Rückblick auf den Bergbau in Oberpinzgau, und die alten Gewerken im Brennthale
Wie alt der Bergbau in Oberpinzgau ist, darüber findet sich kein Blatt in der Geschichte, und der Forscher kann nur zu Muthmaßungen gelangen.
Albert von Muchar in seiner vortrefflichen Gastuna lässt, zum Theile aus geschichtlichen Quellen geschöpft, das Tauerngebieth vor undenklichen Zeiten von den celtogallischen Tauriskern und insbesondere noch von der kleineren Genoßenschaft des großen Stammvolkes, von Pisontiern oder Pinzgauern bewohnt seyn; sie gehörten Norikums Berglande an.
Später haben sie in der Invidualisirung des höchsten Urwesens denselben auch als Apollo Belenus , als besonderen Schutzgott ihrer Bergwerke auf Eisen und edle Metalle selbst oft mit Menschenopfer verehrt.
Als in der blutigsten Unterjochung des ganzen Hochlandes der Alpen bis an den Fluthenspiegel der Donau auch die Taurisker dem römischen Adler unterlagen, wurde die junge männliche Generation rottenweise als Leibeigene verkauft, die Tauriskischen Goldberge im Norikum aber wurden als Staatseigenthum in Besitz genommen, auf Kosten der Sieger und von Römern selbst, bis zur Zertrümmerung des Westreiches (400 — 476) bearbeitet.
Der am Velberthurme nächst Mittersill gewesene Römerstein bildet hievon einen Beleg, welchen eine uralte Sage unterstützt, daß in hiesiger Gegend eine heidnische Straße über den Tauern gegangen sey, mit welcher ein Hufeisen, das vor einigen Jahren ein Senn' unter seit Jahrhunderten vorgeschobenem Eise am Tauern hinter dem Oedthale hoch oben im Velberthale gefunden hat, Bedeutung gewinnen kann.
Wenn man aber den ausgedehnten Brennthaler Bergbau , der durch sehr viele Stellen vom höchsten Punkte des Bergthalerberges bis nieder auf die Sohle des Sigmundistollens aufgeschlossen ist, und dessen Ausdehnung im Gebirge selbst, endlich die auf allen Gebirgsgehängen und Gräben und Thälern anzutreffenden Halden und Aufschläge ja sogar Schlacken, betrachtet, so wie die alten, noch mit Ritzarbeit (ohne Anwendung des Pulvers mit Schlägel und Eisen) ausgefahrene Strecken würdiget, welche mit Ritzarbeit geführten Schläge bey dem Bergvolke sich noch bis auf den heutigen Tag unter dem Namen der heidnischen Stollen erhalten haben; so möchte es wohl kaum bezweifelt werden: daß auch die Römer hier ebenso, wie im Gasteinerthale, Bergbau getrieben haben.
Ich übergehe die Hunnenzüge der Gottesgeisel, die Wanderungen der Allemannen, Heruler, Gothen, und übrigen Barbaren; sie haben aber nicht bloß der römischen Weltherrschaft ein Ende gemacht, mit den römischen Adlern mußte auch der Betrieb der tauriskischen Bergwerke veröden; denn wer hätte es gewagt, bey dieser allgemeinen Trübsal von Raub und Zerstörung mit Kosten und Mühe Schätze aus dem Schooße der Berge zu holen, da sie der Hauptzweck der völkerwanderischen Raubzüge waren.
Die Wiedererweckung fast aller alten tauriskischen Bergbauer wird allgemein dem VIII. Jahrhunderte zugeschrieben , wobey das schreckliche Erdbeben, welches im Jahre 780 das ganze norische Gebirge erschüttert hatte, durch das Abstürzen von Felsenlawinen manche Gold- und Silberader mag eröffnet haben.
Wahrscheinlich haben unter dem friedlichen Szepter der Merowinger und Boioaren, und später des mit allen Bergregalien auf edle und unedle Metalle ausgestellten Hochstiftes einzelne wohlhabende alttauriskische oder eingewanderte Familien der Franken den Bergbau wieder begonnen.
Ebenso wahrscheinlich ist es, daß später die mächtigen Grafen von Plaien, mit ihren Vasallen den Bergbau auch in Pinzgau thätig betrieben haben, und derselbe nach ihrem Aussterben von Privaten fortgesetzt wurde.
Mag die Salzburg'sche Erzkirche im Laufe der Zeit auf Mittel gedacht haben die überhandnehmende Macht ihrer Ministerialien und Edlen allmählig zu schwächen, oder sah sie schon damals mit hellem Zukunftsblicke ein, daß die metallreichen Berge dem Erzstifte eine unermeßliche Quelle von glänzenden Einnahmen eröffne, genug, es finden sich bereits in der ersten Hälfte des XI V. Jahrhunderts solche Einlösungen von dem mächtigen Wulfing von Goldegg vor. (Juvavia S. 605 etc.)
