Alte und neue Erzbergbaue in der Umgebung von Bozen.
Von Naturhistoriker G. Gasser.
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Es scheint nicht jedermann bekannt, daß in der nähern und weitern Umgebung von Bozen Bergbaue in Blüte standen zu einer Zeit, da in Tirol noch die sogen. Leibeigenschaft und Gutsuntertänigkeit, verbunden mit Frondienstleistungen bestanden. Einige dieser Bergbaue wurden erst in letzter Zeit wieder aufgenommen und, wie es scheint, mit Glück weiter betrieben. Zu diesen gehört vor allen der alte Bergbau von Terlan, welchem in früherer Zeit auch jener von Nals zugeteilt war. In einer alten Tiroler-Statistik *) heißt es darüber: „Am Montag nach dem Sonntag Lätare 1483 wurde das Bergwerk zu Nals bei Terlan auf 5 Jahre vom halben Wechsel, nicht aber von der Fron befreiet; das Bergwerk war sehr gesegnet und es wurde deswegen zu Terlan ein eigenes Berggericht aufgestellt. Im Jahre 1524 war die Knappschaft daselbst so beträchtlich, daß ein Aufstand unter derselben ausbrach, der aber bald wieder gedämpft wurde. Im Jahre 1544 stand dieser Bau in vorzüglicher Blüte; der Deutschorden hatte zu Lana „am Gries“ **) ein eigenes Hüttwerk, wo vermutlich die zu Nals (und Terlan) erzeugten Erze aufgeschmolzen wurden.“ In der Tat weisen noch heute viele Sagen und Traditionen im Volke auf die hier einst so reichlich bemessenen Erzschätze in den auf Silber und Blei betriebenen Gruben hin: noch heute erzählt man sich von den silbernen Kugeln, mit denen einst die übermütigen Ritter auf Neuhaus (vulgo Schloß „Maultasch“) Kegel geschoben haben sollen. Auch die Namen „Silberbach“ und „Silberleiten“ weisen auf den einstigen Silberreichtum dieser Gegend hin; ja, ich hatte öfter Gelegenheit, mit einem dortigen Weinbergbesitzer darüber zu reden, der es sich nicht nehmen ließ, zu behaupten, daß der berühmte weiße Terlanerwein unbedingt einen Prozentgehalt von Silber enthalte, was ihm erst die rechte „Weihe“ verleihe.
Es ist begreiflich, daß man zu jener Zeit freilich billig zu diesen Erzschätzen gelangen konnte, wenn man bedenkt, daß damals noch die Fron bestand, vermöge welcher jeder zu einer bestimmten Arbeitsleistung herangezogen werden konnte, der sich nicht ein für allemal oder auf eine bestimmte Zeitdauer davon loszukaufen vermochte; ebenso läßt sich's denken, daß die von solchen Elementen betriebenen Gruben weit mehr „raubbauartig“ als rationell ausgebeutet werden mußten, weil den führenden Organen alle geologischen und bergmännischen Kenntnisse mangelten und das frondienstleistende Knappenvolk auf die primitivsten technischen Hilfsmittel angewiesen war.
