Wilhelm Beetz und die öffentlichen Toiletten Wiens
Wilhelm Beetz und die öffentlichen Toiletten Wiens - Teil 1
Wilhelm Beetz und die öffentlichen Toiletten Wiens - Teil 2

Bis ins späte 19. Jahrhundert war die sanitäre Situation Wiens alles andere als befriedigend. Toiletten in den Häusern waren nicht üblich und Buttenmänner und Buttenfrauen mit Holzeimern und weiten Mänteln zogen durch die Strassen, um den Menschen unter dem Schutz des Mantels die Möglichkeit zu geben, ungesehen ihre Notdurft zu verrichten.

Wilhelm Beetz © Archiv Firma Wilhelm Beetz Ges.m.b.H.

Wilhelm Beetz

Erst ab etwa 1860, als der Berliner Wilhelm Beetz nach Wien kam, änderte sich die Sache grundlegend. Drei Jahre lang suchte er hartnäckig immer wieder zum Bau und zum Betrieb von "Bedürfnisanstalten für Menschen beiderlei Geschlechts" an. Erst 1883 erteilte ihm die Stadt Wien die Genehmigung. Er musste allerdings eine hohe Kaution hinterlegen, Bau und Betrieb selbst finanzieren, Miete für den Aufstellplatz zahlen und drei Prozent der Brutto(!)-Einnahmen abliefern.

Am 23. September 1883 wurde die erste Bedürfnisanstalt in das Landstraßer Hauptstraße eröffnet, die für damalige Verhältnisse „recht bequem und luxuriös ausgestattet und der Preis für die Benützung desselben (4 kr und 2 kr) ungemein billig ist“.

Bis 1903 waren bereits 93 Pissoirs und 58 Bedürfnisanstalten in Wien in Betrieb. Dafür gründete er die Firma „Wilhelm Beetz“ in der Erdbergerstraße 17 mit als eingetragene Marke, mit dem Zweck „Errichtung und Haltung von Bedürfnis-Anstalten in Wien und für Öle und Ölkompositionen“.

Zertifikat Beetz © Archiv Firma Wilhelm Beetz Ges.m.b.H.

Überdies bot Beetz an, die Pissoire in den Anstalten mit einer von ihm hergestellten Mineralölkomposition zu behandeln. Für dieses Öl, es trug den Namen „Urinol“, erwarb er später zahlreiche internationale Auszeichnungen.

Messingsiphon der Firma Beetz für Toilettenanlagen © Harald Hartmann

Messingsiphon der Firma Beetz für Toilettenanlagen

Im Jahre 1903 entschloss sich die Stadt Wien, die schadhaften Wasserspüleinrichtungen in 30 öffentlichen Pissoiren nicht mehr instand setzen zu lassen, sondern diese auf das Beetz’sche Ölsystem umzustellen. Als weiterer Vorteil erwies sich, dass die Anlagen winterfest waren, da das Öl nicht einfrieren konnte

Mit der Zeit  beschäftigte Beetz auch an die hundert Frauen als Toilettefrauen, die einen zwar geringen aber festen Lohn erhielten und deren Krankenversicherung ebenfalls von ihm bezahlt wurde. In der damals wirtschaftlich schweren Zeit war das eine unschätzbare Sozialleistung.

Die Toilettenanlagen sind innen mit geöltem Tonschiefer verkleidet und gefliest. (Auf den Schieferwänden befand sich eine kleine Emailtafel mit dem Hexameter als Aufschrift: „Patent-Öl-Urinoir. Ohne Wasserspülung geruchlos“. Diese Täfelchen sind leider fast alle in „Sammlerhände“ verschwunden. Die Bauten sind als Fertigteilbauten mit rechteckigem oder oktogonalem Grundriss angefertigt.

Patent-Öl-Urinoir. Ohne Wasserspülung geruchlos © Harald Hartmann

„Patent-Öl-Urinoir. Ohne Wasserspülung geruchlos.“
"Man bittet um grösste Reinlichkeit und ordnen der Kleider in der Anstalt."


Achteckige Anlage in Wien 2., Baujahr 1901 © Harald Hartmann

Achteckige Anlage in Wien 2., Baujahr 1901

Bodenfliesen der Anlage in Wien 18., Baujahr 1902 © Harald Hartmann

Bodenfliesen der Anlage in Wien 18., Baujahr 1902

Mit ihren Verzierungen  wirken die Anlagen aus der Ferne wie Gartenhäuschen.

Großanlage am Parkring, Wien 1., Baujahr 1901 © Harald Hartmann

Großanlage am Parkring, Wien 1., Baujahr 1901

Architekturdetail, WC am Parkring, Wien 1., Baujahr 1901 © Harald Hartmann

Architekturdetail, WC am Parkring, Wien 1., Baujahr 1901

Mit diesen durch und durch funktionalen Bauten setzte Beetz in einer Zeit, in der immer mehr Wert auf Hygiene gelegt wurde, städtebauliche Akzente, die bis heute nachwirken.

Toilette Augartenbrücke, Baujahr 1909 © Harald Hartmann

Toilette Augartenbrücke, Baujahr 1909


Viereckige Anlage in Wien 22., Baujahr 1912 © Harald Hartmann

Viereckige Anlage in Wien 22., Baujahr 1912

Das Glanzstück der Beetz’schen Bauten aber ist die unterirdische Toilettenanlage am Graben. 1905 wurde sie (nach Plänen von Adolf Loos?) errichtet, wobei der Bau 74.000 Kronen verschlang. Hier allerdings schoss die Gemeinde Wien 32.000 Kronen zu. Die Räume sind indirekt beleuchtet und der Lage entsprechend mit geschliffenem Glas, Marmor,  Edelhölzern, Messingbeschlägen und vergoldeten Wasserhähnen ausgestattet. Jede Kabine ist neben der Sanitäreinrichtung mit Waschbecken und Spiegel eingerichtet.

Fotos © Harald Hartmann

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