Der älteste Erzbergbau Tirols
Von Richard Pittioni, Wien
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Der Bergbau auf Kupfererz geht in Tirol bis in die späte Bronzezeit (Urnenfelderzeit) zurück. Das berühmteste Bergbaugebiet ist die Kelchalm bei Aurach/Kitzbühel. Die dort durch viele Jahre hindurch durchgeführten Ausgrabungen haben einen guten Einblick in die bergmännische Lebensart der Urnenfelderzeit vermittelt und höchst wertvolle Erkenntnisse zur Bergbautechnik geboten. Die obertägigen Spuren dieses alten Bergbaues sind so umfangreich und ausgedehnt, daß sich aus ihnen allein schon ein recht beachtlicher Bergbaubetrieb erschließen läßt. Seit fast hundert Jahren sind diese obertägigen Abbauspuren der Urgeschichtsforschung bekannt. Vor etwa 30 Jahren veranlaßten sie Georg Kyrle, der seinerzeit mit den Vorarbeiten zur Herausgabe einer urgeschichtlichen Kunsttopographie (wie sie schon 1918 für das Land Salzburg und 1936 für Vorarlberg erschienen ist) beschäftigt war, zur Annahme, daß die vielen, in den Nordtiroler Urnenfeldergräbern gefundenen Bronzegeräte aus dem Kupfer der Kelchalm erzeugt worden seien. Da man außer der Kelchalm aus Nordtirol kein anderes urzeitliches Bergbaugebiet kannte, war damals eine solche Annahme auch recht wahrscheinlich. Beweisen aber konnte man sie nicht, da die Hilfe, die man sich von seiten der Chemie erwartete, für eine schlüssige Beantwortung des Problems nicht ausreichte.
Erst die Spektralanalyse und ihre Anwendung auf die Urgeschichte boten die Möglichkeit, mit exakten Mitteln an die Erforschung der von G. Kyrle formulierten Beziehung zwischen Bergbaugebiet und Absatzzone heranzugehen. Denn die Spektralanalyse erfaßt durch die mit Hilfe des elektrischen Stromes in seine einzelnen Element-Bestandteile durchgeführte Zerlegung des Kupfererzes auch die allerkleinsten Spuren aller Elemente, die mit dem Kupfer verbunden sind. Als solche gibt es Zinn, Silber, Arsen, Eisen, Nickel, Blei, Antimon, Zink, Kobalt und auch Wismut. 1936 begannen wir in Wien mit den ersten spektralanalytischen Untersuchungen von Erzen, Schlacken und Fertigobjekten von der Kelchalm mit dem Ziel, eine nähere elementmäßige Umschreibung des Kelchalm-Kupferkieses zu erzielen. Damals aber waren wir von ihm noch recht weit entfernt, da wir auch noch zu wenig Erfahrungen besaßen.
Durch den Krieg unterbrochen, konnten wir erst wieder 1947 die Untersuchungen fortsetzen, sahen dabei aber bald, daß für ein befriedigendes Forschungsergebnis weit mehr Analysen angefertigt werden müßten, als sie uns damals zur Verfügung standen. Diese Analysen hatten sich aber in erster Linie auf das Kupfererz selbst zu beziehen, da es sich sehr bald als unbedingt notwendig herausstellte, eine ausreichende elementmäßige Kennzeichnung der Kupferkieslagerstätten um Aurach-Jochberg zu erhalten. Wir hatten nämlich durch weitere Geländearbeiten gelernt, daß nicht bloß das Gebiet der Kelchalm urzeitliche Abbauspuren trägt, sondern daß solche auch in Gestalt von Schmelzplätzen für die Kupferplatte bei Jochberg und für weitere Gebiete um Jochberg nachzuweisen sind. Durch den Vergleich von Erzanalysen mit Schlackenanalysen lernten wir, daß die im Erz vorhandenen verunreinigenden Spurenelemente auch in den Schlacken nachweisbar bleiben. 1957 gelang dann eine erste elementmäßige Umschreibung der Lagerstätte Kelchalm-Kupferplatte, auf die auch einige Fertigobjekte von der Kelchalm selbst bezogen werden konnten. Damals schienen auch die ersten Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von G. Kyrle ausgesprochenen Annahme vorzuliegen.
