Der Bergbau am Röhrerbüchl im Jahre 1662
Hans Hochenegg
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Vor mehreren Jahrzehnten kam ein Dokument in meine Hände, das Einblick in den Niedergang des tirolischen Bergbaues im 17. Jahrhundert gibt, gleichzeitig aber zum Überprüfen einer als richtig angenommenen Jahreszahl drängt.
Nikolaus und Albrecht, die Fugger, Grafen zu Kirchberg und Weißenhorn, richten am 16. Juni 1662 an den Landesfürsten Erzherzog Ferdinand Karl ein „unterthenigstes flehentliches Anlangen und gehorsamstes Bieten" um fünfzehnjährige Verlängerung der abgelaufenen Freiheit von Kupferzoll, Wechsel und Fron für das Bergwerk am Rererpichl. „Der Status solchen Pergkhwerchs" habe sich leider so namhaft geändert, daß „wir uns ohne augenscheinlichen Schaden nit gethrauent forth zu kommen". Sie wären aus „antringender Noth" gezwungen, das Bergwerk aufzulassen. Sie möchten ihm, falls ihm das beliebe, das ganze Berg- und Schmelzwerk mit allen Aktiven und Passiven anbieten, damit die zum Teil hochbedürftigen Kreditoren eher zu ihrem Geld kämen. Sie bitten aus höchster Notdurft um gnädige Erhörung. Welche Sprache der einst so stolzen Fugger! Allerdings hat man seit jeher bei Bittgesuchen dick aufgetragen. Geschäftsleute wie die Fugger wußten jedenfalls die richtigen Ausdrücke, um Vorteile zu erlangen.
Die bemerkenswerte Eingabe aus dem Jahre 1662 befaßt sich mit dem bevorstehenden Einstellen des Betriebes. Sie steht also im Gegensatz zur im neueren Schrifttum vertretenen Ansicht, das Bergwerk am Röhrerbüchel sei bereits 1653 von den Fuggern aufgelassen worden und in ärarischen Betrieb übergegangen. Diese Angabe bei Wolfskron auf S. 235, bei Srbik auf S. 157 und Scheuermann auf S. 332 kann daher nicht stimmen und muß irrig sein.
Es ist auffallend, wie oft neuere Mißverständnisse vom einen Verfasser zum anderen wandern, während sich kaum mehr benützte ältere Werke als verläßlicher erweisen. Schon im Jahre 1825 berichtet Joseph von Senger über das verlassene Bergwerk am Röhrerbüchl. Er schildert Aufkommen, Blüte und Verfall des Bergsegens und beschreibt den Übergang des Bergwerks an die Fugger in den Jahren 1633/35 unter den vorteilhaftesten Bedingungen. Als die erteilten Privilegien im Jahre 1659 abgelaufen waren und die Fugger baten, sie zu verlängern, hätten amtliche Erhebungen nach einem Bericht vom 21. 7. 1661 ergeben, daß das Bergwerk sehr vernachlässigt und kaum mehr betriebsfähig war. Auch hätten die Knappen zum Teil schon seit fünf Jäheren unerfüllte Lohnforderungen. Die Fugger aber hätten durch den erhöhten Kupferpreis jährlich bis zu 29.000 Gulden Gewinn erzielt. Man hätte daraufhin die Abgabenfreiheit nur mehr teilweise und unter bestimmten Voraussetzungen bewilligt. Joseph von Senger sagt wörtlich auf Seite 268: „Die Fugger müssen sich diesen Bedingungen nicht unterworfen haben, denn im Jahre 1662 hat der Landesfürst das Röhrerbühel-Werk wieder selbst und ganz allein übernommen." Man hätte es bei guter Verwaltung noch bis 1750 mit einer beträchtlichen Ausbeute weitergeführt. Als schließlich die Überschüsse aufhörten, versuchte der Staat, es dennoch aufrechtzuerhalten; er opferte große Summen für leider erfolglose neue Anbrüche. Erst eine Hofresolution vom 24. 9. 1774 verfügte seine gänzliche Einstellung. 40 Knappen bildeten daraufhin eine Gesellschaft, um den Betrieb auf eigene Rechnung weiterzuführen. Auch ihnen blieb der Erfolg versagt, nur das „Durchkutten" der Schutthalden brachte noch durch Jahrzehnte so viel Ertrag, daß ein paar Mann aus dem Erlös des gefundenen Erzes leben konnten.