Von dieser Zeit an traten auch immer mehrere uralt einheimische Geschlechter, Allodenbesitzer, Lehensleute und Bergwerksinhaber, wie v. Muchar (S. 68.) sagt, im Gasteinerthale ans Licht.
Diese Behauptung muß auch für Oberpinzgau ihre Gültigkeit haben, da mindestens das Brennthaler Bergwerk zu Anfang des XVI. Jahrhunderts schon eine bedeutende Ausdehnung erreicht hatte.
Die älteste Urkunde, welche aus der Gewerkszeit im Archive in Mühlbach noch vorhanden ist, ist ein Vertrag in Betreff des Vitriolverschleißes vom Samstage vor St. Ursula 1510.
Laut dieser Urkunde verpflichteten sich damaligen Brennthaler Gewerken, welche größtentheits Pinzgauer und Tyroler waren, dem Melchiorn Stunz, Burgern zu Augs burg oder seinen Erben in den 4 nächst aufeinanderfolgenden Jahren jährlich 2000 Wiener Zentner gut gesottenen , und getrockneten Vitrioles den Zentner zu einen rheinischen Gulden (d. i. 1 fl. R. W.) nach Kitzbüchel oder Kufstein mit der Bedingung zu stellen, daß Stunz den Fuhrlohn dahin selbst bestreite.
Ein rheinischer Gulden war übrigens für den Zentner Vitriol immer ein angemeßener Verkaufspreis, wenn man bedenkt, daß das Pfund Schmalz damals 6 — 8 Pfeninge kostete, während es jetzt auf 20 — 24 Kreuzer zu stehen kömmt. Stunz kaufte den Brennthaler Gewerken aber nicht allein ihren Vitriol, sondern allmählig auch alle ihre Antheile an dem Berg- und Hüttenwerke ab, so daß er im Jahre 1525 als Alleinbesitzer desselben erscheint, in welchem Jahre er es aber wieder an Ambrosius Jung, Jörgen Regel, Melchior Ilsung und Hansen Mannlich, die Alle Augsburger und Stunzens Anverwandte waren, um 4600 rheinische Gulden verkaufte.
Der Grubenbau vom Brennthale umfaßte damals schon 2 Zechen (Revieren), von welchen die morgenseitige die neue hieß.
Zu den Bauen der alten Zeche, welche 8 Grubengerechtigkeiten in sich begreift, führten die Stollen zu St. Magdalena, und unserer lieben Frau, und zu St. Anna, während der Zutritt in die neue Zeche, zu welcher 4 Grubengerechtigkeiten gehörten, durch den St. Lambrecht, St. Wolfgang und St. Lucia Stollen geschah.
Um das Jahr 1525 wurden an der Kronau 2 Siedehütten jede zu 12 bleiernen Siedekeßeln erbaut, nachdem die Siedehütte in Wens nebst der dort befindlich gewesenen. Schmelzhütte durch die Verheerungen des Wenserbaches kurz zuvor zerstört, und die Siedehütte am Brennthale aufgelassen worden war.
Am Mühlbache bestand damals neben der Schmelzhütte auch eine Siedehütte mit 4 Kesseln, und außerdem besaßen die Gewerken noch eine Siedehütte und eine Schmelzhütte am Heubach, in der sie auch Erze von ihren Antheilen an dem Röhrabichler Bergbau nächst Kitzbüchel schmelzten.
Die Brennthaler Antheile der bemerkten Gewerken kammen theils durch Erbschaft, theils durch Käufe an ihre Verwandte, welche größtentheils Bürger von Augsburg waren, bis das gesammte Brennthaler Berg- und Hüttenwerk im Jahre 1571 wieder einen Alleinbesitzer an Melchior Mannlich erhielt, welcher den Hälfteantheil, den er noch nicht besaß in dem bemerkten Jahre seinem Mitgewerken Joachim Jenisch, d. i. Rathsherr und Baumeister zu Augsburg, um 15000 fl. R. W. ablößte.
Von den Erben dieses Melchior Mannlich kaufte dasselbe nun der Erzbischof Paris (Graf von Lodron), welchem mitunter das Lutherthum dieser Fremdlinge ein Aergerniß gewesen seyn mag, im Jahre 1638 sammt aller Zugehör zu Berg und Thal.
in dem Zeitraume der Herrschaft der Augsburger sind nach der Einschubslinie der Erze von Morgen in Abend, und Abendseits von den obenerwähnten Zechen der Joachimsstollen, der Rupertsstollen, und der Martinstollen eingetrieben, und die Baue derselben gegenseitig verdurchschlägt worden.
Die noch tiefer und mehr gegen Abend eingetriebenen Stollen zu St. Johann Baptist, Maria Opferung und zum heil. Sigmund sind später im Verlaufe der Zeit unter den Erzbischöfen angeschlagen worden.
Aus einer Schinkartenbeschreibung des Michael Pürchner vom Jahre 1642 heißt es:
Es beißen in Hollersbach zuforderist im Thal 3 Klüft "nacheinander am Müllegg (am jetzigen Brand) aus."
