Motorlokomotiven
Von Oberingenieur Kramer, Deutz, 1906.
Nachdem in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Frage der Massenbeförderung von Personen und Gütern mit großen Geschwindigkeiten durch die Dampflokomotive glänzend gelöst worden war, stellte sich bald auch in zahlreichen Industriezweigen das Bedürfnis nach einer geeigneten Zugkraft für die Beförderung kleinerer Lasten mit kleineren Geschwindigkeiten, also nach Lokomotiven mit kleineren Kräften, ein. Es handelte sich um den Ersatz der Menschen- und Tierkraft für die Beförderung der Erzeugnisse in ländlichen Fabriken, wie Zuckerfabriken und Ziegeleien, auf Entfernungen von einigen Kilometern, für das Rangieren von Güterwagen im Innern von Fabriken und auf Anschlussgleisen; vor allem aber fehlte es in der Bergindustrie an einem vorteilhaften Ersatz für den lästigen Pferdebetrieb.
Die Dampflokomotive kam für diese Zwecke weniger in Frage, teils weil sie beim Rangierdienst, also bei meistens nur zeitweiliger Beanspruchung, stets betriebsbereit sein, der Kessel also auch während längerer Betriebspausen unter Druck gehalten werden, muss, teils — insbesondere im Bergwerksbetrieb — weil sie durch Rauchentwicklung die Luft verschlechtert und durch Funkenauswurf eine ständige Feuersgefahr mit sich bringt. In Schlagwettergraben ist sie wegen des offenen Kesselfeuers vollständig ausgeschlossen.
Hier ist nun die Verbrennungskraftmaschine, insbesondere die mit flüssigen Brennstoffen arbeitende Benzin- und Spiritusmaschine, eingesprungen, die sich ja schon als ortfeste Betriebskraft für die in Betracht kommenden Kraftgrößen von etwa 6 bis 30 PS in der Kleinindustrie eingebürgert hatte.
In der Tat erschien die Benzinlokomotive wegen der Einfachheit ihrer Bedienung, ihrer sofortigen Betriebsbereitschaft und ihrer Gefahrlosigkeit hervorragend geeignet nicht nur für die verschiedensten Beförderungszwecke über Tage, sondern auch für den Grubenbetrieb. Hier kommt als einziger Wettbewerb, abgesehen von den nur in bestimmten Fällen anwendbaren Seil- und Kettenförderungen, heute nur noch die elektrische Lokomotive in Betracht, der aber die Benzinlokomotive in vielen Punkten überlegen ist, wie ich später darlegen werde.
Fig. 1 bis 3. Petroleum-Druckluft-Lokomotive
Bei der Ausbildung der Benzinlokomotive waren zunächst Schwierigkeiten zu überwinden, die aus der Eigentümlichkeit der Verbrennungskraftmaschine als solcher hervorgingen. Da diese Maschine ihr Treibmittel im Gegensatz zur Dampfmaschine nicht unter Druck zugeführt erhält, so muss sie in unbelastetem Zustand durch eine äußere Kraft in Gang gesetzt werden. Auch kann ihre Geschwindigkeit nur innerhalb gewisser Grenzen geändert werden; man ist daher darauf angewiesen, den Motor während der ganzen Betriebszeit mit größerer oder kleinerer Umdrehungszahl durchlaufen zu lassen und das Manövrieren, das Anfahren und Anhalten, das Umsteuern, das Verändern der Fahrgeschwindigkeit durch Zwischenmechanismen zu bewirken, welche die Kraft des Motors auf die Laufräder übertragen. Dabei kann man zwei Wege einschlagen: entweder man verwendet die Energie des Motors zur Erzeugung eines geeigneten Treibmittels, wie: Druckwasser, Druckluft, Elektrizität, das mit den Triebachsen gekuppelte Motoren betätigt, oder aber man schaltet zwischen Motor und Treibachse ein mechanisches Triebwerk, das die Kraft des Motors unmittelbar überträgt. Beide Wege sind beschritten worden. Im Jahr 1893 wurde von der Gasmotorenfabrik Deutz eine