Man verstand es damals auch nicht, die so kostbare Zinkblende, welche heutzutage dem Bleiglanze vorzuziehen ist, nutzbar zu machen, vielmehr warf man dieses auch hier in Terlan reichlich auftretende Erz einfach haufenweise über die Halden. So wurde das erzführende Gebirge bei Terlan und Nals wohl über ein Jahrhundert hindurch ziel- und planlos wie ein Ameisenbau nach allen Richtungen durchhöhlt, bis das Bergwerk — sei es aus Mangel an Arbeitskräften oder wegen der auswärtigen Konkurrenz — zum Erliegen kam und allmählich der Vergessenheit und dem Verfalle anheimfiel. - -
Als ich kurz vor der Wiedereröffnung des Terlaner Bergwerkes vor etwa 15 Jahren die alten Stollen besuchte, fand ich an den Wänden mehrerer derselben recht interessante Mineral-Neubildungen abgesetzt, welche mich z. T. an die berückend schönen Eisenblüten in den steyrischen „Schatzkammern“ dortiger Eisenbergwerke erinnerten. Für mich als Sammler bildeten diese blendend weißen, vielfach ineinander gewundenen oder dütenförmig aufgebauten Aragonitgebilde natürlich eine erfreuliche und kostbare Bereicherung meiner Sammlung einheimischer Mineralvorkommen, die ich denn auch in mehreren mineralogischen Zeitschriften u. in den „Bozner Nachrichten“ vom 6. Jänner und 16. Feber 1916 eingehend beschrieb. Nicht minder interessant fand ich die an den Mundlöchern mehrerer Stollen in reichlicher Menge abgesetzten, wunderbar feinen Gebilde von „spreuförmigem“ Gyps, sowie die wie Pilze aus dem Erdboden sprossenden, blendendweißen, wie Seidenwatte aussehenden Haarsalz- (Keramopalit)- Neubildungen, welche alle aus der Zersetzung der im Ganggestein reichlich enthaltenen Schwefelkiese entstanden sind. Den Beweis ihrer sekundären Bildung fand ich gleichzeitig in den zahlreichen, schwammartig durchlöcherten Quarzgangstücken, welche noch unverkennbare Spuren dieses goldigglänzenden Kieses enthielten. Auch die bekannte Schwefelquelle bei Terlan verdankt ihren Schwefelgehalt derselben Ursache.
Gleich nach diesen meinen öffentlichen Darlegungen gründete sich in Bozen eine Privatgesellschaft, welche die alten Terlanergruben mit Freischurfrechten belegte und von Neuem erschloß, worauf sie dann nach Jahresfrist die wieder fahrbar gemachten Gruben dem Grafen Hennckel v. Donnersmarck abrät, der sie heute auf silberhaltigen Bleiglanz und Zinkblende infolge der hohen Metallpreise und günstiger Transportgelelegenheit mit sehr gutem Erfolge weiterbetreibt. — Von den benachbarten Nalsergruben, die, soweit ich sie kenne, total zerfallen und unfahrbar geworden sind, ist mir näher nichts bekannt.
Dagegen weiß ich aus der obenerwähnten Statistik, daß auch auf dem Nonsberg ***) ein eigener Bergbau bestand, dessen Gewerke auf 5 Jahre die Fron-, nicht aber die Wechselbefreiung erhielten; vermög Erlaß vom Pfinstag nach St. Valentin 1481 mußten sie dagegen alles Blei und Silber in die Münze zu Meran zur Einlösung geben. Auch dieser Bergbau muß damals sehr gesegnet gewesen sein, denn es wurde daselbst ein eigenes Berggericht aufgestellt. — Weiters wird berichtet, daß am „Rottenstein“ a. d. Etsch ini Jahre 1522 ein Bergwerk betrieben wurde, welchem am 1. Juli desselben Jahres auf 5 Jahre die Fron- und Wechselbefreiung erteilt wurde; ferner, daß zu St. Wolfgang am Petersbach (Ulten) von einer Gewerkschaft eine neue Zeche eröffnet und betrieben wurde; die Knappschaft daselbst soll damals so bedenklich angewachsen sein, daß für dieselbe unterm 21. Okt. 1553 eine eigene Wochenmarktsordnung vorgeschrieben werden mußte.
