen Dorfpfarrer die heilige Messe gelesen. Die Bayern kamen nie auf dieses Geheimnis des Valser Tales!
Walther Reimeir, Steinach, 14 Jahre
DER VALSER RIEBLER
Nach der Schlacht am Bergisel wurden bayrische Soldaten im Gasthaus „Zoller", der heutigen Post in St. Jodok, einquartiert. Die Bauern des Valser Tales mussten diese Soldaten erhalten. Aber diese gaben sich nicht mit gewöhnlicher Kost zufrieden, sondern wollten das Beste haben. Brachte ihnen ein Bauer schlechtes Essen, so wurde er übel behandelt und musste etwas Besseres bringen. Die Soldaten taten, was sie wollten.
Einmal brachte ihnen ein Bauer aus dem Valser Tal eine große Pfanne voll Riebler. Im Wirtshaus könnten sie diese duftige Bauernspeise aufwärmen. Aber die Soldaten wiesen den Bauern zurecht, warum er ihnen kein Fleisch gebracht hätte. In ihrem Übermut nahmen sie die Pfanne und schütteten den Riebler dem Bauern ins Gesicht. Diesen packte der Zorn, dass die Soldaten mit der Gottesgabe so frevelhaft umgingen. Er packte die rußige Pfanne und schlug sie einem Soldaten ins Gesicht, dabei schrie er auf:
„Ös werd's no amol froah sein, daß ös an Riebler zu össen kriegt's!"
Dann riss er die Tür auf und sprang in den nahen Wald, von wo er auf eine hochgelegene Alm floh. Die Soldaten verhängten die Todesstrafe über ihn, aber der Valser Bauer wurde nirgends gefunden. Noch heute lebt diese Episode bei den Valsern weiter.
Anton Stockhammer, Steinach, 13 Jahre, † 1940
DER STUTZEN MEINES URGROSSVATERS
Mein Urgroßvater hat an den Kämpfen des Jahres 1809 teilgenommen. Die Valser Schützen zogen über Padaun gegen den Brenner, um die durchziehenden Franzosen aufzuhalten. Als sie von Padaun in das Tal stiegen, brannte das Schloss Lueg mit allen Häusern. Die Bayern und Franzosen hatten alles angezündet und verwüstet. So stiegen die Valser Schützen in die Steilwände des Walenstein und ließen die schon hergerichteten Steinlahnen auf die Straße hinunter. Der Feind musste fliehen, zuerst hinauf gegen den Brenner. Aber auch dort wurde er von den Südtiroler Schützen in gleicher Weise empfangen. So floh er zurück gegen Innsbruck.
Mein Urgroßvater hat an der Bergiselschlacht teilgenommen. Der Stutzen, mit dem er dort kämpfte, hat sich treu in unserer Familie erhalten. Wir behalten diesen Stutzen zur treuen Erinnerung in Ehren.
Hermann Staudt, St. Jodok, 13 Jahre
DIE STAFFLACHER WAND
Bei der Stafflacher Wand richteten die Bauern eine Steinlahne her. Sie hackten Bäume und schichteten riesige Steinmassen auf. Als die Franzosen bei der Straße tief im Tal durchzogen, ließen die Bauern die Steinlahnen los und viele Feinde gingen zugrunde.
Im Wipptal fanden viele Kämpfe statt. Mein Urähndl und seine zwei Brüder nahmen daran teil. Die Frauen und Kinder wurden von der Straße weg in die Nebentäler und auf die Almen gebracht, damit sie sicher wären. Beim Tennentor unseres Hofes sieht man noch heute die eingeschlagenen französischen Kugeln. Einmal haben die Franzosen einen Bauern gefangengenommen. Sie umwickelten ihn mit Stroh und Pulver und zündeten ihn an.