Petroleum-Druckluft-Lokomotive, Fig. 1 bis 3, nach den Patenten des Zivilingenieurs Neukirch in Bremen erbaut, bei der ein durch einen 12 pferdigen Petroleummotor betriebener Kompressor Druckluft erzeugte, um damit die auf die Triebachsen wirkenden stehenden Pressluftmaschinen zu betreiben. Hierbei sollten die Kühlwasserwärme des Motors und des Kompressors und die Wärme der Ausströmgase des Motors zur Anwärmung und Verdampfung von Wasser, das sich im unteren Teile des Luftbehälters befand, nutzbar gemacht werden, so dass die Druckluft mit den gebildeten Wasserdämpfen beladen wurde. Indes zeigten sich zu große Schwierigkeiten der Regulierung infolge der umständlichen Wechselwirkung, worin alle Teile zueinander standen; es gelang nicht, dem Kühlwasser die nötige Wärmemenge zu entnehmen, um Eisbildung bei starker Expansion, also zweckmäßigem Betrieb, zu verhindern. Schließlich litt die Maschine auch an dem Fehler, dass sie zu kostspielig war und den Brennstoff nicht wirtschaftlich ausnutzte. Ihr Betriebsgewicht betrug rd. 7500 kg, der Gesamtwirkungsgrad 56 vH, so dass von dem 12 pferdigen Motor nicht ganz 7 PS an den Rädern der Lokomotive zur Verfügung standen.
Ein zweiter Versuch in dieser Richtung wurde 2 Jahre später unternommen. Im Jahr 1895 stellte die Gasmotorenfabrik Deutz eine 12 pferdige Petroleumlokomotive her, bei welcher ähnlich wie bei der bekannten Lokomotive von Heilmann (s. Z. 1891 S. 897; 1896 S. 418; 1897 S. 1399) die Übertragung durch Elektrizität stattfand.
Fig. 4 bis 6. 12pferdige Petroleumlokomotive mit elektrischer Übertragung
Bei dieser Lokomotive, Fig. 4 bis 6, trieb ein stehender 12 pferdiger Petroleummotor durch Riemen eine Dynamo, und der von dieser erzeugte Strom betätigte einen Elektromotor, durch den die Laufachsen mit Zahnrad und Kettengetriebe angetrieben wurden. Der betriebsfähige Wagen wog rd. 8500 kg; der mitgeführte Brennstoffvorrat reichte für einen mehrtägigen Betrieb aus. Leider war, wie sich wohl denken lässt, der Wirkungsgrad auch hier gering, etwa 68 vH, so dass an den Laufrädern der Lokomotive zur Bewegung des Zuges einschließlich Lokomotive nur noch rd. 8 PS zur Verfügung standen und infolgedessen der hohe Preis der Maschine im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihre Verwendung ausschloss.
Wenn auch bei dieser Übertragung ein etwas höherer Wirkungsgrad als bei der Druckluftlokomotive erreicht wurde, so stellten sich doch die Anlage- und Betriebskosten für die wirtschaftliche Verwendung der Maschine noch immer zu hoch, und dieser Nachteil konnte durch die Vorteile des allmählichen Überganges von einer Geschwindigkeit auf die andre, überhaupt die vorzügliche Regulierbarkeit in Bezug auf Zugkraft und Geschwindigkeit des Wagens, nicht ausgeglichen werden.
Diese beiden Versuche führten dazu, den eingeschlagenen Weg, das Fahrzeug mittelbar durch ein erst vom Motor zu erzeugendes Treibmittel zu bewegen, zu verlassen und zur unmittelbaren Übertragung der Motorkraft auf die Treibachsen durch ein geeignetes Triebwerk überzugehen.
Fig. 7 und 8. 8pferdige Petroleumlokomotive mit Riemenübertragung
Ein erster noch etwas roher Versuch in dieser Richtung war von der Gasmotorenfabrik Deutz schon im Jahr 1892 gemacht worden, indem für die chemische Fabrik in Radebeul ein ein alter Güterwagen mit einem 8pferdigen Petroleummotor und dem nötigen Triebwerk ausgerüstet war, Fig. 7 und 8, um zum Verschieben normalspuriger Eisenbahnwagen vom Bahnhof Radebeul zur Fabrik und umgekehrt zu dienen.