Die hinteriste Kluft streicht gegen den obersten Sunk am Brennthale, die mittlere Kluft gegen den mittleren Sunk, und die vorderiste gegen den unteristen Sunk, welche letztere bisher die Brennthaler-Hauptkluft ist, auf der bisher die Gänge gehaut worden sind, und werden. Diese Hauptkluft verflächt von den höchsten Gebäuden bis gegen St. Joachims unter sich von Norden nach Süden."
Zur Bestätigung: daß die obigen Gewerken im XVI. Jahrhundert wirklich in Mühlbach leibten und lebten, haben sich ihre Namen und Wappen in zerbrochenen gemahlten Glastafeln vorgefunden, welche alle mit dem Familienherzschilde auf blauem Grunde geziert, am Rande folgende Umschrift haben:
Melchior Stunz Burger zu Augsburg Gewerckh am Brennthall, Anno 1510.
Hans Mannlich Burger zu Augsburg Gewerckh am Brennthall, Anno 1522.
Im Herzschilde dieses Gewerken befindet sich ein halber Löwe und ein halbes Kammrad mit Arabesken-Verzierungen.
Georg Regel Burger zu Augsburg Gewerckh am Brennthall, Anno 1525.
Im blauen Herzschild ein gebogener Fisch. Melchior Ilsung Burger zu Augsburg Gewerckh am Brennthall, Anno 1525.
Im blauen Grunde Arabesken Verzierungen. Joachim Jenisch der Elter Gewerkh am Brennthall, Anno 1564.
Zur Verhütung vaudalischer Verschleppung wurden diese Glastafeln nach geschehener Zusammenlöthung, vor 3 Jahren in dem Museum zu Salzburg hinterlegt.
Es würde mich zu weit führen, wenn ich die vor mir liegende Darstellung der Ausbeuten und Einbußen bey dem Mühlbacherwerke von 1638 bis 1831 hier aufnehmen würde. Es genüge, daß Mühlbach für sich betrachtet ohne den schweren Verband mit dem in großer Zubuße stehenden Zellerwerke noch immer in einiger Ausbeute steht.
Schließlich bemerke ich, daß das Gebirgsgestein, in welcher die Brennthaler Kieslager vorkommen , ein chloritiger Glimmerschiefer ist, an dem sich südlich die Gneuße, und Granite anschließen, welche sich aus dem Habachthale herziehen, und gegen das Hollersbachthal zu, auskeilen.
Ich kehre daher zu meinem Rückblicke auf den Bergbau in Oberpinzgau zurück.
Nach Vierthaler S. 236 und 237 wurde in den Jahren 1537 und 1539 in der Krimmel am Schlachter und an der Saurinne auf Gold, am Gemskogel im Thale Habach auf Silber gebaut.
Ich habe schon bey Hollersbach erinnert, daß Veit Scheidler am Trattenbach und der Knappe Palfner auf der Achsel in Hollersbach Gruben hatten, wo früher Rainer von Schwatz und Hager von Saalfelden gebaut hatten.
Im Jahre 1569 begehrte Kaspar Vogel, als Administrator der Weitmoser'schen Güter, einige Gruben und Neuschürfe am Mitterberg, zwischen Ober- und Untersulzbach, und nannte sie St. Veit, St. Kaspar, St. Christoph, St. Abraham, und St. Georgen. St. Michael hatten sie schon früher in Betrieb. Zu Wilhelmsdorf am Bache Mühlbach und im Thale Habach waren Schmelzhütten.
Im folgenden (XVII.) Jahrhunderte erschienen die Welser noch als Gewerken, und der Pfleqer von Zillerthal baute auf der Plattalpe auf Silber und Bley.
Er eroberte aus dem Zentner 4 Loth von ersterem, und 42 Pfund vom letzterem Metalle.
Ebenso hatten die Herrn von Reitau ihre Gruben; so wie ich die aufgelaßenen alten Gruben am Rettenbach, welche Reisigl wieder baute, und dessen Enkel eingehen ließen, schon besonders erwähnte.
So sind alle die Geschlechter, denen der Bergbau in Pinzgau Nahrung und Reichthum gab, theils in Folge unglücklicher Ereigniße aus der Reformations-Epoche ausgewandert, theils wie die berühmten Weitmoser, die Welser, von Reitau, Reisigl u. s. w. ausgestorben, ihre Burgen und Schlößer zerfallen, und in ihren verödeten Gruben wohnt gespensterisches Grauen!
Nur Mühlbach steht noch fest, und der Schatten der hinübergegangenen Gewerken würde in den von ihnen verlaßenen Schachten im Brennthale und Sulzbachthale das emsige Streben im Aufsuchen des Bergsegens und seines: Glück auf! nicht verkennen.
Quelle: Ignaz von Kürsinger, Ober-Pinzgau, oder: Der Bezirk Mittersill. Eine geschichtlich, topgraphisch, statistisch, naturhistorische Skizze. Salzburg 1841. S. 83 - 88.
Textbearbeitung: Leni Wallner, November 2009.