J. Haidegger, Jöchiler, Stafflach, 13 Jahre
EINQUARTIERUNG IN STEINACH
Im Sommer 1809 erlebte Steinach eine sehr unruhige Zeit. Eine Einquartierung folgte nach der andern. Die Franzosen waren rohe und brutale Gesellen. Die Stube im alten Haus diente ihnen als Lager und Schlafquartier. An einem Abend tischte ihnen unsere Großmutter eine große Pfanne voll Erdäpfel auf. Die Soldaten hatten die Pfanne bald geleert. Ein Offizier ging in die Küche und forderte:
„Noch Pumperter (Kartoffeln) zum Fressen!"
Im ersten Schreck antwortete die Großmutter:
„Itz habt's grad a Pfonne voll g'hobt!"
Da hob der Franzose die Pfanne in die Höhe und wollte ihr diese auf den Kopf schlagen, wobei er ausrief:
„Nit — du verfluchter Puger!"
Schreiend vor Angst stellte sie dann eine zweite Pfanne voll Erdäpfel auf den Tisch.
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Einmal war das Haus von oben bis unten mit Soldaten besetzt. Spät am Abend kam noch ein französischer Offizier daher und bat höflich um Nachtquartier. Da jammerte mein Großvater und sagte, das Haus wäre bis auf den letzten Platz besetzt. Für die Familie blieb nur ein Zimmer übrig, wo außerdem noch ein krankes Kind war, das die ganze Nacht weinte. Da sagte der Offizier gutmütig und freundlich:
„Es macht mir nichts, wenn das Kind weint! Wenn es nicht weinen und schreien tat, war es ja tot! Ich bin also mit diesem Platz sehr zufrieden!" So wurde der Offizier zur Familie Strickner eingeladen. Er war todmüde und schlief auf dem Strohsack bald ein. Aber mitten in der Nacht pochten wieder durchziehende Soldaten an Tür und Tor des Hauses. Sie wollten mit Gewalt Einlass bekommen. Sie drohten, die Tür aufzubrechen. In seiner Angst weckte mein Urgroßvater den fremden Offizier, der dann die aufgeregten Soldaten beruhigte. So war es ihr Glück gewesen, dass sie den fremden Offizier in ihr Haus aufgenommen hatten.
Anton Strickner, 16 Jahre
(Aus den Erinnerungen meines 1836 verstorbenen Urgroßvaters und des 1941 verstorbenen Großvaters Anton Strickner, Bildhauer.)
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Sehr schändlich jedoch hat sich ein anderer französischer Offizier benommen, der über das Kruzifix in der Stube spottete und es auch lästerte. Er zog sogar den Säbel und brachte dem Kreuzkörper einen tiefen Hieb über der Brust bei. Mein Großvater und sein Bruder, Anton und Franz Strickner, haben es gewagt, den Offizier deswegen zurechtzuweisen. Dieser aber lief den beiden nach und verfolgte sie mit dem gezückten Säbel. Die beiden Burschen sprangen bei der Haustür hinaus; der Offizier hieb den Säbel gegen diese, dass ein Stück Holz absplitterte.
Das geschändete Kruzifix und die Haustüre fielen beim Brand von Steinach 1853 dem Feuer zum Opfer. Es waren denkwürdige Zeugen aus schwerer Zeit.
Anton Strickner, 15 Jahre
DIE TOTENKÖPFE
Es war am 3. November 1809. Die Franzosen waren vom Brenner her in der Richtung nach Innsbruck marschiert. In Steinach nahmen sie Nachtquartier. Etwa 50 Mann kamen hinauf nach Mauern und schlugen im Friedhof ihr Lager auf. Denn hier fühlten sie sich sicher zwischen den hohen Mauern.