Der Motor überträgt seine Kraft mit Riemen auf Triebwerk, welches so eingerichtet ist, dass mit einer Fahrgeschwindigkeit von 6,3 km/st oder 1,75 m/sk vorwärts und rückwärts gefahren werden kann. Eine doppelte Reibkupplung dient dazu, die Lokomotive in Gang zu setzen und ihre Bewegungsrichtung umzukehren. Die Arbeit wird vom Triebwerk nach der Triebachse durch eine Gallsche Kette übertragen; eine gleiche Kette dient zur Kupplung beider Laufachsen, um das Eigengewicht voll als Adhäsionsgewicht auszunutzen.
Das Fahrzeug arbeitete zufrieden stellend und mit geringen Betriebskosten. Der Wirkungsgrad stellte sich schon bei dieser ersten, sehr verbesserungsfähigen Ausführung auf 79 vH.
Der in das Fahrzeug eingebaute Motor normaler Bauart unterscheidet sich in nichts von den nach Tausenden zählenden ortfesten Motoren. Für den Betrieb dieser Lokomotive, wo es nicht an Raum mangelte, war er durchaus geeignet; dass ein solcher Motor aber nicht für eine Lokomotive von möglichst gedrungener Bauart in Frage kommen konnte, lag auf der Hand, und so musste man zunächst bestrebt sein, eine Maschine zu konstruieren, die nicht nur bei kleinen Abmessungen eine möglichst große Leistung ergab, sondern deren Rahmen auch dem Lokomotivtriebwerk angepasst war.
Fif. 9 bis 11. Gaslokomotive der Dessauer Straßenbahn
In jene Zeit fielen die vom Zivilingenieur C. Lührig in Dresden angeregten Versuche, den Gasmotor für den unmittelbaren Antrieb von Straßenbahnwagen nutzbar zu machen. Die Gasmotorenfabrik Deutz beteiligte sich an diesen Versuchen insofern, als sie zunächst einen sehr gedrungen gebauten Motor zur Unterbringung unter der Sitzbank des Wagens entwarf und ausführte. Auf Grund dieses ersten Versuches wurden später von der ehemaligen Deutschen Gasbahn-Gesellschaft in Dessau solche mit Gasmotoren versehene Wagen, Fig. 9 bis 11, für die Straßenbahnbetriebe der Städte Dessau (s. Z. 1895 S. 1009.) und Hirschberg gebaut. Es gelang aber nicht, den Betrieb genügend frei von Erschütterungen und Geräusch, wie es für Personenbeförderung erforderlich ist, zu gestalten, weshalb er von der Deutschen Gasbahn-Gesellschaft wieder aufgegeben wurde.
Fig. 12 bis 14. 12pferdige Gaslokomotive
Immerhin ergaben diese Versuche wertvolle Erfahrungen für die Konstruktion gedrungen gebauter Gasmotoren für Lokomotivzwecke. Bei den beiden ersten mit solchen Motoren ausgerüsteten 12 pferdigen Gaslokomotiven für Normalspur und 1 m Spurweite, Fig. 12 bis 14, wurde das Gas auf 12 at Überdruck gepresst und in Behältern auf dem Dach untergebracht. Der Vorrat von rd. 2 cbm reichte je nach der Beanspruchung des Motors für einen zwei- bis dreistündigen Betrieb aus. Die mit diesen Maschinen auf der Lokalbahn Dessau-Wörlitz und auf der Kleinbahn Ludwigshafen-Frankenthal angestellten Versuche führten zu ganz zufriedenstellenden Ergebnissen; doch waren die Lokomotiven im Verhältnis zur Motorleistung zu schwer und zu teuer, so dass von ihrer endgültigen Indienststellung abgesehen werden musste.