Urkundlich kann endlich nachgewiesen werden, daß sowohl (im Silberbach) bei Terlan, als (im Passerfluß) bei Meran ein Waschwerk auf Gold bestand, welch letzterem am 15. März 1482 die Konzession j erteilt wurde. Ein solches Waschwerk hat es übrigens auch am Talferfluß bei Bozen gegeben, denn nach Marx Sittich v. Wollenstein sollen sich daselbst „goldhaltige Körner in der Größe kleiner Linsen“ gefunden haben. ****)
In neuerer Zeit (1914) wurde am Virgl bei Bozen (in der Nähe der Endstation der Kohlerer Drahtseilbahn) eine alte Grube neu eröffnet, deren Ursprung mindestens eineinhalb Jahrhundert zurückreicht. Damals schürfte man lediglich auf den feinkörnigen, stark silberhaltigen Bleiglanz, der sich hier auch jetzt noch, obschon in ganz unbedeutender Menge nesterweise mit Flußspat zusammen vorfindet. Heute ist es aber der hier ziemlich reichlich (aber nicht von bester Güte) auftretende Flußspat, dessen Ausbeute wegen der günstigen Ortslage (nahe der Bahn) vielleicht doch einigen Gewinn erhoffen läßt.
Derartige kleine Versuchs-Schürfe, die aber wegen der meist ungünstigen Terrainverhältnisse und Erzarmut schwerlich wieder aufgenommen werden, kenne ich in der Umgebung von Bozen noch mehrere: z. B. auf der Höhe von Reinigl (am Kohlererberg); sodann bei Kardaun und im Eggentale. Nach J. Staffler (2. Bd. f. 922) wurde unfern von St. Helena (im Viertel Laab, unweit Deutschnoven) vor nun etwa 160 Jahren in dem zum Weißbamerhof gehörigen Grund ein Bergbau auf Silber und Blei geführt, aber als nicht lohnend wieder aufgelassen. Das Kirchlein St. Helena soll nach der Volkssage gar auf Silberstufen stehen.
Von gleich fraglichem Erträgnis mögen auch die Schürfe sein, welche wir auf der Grimmalpe und anderwärts in dieser Gegend kennen. — Selbst unweit dem Goldegghofe und gegenüber beim Langeggerhofe oberhalb der Sarnerschlucht, 1 1/3 Stunden von Bozen, habe ich mehrere Versuchsschürfe älteren und neueren Ursprungs kennen gelernt, die (sämtlich im Porphyrgebiete gelegen) dieselben Erze (Bleiglanz und Zinkblende) und Begleitmineralien (Flußspat und Baryt) enthalten.
In etwas umfangreicherem Maßstabe scheint der alte Bergbau von Altenberg bei Kaltern betrieben worden zu sein und zwar ebenfalls auf silberhaltigen Bleiglanz; er ist jedoch wegen der überaus gefährlichen (weil baufälligen) Beschaffenheit der Stollen und Schächte derzeit nicht ohne weiteres zu befahren.
Von größerer bergmännischer Wichtigkeit für die Zukunft scheinen mir die allerdings ziemlich hoch gelegenen alten Erzschürfe auf der „Samalpe“ und am „Toten“ an der Scheidegrenze zwischen der Rittner- und Villandereralpe zu werden, weil es sich hier vorwiegend um die Ausbeute der jetzt sehr gesuchten Zinkblende handelt.
*) J. v. Senger, Innsbruck 1803: Samler f. Geschichte und Statistik v. Tirol.
**) Der Ausdruck „Am Gries“ bedeutet hier keine Ortschaft, sondern eine von Schutt und Grus (= „Gries“) aufgeschwemmte Örtlichkeit nahe am Ausfluße eines Wildbaches, hier also die aus Ulten in die Etsch mündende Falschauer.
***) In neuester Zeit werden auch hier mehrere der alten Grubenbaue wieder fahrbar gemacht und von einer (auswärtigen) Gesellschaft in Betrieb gesetzt.
****) S. Tyrolische Bergwerksgeschichte von Jos. Sperges, Wien 1765.
Quelle: G. Gasser, Alte und neue Erzbergbaue in der Umgebung von Bozen, in: Der Schlern, Südtiroler Halbmonatsschrift für Heimatkunde und Heimatpflege. Zeitschrift des Vereines für Heimatschutz in Südtirol. 2. Jahrgang, 5. April 1921, 8. Heft, S. 152 - 154.
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