Vor dem Schlafengehen bereiteten sie sich eine lustige Stunde vor. Sie stellten einen Tisch in der Mitte auf und veranstalteten ein frohes Gelage. Einen Panzen Wein hatten sie von irgendeinem Wirtshaus mitgehen lassen. Sie tranken mit vollen Zügen, bis manche von ihnen schwer berauscht waren. Immer größer wurde ihr Übermut. Es war Nacht geworden. Einer schrie auf: „Wir wollen Kegel spielen mit den Totenköpfen!" So liefen sie, über die Grabkreuze stolpernd, zur Totenkapelle, wo sie etwa 30 Totenköpfe holten. Unter Geschrei und Gejohle begannen sie dann das Kegelscheiben. Am äußersten Rand des Friedhofes über dem steilen Hang des Gschleisberges hatten sie Aufstellung genommen. Als Ziel diente ein Baum unterhalb des Friedhofes. Einer nach dem andern warf den Totenschädel auf das Ziel zu. Manch einer traf, dann splitterten die Knochen. Andere trafen nicht, diese rollten dann den Steilhang hinunter.
Um Mitternacht ging dieses frevelhafte Spiel zu Ende. Müde legten sich die Soldaten nieder und schliefen ein. Am nächsten Morgen standen sie schlaftrunken auf. Einer hatte entsetzt aufgeschrien. Da schauten sie durch den Nebelvorhang hinunter gegen den Gschließberg und — o Schreck! — dort stand die knöcherne Gestalt des Todes und schwang die Sense. Bald verschwand dieser Spuk wieder.
Verängstigt brachen die Soldaten ihr Lager ab und rannten über den Gschließberg hinunter in das Tal. Aber da brachen plötzlich Tiroler Schützen aus dem Nebelvorhang heraus und eröffneten das Feuer. Die Tiroler waren in der Minderheit. Aber die verschlafenen und verängstigten Franzosen wurden schnell und geheimnisvoll besiegt. Alle blieben sie tot am Fuße der Kirche liegen. Neben ihnen aber lagen auch die Totenköpfe herum. Auf geheimnisvolle Weise waren die Tiroler wieder verschwunden! Haben die Totenköpfe selbst Rache genommen . . .?
Hans Peer, v. Bacher, Steinach, 15 Jahre
DIE BAYERN IN TRINS
Mein Großvater Franz Lutz, 85 Jahre alt, weiß noch folgendes zu erzählen:
Nach den Aufständen 1809 wurde auch die Ortschaft Trins von den Bayern besetzt. In allen Häusern erfolgten Einquartierungen. Die Bauern mussten für gute Verpflegung aufkommen.
Beim „Boarbauern" wollte sich ein Soldat mit der Bauernkost gar nicht zufrieden geben. Er verlangte immer nur Fleisch, aber die Leute waren damals arm und konnten ihm nichts Besseres als einfache Bauernkost vorstellen. In seiner Wut warf er einmal der Bäuerin die Pfanne mit den Schmalznudeln nach, so dass das Schmalz über die Wände spritzte. Weinend lief die Bäuerin zum Kuraten, wo die Offiziere einquartiert waren. Der Kurat beschwerte sich beim Hauptmann. Dieser suchte den unzufriedenen Soldaten auf und bestrafte ihn.
Maria Jäger, Salzerhof 13 Jahre
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Die Tante meines Großvaters, namens Notburga Tost, erzählte meinem Vater, was sich auf dem Tosthof 1809 begeben hatte:
Auch dort waren Soldaten einquartiert, wie überall bei den größeren Höfen von Trins. Aber die Bayern benahmen sich sehr übermütig. Sie schlugen mit ihren Säbeln in das Getäfel, dass ganze Stücke absplitterten.
In dieser Stube zeigte sich auch öfters ein Gespenst. Die Soldaten sagten, sie fürchteten sich nicht: „Wir werden das Gespenst schon anreden!"
Beim Dunkelwerden kam der Geist wieder bei der Tür herein. Er ging auf den Fensterbalken zu, setzte sich darauf und ließ einen Fuß herunterhängen. Zu allem Schreck sahen die Soldaten, dass es keinen Kopf hatte. Sie fürchteten sich und flüchteten bei der Stube hinaus.