Wollte man daher auf diesem Gebiet etwas wirklich Brauchbares schaffen, so musste auf Verminderung des Gewichtes, besonders aber auch auf Verwendung eines andern Brennstoffes zur Vermeidung großer und schwerer Behälter hingezielt werden.
Fig. 15 und 16. Grubenlokomotive
Hierzu bot sich Gelegenheit, als im Jahr 1896 der ehemalige Direktor der Gießener Braunsteinwerke, Hr. Pascoe, die Gasmotorenfabrik Deutz aufforderte, den Entwurf einer Grubenlokomotive mit vorgeschriebenen, nicht zu überschreitenden Hauptabmessungen auszuarbeiten. Die nach diesem Entwurf ausgeführte Lokomotive, Fig. 15 und 16, erhielt einen 6pferdigen Motor und war dazu bestimmt, 20 t Zuglast mit 5 km/st oder 1,4 m/sk auf waagerechter Strecke zu befördern. Die Maschine erwies sich als zuverlässig, wenn sie auch mit Rücksicht auf die gerade durch den Grubenbetrieb bedingten Erfordernisse noch verbesserungsfähig war.
Die heutige Lokomotive weist daher der früheren gegenüber ganz wesentliche Verbesserungen auf, insbesondere durch Einführung der Kondensation der Ausströmgase, Vermeidung der Bildung elektrischer Funken außerhalb des Motors, Zentralschmierung, Spülung der Schienen usw. Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit dankbar der Bereitwilligkeit, mit der Betriebsbeamte der sich für diese Maschine interessierenden Zechen ihre Erfahrungen in den Dienst der Sache gestellt und dadurch wesentlich zur heutigen Vervollkommnung der Lokomotive beigetragen haben. So ist es gelungen, eine Maschine zu bauen, die den Vorschriften der Bergbehörde in jeder Hinsicht entspricht und den Wünschen der Betriebsverwaltung Rechnung trägt. Letzteres war nicht ganz leicht; denn wenn auch die Leistungsfähigkeit genügte, so boten die Ansprüche in Bezug auf die Hauptabmessungen, insbesondere die Breite der Lokomotive, einige Schwierigkeiten. Einerseits soll die Maschine möglichst kräftig, anderseits aber auch recht schmal und niedrig sein.
Bei Verwendung sogenannter Schnellläufer-Motoren, wie sie im Automobilbau üblich sind, kann zwar beiden Bedingungen gleichzeitig entsprochen werden: doch verlangt der Betrieb unter Tage völlige Zuverlässigkeit, und mit Rücksicht darauf ist dem langsam gehenden Motor der Vorzug zu geben. Auch der Umstand, dass eine solche Maschine eine längere Lebensdauer haben muss, als sie den meist nur zeitweise betriebenen, größtenteils dem Sport oder Luxus dienenden Automobilen beschieden ist, schreibt eine kräftigere Bauart mit nicht zu empfindlichen Steuerteilen vor. Mit Rücksicht auf den beschränkten Querschnitt der Förderstrecken wird ein Betriebsmotor liegender Bauart verwendet, der auch den Schwerpunkt des Fahrzeuges möglichst nach unten zu verlegen gestattet: ein nicht zu unterschätzender Vorteil bei den öfters zu durchfahrenden scharfen Kurven bis herunter zu 5 m Halbmesser.
Beschreibung der Lokomotive.
In der Hauptsache setzt sich die Lokomotive aus dem Motor, dem Wagengestell und dem beide verbindenden Triebwerk zusammen.