Von Senger gibt keine Quellen an, das war damals noch nicht gebräuchlich. Jedenfalls standen ihm Aktenstücke zur Verfügung, die jetzt vielleicht nicht mehr vorhanden sind.
Von Wolfstrigl-Wolfskron verfaßte sein Werk über die Tiroler Erzbergbaue nach gründlichen Studien im Innsbrucker Statthalterei-, jetzt Landesregierungsarchiv. Er fand jedoch keine wesentlichen Nachrichten über die Zeit von 1649 — 1663. So konnte er zur Annahme gelangen, der Bergbau am Röhrerbüchl sei um 1653 dem Ärar übergeben worden. Die von ihm auf S. 235 erwähnte Ernennung des ehemals Fuggerischen Verwesers der Schmelzhütte Litzelfelden zum Betriebsleiter am Röhrerbüchl im Jahre 1664 hätte freilich darauf hinweisen können, daß der Besitzwechsel nicht allzu weit zurücklag.
Gestützt auf Wolfstrigl-Wolfskron, verkündet Robert von Srbik auf S. 157 seiner Übersicht als Tatsache: „... Die Knappen arbeiteten nur widerwillig unter ihren harten Fronherren. So kam es, daß die Fugger 1653 hier den Betrieb einstellten."
Teils auf Wolfstrigl-Wolfskron, teils auf Quellenstudien im Fugger-Archiv beruft sich Ludwig Scheuermann. Er konnte das Gesamtbild zwar durch neue Züge bereichern, doch fehlte ihm das entscheidende Datum. Daher behauptete er auf S. 332 seines Werkes ebenfalls: „Im Jahre 1653 mußten die Fugger den Bergbau am Röhrer Bühel einstellen und er gelangte wieder in ärarischen Besitz."
Unter solchen Umständen war es auch mir nicht möglich, haltbare Unterlagen zu gewinnen. Nachforschungen im Landesregierungsarchiv brachten kein Ergebnis. Die Kopialbücher berichten nichts über die Eingabe der Fugger und deren Erfolg. Das mitgeteilte Schriftstück vom 16. Juni 1662 aus meiner Handschriftensammlung fügt sich jedoch in die Darstellung des Joseph von Senger und bestätigt die Verläßlichkeit seiner heute kaum mehr belegbaren Angaben.
Wir können also annehmen, daß der über die Mißwirtschaft der Fugger gutunterrichtete Landesfürst ohne lange Verhandlungen rasch zugegriffen hat. um das angebotene, im Erliegen befindliche Bergwerk und die Existenz der ebenfalls bis aufs äußerste ausgebeuteten Knappen zu retten.
Schrifttum:
Ludwig Scheuermann: Die Fugger als Montanindustrielle. München, Leipzig 1929 (Studien zur Fugger-Geschichte. 8.)
Joseph Edler von Senger: Das verlassene Bergwerk am Röhrer Bühel (Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg. Bd. l, Innsbruck 1825, S. 247—280).
Robert Ritter von Srbik: Der Tiroler Erzbergbau in Vergangenheit und Gegenwart (Berichte des Naturwissenschaftlich-medizinischen Vereines. Jg. 41, Innsbruck 1929, S. 113—279).
Max Reichsritter von Wolfstrigl-Wolfskron: Die Tiroler Erzbergbaue 1301 — 1665. Innsbruck 1903.
Quelle: Hans Hochenegg, Der Bergbau am Röhrerbüchl im Jahre 1662, in: Tiroler Heimatblätter, 37. Jahrgang, Heft 1-3, Jänner - März 1962, S. 22 - 23.
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