Das Getäfel der alten Stube war bis 1926 erhalten.
Maria Hilber beim Tost in Trins, 13 Jahre
EIN GUTER SCHÜTZ
Meinem Großvater Franz Lutz, Salzer-Erbhofbauer in Trins, hat sein Großvater mütterlicherseits, namens Josef Hofer aus Stubai, folgendes erzählt:
Josef Hofer ist am Bergisel in vorderster Kampflinie gestanden. Von sicherer Deckung aus hatte er und ein anderer Stubaier Scharfschütze die Aufgabe, eine wichtige Stellung zu decken. Der zweite Stubaier Schütze wurde von einer Kugel getroffen und starb. Ein anderer Scharfschütze wurde auf den Posten gestellt. Gemeinsam setzten sie die Schießerei fort. Während des Kampfes kam unerwartet Andreas Hofer daher und sprach mit den beiden Stubaier Scharfschützen:
„Seppl — hast du heunt mit dein'm Stutzen gut gearbeitet?"
Josef Hofer antwortete mit klassisch kurzen Worten:
„Dreinuiz'g (93)! Und wenn i oan g'fahlt hun, soll mi der Tuifl hol'n!"
Franz Jäger, Salzerbauernsohn, 14 Jahre
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Beim heutigen Gschlosserhof, früher Salzander genannt, befand sich die Bäuerin gerade in der Waschküche, als die Kunde kam, die Bayern seien nach Trins gekommen und forderten Einquartierung. In ihrer Angst und Aufregung sprang die Frau auf die Straße. Als sie zurückkam, war das kleine Kind unglücklicherweise in den Waschkessel gefallen. Soldaten kamen auf das Geschrei der Mutter herbei. Sie nahmen das Kind, wickelten es in ein Leintuch, das mit Leinöl begossen wurde, aber es war zu spät. Das Kind starb noch am gleichen Tage an den Folgen dieser furchtbaren Verbrennung im heißen Wasser.
Maria Eppacher beim Gramler, 14 Jahre
DIE LAWINE
Tag und Nacht wurde das Dorf Trins von den Bayern bewacht. Nach dem Feierabendläuten durften sich die Bewohner nicht mehr im Freien aufhalten. Wenn die Bauern in der Nacht auf die Berge zum Heuziehen gingen, mussten sie jeden Tag wieder um Erlaubnis ansuchen. Überall standen Posten, die die Erlaubnisscheine durchsuchten.
Diese strenge Bewachung der Ortschaft Trins lässt schließen, dass die Bewohner in den Freiheitskämpfen großen Anteil genommen haben.
In diesem Winter 1809/10 bedrohte wieder die große Lawine die Ortschaft. Die Bayern hörten von dieser Lawine; der Hauptmann sandte in seinem Unverstand 40 Mann mit Gewehren hinein, um der Lawine Widerstand zu leisten. Da lachten die Dorfleute über ihre Dummheit und Anmaßung. Wäre die Lawine damals abgegangen, so wären alle vierzig Soldaten darunter gekommen.
Irma Kofler beim Gschlosser, 14 Jahre
DIE EINBRECHER
Beim Bergler-Erbhof wollten zwei bayrische Soldaten Schafe stehlen. Heimlich sind sie in dunkler Nachtstunde in den Stall eingebrochen. Mein Ururgroßvater Ignaz Schlögl, vulgo Berger-Naz, ein besonders starker und mutiger Mann, hat die Einbrecher überrascht und mit der Mistgabel davongejagt.