Der Motor wird mit einem, zwei und auch vier Zylindern, entsprechend der gewünschten Leistungsfähigkeit, ausgeführt und macht bei der größten Fahrgeschwindigkeit nicht mehr als 300 Umläufe. Er ist so eingerichtet, dass er mit allen in Betracht kommenden flüssigen Brennstoffen betrieben worden kann, und zwar ohne dass beim Ingangsetzen oder während des Betriebes durch eine äußere Flamme geheizt werden müsste. Die Ladung wird in der Weise gebildet, dass die in den Motor gesaugte Luft an einem Zerstäuber vorbeistreicht, bestehend aus einer mit kleinen Öffnungen versehenen Brause, welcher der Brennstoff aus einem Schwimmgefäß unter stets gleichbleibendem Druck zufließt. Die Luft reißt durch Saugwirkung eine gewisse Menge des flüssigen Brennstoffes mit sich, zerstäubt ihn und bildet mit dem Staub die Ladung. Bei den schwerer flüchtigen Brennstoffen: Petroleum, Spiritus, Ergin, ist eine Einrichtung vorgesehen, um die kalte Maschine mit leichter flüchtigen Brennstoffen, insbesondere mit Benzin, in Gang zu setzen. Zur Erzielung größerer Betriebsicherheit sind selbsttätige Organe, die nur durch die Erniedrigung des Druckes der einströmenden Luft betätigt werden, vollständig vermieden; alle Ventile werden zwangläufig gesteuert. Ein Schwungkugelregler beeinflusst die Menge der angesaugten Ladung unter möglichster Beibehaltung des Mischungsverhältnisses, wodurch der Brennstoff auch bei geringen Belastungen günstig ausgenutzt wird. Um beim Leerlauf des Motors die Abnutzung und den Brennstoffverbrauch sowie während des Betriebes die Fahrgeschwindigkeit nach Bedarf zu vermindern, kann man das Gewicht des Regulators mittels eines Handgriffes vom Führerstand aus entlasten und dadurch die Umlaufzahl des Motors ermäßigen. Die Zündung erfolgt durch Unterbrechung eines von einer elektromagnetischen Zündvorrichtung hervorgebrachten Stromes im Innern des Zylinders.
Für die Ausführung des Wagengestelles sind die Spurweite und die Abmessungen der zu ziehenden Wagen maßgebend. Der Bauart nach werden Gruben- und Feldbahn-, Straßenbahn- und Rangierlokomotiven unterschieden. Die Konstruktion des Triebwerkes hängt von der größten Fördergeschwindigkeit und von der Größe der zu befahrenden Steigungen ab. Bei Grubenlokomotiven erhält das Triebwerk meistens nur eine Übersetzung für eine größte Fahrgeschwindigkeit von 6 bis 7 km/st. Bei Feldbahnlokomotiven, die meistens Steigungen zu befahren haben, sind mindestens zwei Übersetzungen erforderlich; bei Straßen- und Lokalbahnlokomotiven, welche auf jeder Steigung mit möglichst großer Geschwindigkeit und auf der Waagerechten mit Geschwindigkeiten bis zu 30 km verkehren sollen, werden zweckmäßig bis zu vier Übersetzungen in das Triebwerk eingebaut.
Fig. 17. Grubenlokomotive mit nur einer Übersetzung
Fig. 18. Grubenlokomotive mit nur einer Übersetzung
Fig. 19. Grubenlokomotive mit nur einer Übersetzung
Eine Grubenlokomotive mit nur einer Übersetzung stellen Fig. 17 bis 19 dar (Vergl. Z. 1902 S. 1490). Dabei ist das Triebwerk t seitlich vom Motor angeordnet, und die durch eine Spannrolle stets angespannte Kette k läuft über zwei lose auf den Wellen w1 und w2 sitzende Antriebkettenräder, die sich in verschiedener Richtung drehen. Durch Kupplung des einen oder andern Kettenrades mit seiner Welle wird der Wagen von der einen oder andern Welle also vorwärts oder rückwärts angetrieben.
Fig. 20 bis 21. Grubenlokomotive
Fig. 22. Grubenlokomotive
Bei dieser Bauart wird die Maschine wohl kurz, aber für den Betrieb unter Tage bei Verwendung eines langsam gehenden Motors für viele Stollenprofile immer noch zu breit. Um eine schmalere, wenn auch etwas längere Maschine zu erhalten, muss man das Triebwerk vor dem Motor lagern, wie dies bei der in letzter Zeit allgemein zur Verwendung gelangenden Lokomotive, Fig. 20 bis 22, der Fall ist. Hier wird die Kraft durch eine Gallsche Kette von einer in beiden Drehrichtungen anzureibenden Welle w auf die untereinander ebenfalls, mit Kette gekuppelten Laufachsen übertragen.
In beiden Fällen dient zur Ingangsetzung und Umsteuerung ein mit Spindel und Mutter in Verbindung stehendes Handrad, mit dem die eine oder andre für den Vor- oder Rückwärtsgang bestimmte Reibkupplung eingerückt wird.
Fig. 23 bis 24. Feldbahnlokomotive
Fig. 25. Feldbahnlokomotive
Eine Feldbahnlokomotive stellen Fig. 23 bis 25 dar (Vergl. Z. 1902 S. 1491). Diese Lokomotiven werden für Verkehr auf größeren Steigungen und für Geschwindigkeiten bis 15 km/st auf waagerechter Strecke gebaut. Das ebenfalls vor dem Motor liegende Triebwerk erhält zu dem Zweck zwei Übersetzungen und überträgt mit größerer oder kleinerer Umlaufgeschwindigkeit des betreffenden Räderpaares die Kraft auf die Kettenradwelle w. Die von dieser Welle aasgehende Kette k steht mit den lose auf den Laufachsen sitzenden Kettenrädern in der veranschaulichten Weise derart in Verbindung, dass, je nachdem das eine oder andre Kettenrad durch seine Kupplung mit der Laufachse verbunden wird, die Maschine sich vorwärts oder rückwärts bewegt. Die beiden Kupplungsscheiben werden durch einen einzigen Hebel in der Weise bewegt, dass nur eine Kupplung eingerückt sein kann, oder aber beide ausgerückt sind. Zum Unterschied von den Lokomotiven mit nur einer Übersetzung wird bei der mit zwei und mehr Übersetzungen die Geschwindigkeit mit Hülfe von Reibkupplungen, die Umschaltung mittels Klauenkupplungen geändert.
Fig. 26 bis 27. Straßenbahnlokomotive
Fig. 28. Straßenbahnlokomotive
Fig. 26 bis 28 zeigen eine Straßenbahnlokomotive mit zwei Übersetzungen. Mit dieser Gattung von Lokomotiven, die in der Regel für größere Spurweiten, von 1 m bis zur Normalspur, gebaut wird, braucht man kleinere Profile nicht zu durchschreiten und ist daher mit der Breite nicht derart begrenzt wie bei der Feldbahn-, besonders aber bei der Grubenlokomotive. Das Triebwerk wird hier seitlich vom Motor angeordnet und dadurch wesentlich vereinfacht. Mit nur vier Zahnrädern und drei Kettenrädern wird langsam und schnell, vor- und rückwärts gefahren.
Fig. 29 bis 30. Straßenbahn- und Verschiebelokomotive
Fig. 31. Straßenbahn- und Verschiebelokomotive
Auch bei der Straßenbahn- und Verschiebelokomotive nach Fig. 29 bis 31 sitzt aus denselben Gründen das Triebwerk seitlich vom Motor. Sechs Zahnräder und vier Kettenräder ermöglichen hier die Vor- und Rückwärtsfahrt mit vier verschiedenen Geschwindigkeiten. Zu jedem Zahnräderpaar für eine der vier Geschwindigkeiten gehört eine Reibkupplung; die Umschaltung auf Vor- und Rückwärtsgang erfolgt auch hier mittels Klauenkupplung.
Gruben- und Feldbahnlokomotiven werden von der Gasmotorenfabrik Deutz heute in Größen von 6 bis 24 PS ausgeführt, während Straßenbahn- oder Verschiebelokomotiven bis zu 60 PS gebaut werden.
Zur Aufnahme des Kühlwassers dient ein an geeigneter Stelle in die Lokomotiven eingebauter Wasserbehälter, dem eine vom Motor betätigte Umlaufpumpe das Wasser entnimmt, um es durch die Wasserräume der Maschine zu drücken.
Im erwärmten Zustande wird das Wasser größtenteils wieder nach dem Behälter zurückgeführt, wo es sich abkühlt, um von neuem zur Kühlung der Maschine verwendet zu werden; bei den größeren Lokomotiven strömt es noch durch eine Gruppe von Kühlrohren.