Irma Kofler, 14 Jahre
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DER WACKERE STÖCKLBAUER VON NAVIS
Johann Peer, Bauer beim Unteren Stöcklhof, war einer der schneidigsten Anführer 1809. Viele Geschichten sind über ihn erzählt worden, aber leider vergessen. Er hasste die „Boarn" wie kaum ein anderer im Tale. Kein Wunder, dass sie nach dem Zusammenbruch der Freiheitskämpfe dem Unteren Stöcklhof einen Besuch abstatteten, um den Anführer zu verhaften. Der Stöcklbauer benahm sich recht gemütlich und zeigte keine besondere Aufregung. Er hat sie eine Zeitlang angeschaut, dann hat er auf sein Gewand gezeigt und gemeint:
„A so kun i decht nit giahn! Da mueß i mir's Feirtaggewand unlögn! Ös habt's gewieß Hunger und kennt's derweil öppis ößn . . .!"
So saßen die Soldaten in der Stube. Der Bauer aber sprang beim Tennentor hinaus und von dort zum Bach hinunter und in den Wald auf die andere Talseite. Als den Soldaten das Warten zu lang wurde, schauten sie nach. Unverrichteter Dinge mussten sie wieder abziehen. Beim Rückzug schrie ihnen der geflüchtete Bauer vom Wald her Schimpfworte zu. Er musste dann in die Berge flüchten.
Anton Halder, Ludler, Navis, 13 Jahre
EINE FURCHTBARE BEGEBENHEIT
Auch in Navis wurden die Bauern gezwungen, dem Einberufungsbefehl Napoleons Folge zu leisten. So mussten damals viele Tiroler in französische Kriegsdienste treten. Sie kämpften in fremden Landen. Viele gingen in Russland zugrunde.
Auch der Kerschbaumerbauer und sein Knecht hatten den Einberufungsbefehl erhalten. Als sie nicht Folge leisteten, kamen zwei französische Soldaten, um die beiden abzuholen. Aber der Bauer und sein Knecht waren schon zuvor geflohen. Von der Bergwiese aus beobachteten sie die beiden Soldaten.
Diese traten in die Stube und warteten dort, die Dirn sagte, der Bauer würde bald zurückkommen. Sie sollten nur ruhig warten. Als aber die Soldaten nicht mehr gehen wollten, sagte sie freundlich: „Kommt, geht mit in die Küchel! Dort werde ich euch etwas kochen!"
Die Dirn machte einen Nockenteig an, die zwei Soldaten saßen auf der Herdbank neben der Hennensteige. Das Schmalz brodelte in einer großen Pfanne. Immer heißer wurde das Schmalz, immer greller der Feuerschein. Plötzlich ergriff die Dirn die Schmalzpfanne, es schien, als wollte sie die Arbeit beginnen — aber anstatt dessen warf sie das glühend heiße Schmalz den beiden Soldaten ins Gesicht. Es gab einen furchtbaren Aufruhr im Haus. Aber die verzweifelte Dirn, die vielleicht um ihren Vater oder Bruder oder Bräutigam bangte und auch um ihr eigenes Leben, ergriff die Hacke und erschlug in Angst und Verzweiflung die zwei schreienden Soldaten.
Andere Hausleute waren herbeigekommen. Der Kerschbaumerbauer und sein Knecht wurden durch Zeichen verständigt. Als sie zurückkehrten, lagen die zwei Franzosen in ihrem Blute da. Heimlich wurden die Toten vor dem Haus begraben, damit niemand etwas erfahren sollte. Die zwei Gewehre nahm der Kerschbaumerbauer in Besitz. Er floh damit in die Berge, um sich in Sicherheit zu bringen.
Im Jahre 1908 hat Anton Geir beim Kerschbaumerhof nachgeschaut. Er fand die beiden Gewehre noch vor. Der Kerschbaumerbauer gab ihm diese alten Gewehre. Eines ist beim Brand von Matrei 1916 vernichtet worden, das andere hat der Bauer Geir noch heute in Besitz.
Diese schaurige Begebenheit zeugt davon, wie erbittert auf beiden Seiten gekämpft worden ist.
Anton Halder, St. Kathrein, beim Ludler, 13 Jahre
Rechtschreibung behutsam angepasst.
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