Ein geringer Teil des vom Motor kommenden Wassers wird zur Kondensation der Ausströmgase nach den Ausblasetöpfen geleitet. Hierdurch wird erreicht, dass die Ausströmprodukte den Motor fast ganz geruchlos verlassen und sich sofort niederschlagen.
Der in einem luftdicht abgeschlossenen Behälter mitgeführte Brennstoffvorrat reicht im Allgemeinen für einen wenigstens 16 stündigen ununterbrochenen Betrieb aus.
Ferner sind die Lokomotiven mit einer kräftigen und schnell wirkenden Bremse sowie mit einer Sandstreuvorrichtung und Signalglocke ausgerüstet. Zur Beleuchtung der Strecke und der Steuerteile dienen eine größere und eine kleinere Laterne. Sämtliche Steuer- und Regulierorgane sind vom Führerstand aus leicht zu bedienen.
Motor und Triebwerk sind zum Schutz gegen Staub und Feuchtigkeit mit einem kräftigen, möglichst dicht abschließenden Blechmantel umgeben, der, um Motor und Triebwerkteile leichter zugänglich zu machen, mit gut abschließenden Türen versehen ist. Ebenso dient ein unterhalb des Rahmens hängender Blechkasten zum Schutz der Gallschen Kette, die durch das von Motor und Triebwerk ablaufende und sich in diesem Kasten ansammelnde Öl beständig geschmiert wird.
Was nun die in Betracht kommenden Brennstoffe anbelangt, so ist der Betrieb mit Benzin zurzeit sehr billig, da 100 kg unverzollt etwa 16 bis 17 M kosten und Benzin für motorische Zwecke nach Erledigung gewisser Formalitäten bis zu einem Verbrauch von 10 t für das Jahr zollfrei bezogen werden kann. In diesem Falle stellt sich die Pferdestärkenstunde bei einem Verbrauch von 0,3 kg auf etwa 5 Pfg. Allerdings ist der Preis des Benzins sehr starken Schwankungen unterworfen und übersteigt häufig den Betrag von 20 M. In diesen Fällen sowie für einen größeren Jahresbedarf als 10 t wendet man in den gleichen Motoren das in den Teerfabriken aus Steinkohle gewonnene Benzol an, das ziemlich gleichbleibend 20 M bei gleichem Verbrauch im Motor kostet. Das Petroleum spielt für Lokomotivbetrieb wegen des damit verbundenen übeln Geruches und der häufig notwendig werdenden Reinigung der Maschine keine Rolle, zumal der Betrieb nicht billiger ist als mit Benzol. Der Spiritusbetrieb hatte in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung genommen, nachdem der Spirituspreis für motorische Zwecke von der Zentrale für Spiritusverwertung auf 16 M für 100 ltr gleich 19 M für 100 kg festgesetzt worden war. Nachdem Ende 1904 der Preis ganz außerordentlich in die Höhe geschnellt ist, nämlich auf 26 M für 100 ltr gleich 30 M für 100 kg, ist der Spiritusbetrieb fast ganz zurückgegangen. An seine Stelle ist für ortfeste Zwecke in vielen Fällen der Betrieb mit Ergin getreten, der jedoch für Grubenlokomotiven wegen des Geruches der Abgase weniger geeignet ist. Dagegen haben sich Mischungen von 50 Teilen Ergin und 100 Teilen Spiritus vorzüglich bewährt. Ergin ist ein Teerprodukt, das die Rütgers-Werke in Rauxel nach eingehenden Versuchen in der Gasmotorenfabrik Deutz besonders für den Betrieb von Verbrennungskraftmaschinen herstellen. Es zeichnet sich vor Benzin und Benzol durch einen höheren Entflammungspunkt aus, der etwa dem des Petroleums gleichkommt; außerdem hat es die vorteilhafte Eigenschaft, sehr hohe Kompression vor der Entzündung zu vertragen, womit die Ausnutzung bekanntlich in hohem Maße wächst. Ergin kostet frei Verwendungsstelle etwa 15 bis 16 M für 100 kg; der Verbrauch beträgt nur ¼ kg, so dass sich also die Pferdestärkenstunde auf 4 Pfg stellt. Neben dem Betrieb mit reinem Spiritus und reinem Ergin werden auch heute noch Mischungen von beiden verwendet. Sie haben den Nachteil, im Betrieb etwas teurer zu sein als Ergin, aber den Vorteil, dass der Motor weniger häufig gereinigt zu werden braucht.
Von wesentlichem Interesse werden auch einige Mitteilungen über die Betriebskosten der Förderung mit diesen Lokomotiven sein. Diese Kosten setzen sich zusammen aus der Abschreibung und der Verzinsung des Anlagekapitals, der Instandhaltung der Maschine, der Bedienung, den Auslagen für Öl, Putzwolle und den Brennstoffkosten. Was die letzteren betrifft, so beträgt erfahrungsgemäß der Verbrauch an Benzin oder Benzol pro tkm geförderter Nutzlast zwischen 0,038 und 0,075 kg, entsprechend einer Ausgabe von 0,76 bis 1,5 Pfg bei einem Brennstoffpreis von 20 M pro 100 kg.
Über die gesamten Betriebskosten gewinnt man am besten ein klares Bild aus den Erfahrungszahlen mehrerer, möglichst untereinander verschiedener Betriebe, wie sie mir in liebenswürdiger Weise von den Direktionen der betreffenden Werke zur Verfügung gestellt und in der Zahlentafel niedergelegt sind.
Wenn diese günstigen Zahlen allein schon für die vorteilhafte Verwendbarkeit der Benzinlokomotive sprechen, so hat diese ihrer Mitbewerberin, der elektrischen Lokomotive, gegenüber noch andere Vorzüge.
Zunächst können Lokomotiven mit äußerer Stromzuführung nur in höheren Förderstrecken, von keinesfalls unter 2 m Höhe, Verwendung finden, es sei denn, dass für die Belegschaft eine besondere Förderstrecke besteht oder angelegt wird; bei Benzinlokomotivbetrieb genügt, wenn es sein muss, eine Höhe von 1,5 m.
Ferner wird elektrischer Betrieb mit Oberleitung überall da erschwert, wo die Förderstrecke unter drückendem Gebirge steht, weil dann infolge der häufigen Ausbesserungen an den Schleifleitungen größere oder kleinere Betriebsstörungen auftreten.
Bei ungefähr gleichem Anschaffungspreis der Lokomotiven beider Art stellen sich die gesamten Anlagekosten bei elektrischem Betrieb durch die hinzukommende Oberleitung und die kaum zu vermeidende Unterstation erheblich größer als beim Benzinbetrieb. Für die Betriebssicherheit kommt bei Benzinlokomotiven wesentlich die völlige Unabhängigkeit von einem Kraftwerk mit Leitungsnetz in Betracht. Der Betrieb mit der Benzinlokomotive kann jederzeit ohne Vorbereitung und Kosten auf Strecken ausgedehnt werden, die ursprünglich nicht in das Netz der mechanischen Beförderung eingeschlossen waren.
Die Benzinlokomotive passt sich den Schwankungen des Förderbetriebes leichter an als die elektrische Lokomotive; bei Verminderung der Förderung können die freiwerdenden Benzinlokomotiven ohne Entwertung eines Kraftwerkes und des zugehörigen Leitungsnetzes ausgeschaltet oder auf andre Sohlen oder Schächte übergeführt werden. Bei einer Vermehrung der Förderung dagegen kann der Benzinbetrieb ohne Grenzen erweitert werden, während der elektrische Betrieb an die Größe des vorhandenen Kraftwerkes gebunden bleibt.
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Quelle: Kramer, Motorlokomotiven (Vorgetragen im Kölner Bezirksverein), in: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 7. April 1906, Nr. 14, Band 50, S. 515 - 523.
Rechtschreibung behutsam angepasst: Wolfgang Morscher.
© digitale Version: www.SAGEN.at