Doch wollten wir uns mit diesen wenigen Hinweisen dazu nicht zufriedengeben. Deshalb wurde eine größere Anzahl von Nordtiroler Urnenfelder-Bronzen untersucht. Den Hauptbestand bildete dabei das von A. Kasseroler ausgegrabene Material von Volders, das durch viele Bronzen aus anderen Friedhöfen (wie Hötting, Mühlau, Wilten, Völs u. a. m.) aus den Beständen des Ferdinandeums ergänzt wurde. Der Theorie Kyrle gemäß erwarteten wir eine geschlossene Zuordnung dieser Urnenfelderbronzen zum Kelchalm-Kupferkies, der durch eine geringe Spur an Zinn, Silber, Arsen und Kobalt sowie durch einen verhältnismäßig hohen Nickelspurenanteil ausgezeichnet ist. Blei, Antimon und Wismut sind im Kelchalm-Kupferkies nicht vorhanden. Von den etwa 600 untersuchten Fertiggegenständen der Nordtiroler Urnenfelderkultur waren jedoch höchstens 10 Prozent dieser Kupferart zuzuordnen, die übrigen 90 Prozent zeigen ein Kupfer mit einer hohen Silber-, Arsen-, Antimon-, Blei- und Wismutspur, neben denen auch Kobalt schwach vertreten ist. Dazu kommt ein oftmaliger Nachweis einer Goldspur. Wohl die gleichen Elemente wie im Kelchalm-Kupferkies, aber in einer ganz anderen mengenmäßigen Zusammensetzung und daher in einem anderen Verhältnis der einzelnen Elemente zueinander.
In einer eben im Erscheinen befindlichen Studie sind diese Untersuchungen und ihre Ergebnisse ausführlich dargelegt. Hier wird auch gezeigt, daß die berühmten Fahlerzlagerstätten vom Falkenstein bei Schwaz während der Bronzezeit nicht abgebaut wurden. Hingegen konnte der Nachweis erbracht werden, daß das Kupfer der 90 Prozent Fertigobjekte mit dem ebengenannten Spurenmuster in der Lagerstätte Alte Zeche/Berta-Gänge bei Schwaz-Pirchanger gewonnen wurde. E. Preuschen, der dieses Bergbaugebiet beging und in langwieriger Arbeit auch die sämtlichen Erzmuster für die spektralanalytischen Arbeiten sammelte, konnte im Gelände keine wie immer gearteten Spuren eines alten, d. h. urzeitlichen Abbaues entdecken, da sie wohl durch den mittelalterlichen Bergbau weggeräumt oder zugeschüttet worden sind. Auf Grund der spektralanalytischen Ergebnisse kann aber an einem solchen urzeitlichen Bergbau nicht gezweifelt werden.
Einmal so weit gekommen, lag die Frage nahe, ob es möglich wäre, durch weitere Spektralanalysen von Bronzen der mittleren und frühen Bronzezeit Anhaltspunkte für den Beginn dieses Betriebes bei Schwaz zu gewinnen. Durch die Untersuchung solcher Bronzen aus Tirol, Vorarlberg und der Schweiz konnte dann auch tatsächlich der Nachweis geführt werden, daß der Bergbau Berta-Gänge bei Schwaz-Pirchanger schon während der frühen Bronzezeit in Betrieb gestanden ist. Er dürfte also ebenso alt wie jener auf dem Mitterberg bei Bischofshofen (Salzburg) sein.
Tirols ältester, etwa 3500 Jahre alter Kupferbergbau ist daher im Gebiet von Schwaz-Pirchanger anzusetzen.
Es wird wohl noch vieler Untersuchungen bedürfen, um das Streuungsgebiet des hier erschmolzenen Rohkupfers zu umschreiben. So viel wissen wir aber schon jetzt, daß Fertigobjekte aus Schwazer Kupfer nicht bloß in Tirol und Vorarlberg-Schweiz, sondern auch in Salzburg, in der Steiermark und in Niederösterreich verwendet wurden. Gemeinsam mit diesem Kupfer wurde aber während der Urnenfelderzeit noch ein Beiprodukt des Schmelzprozesses verhandelt: blaues Glas in Gestalt von kleinen Ringperlen, von denen in einem Volderer Grab an die 80 Stück gefunden worden waren. Spektrographische Analysen und Probeschmelzen in der Glashütte Swarovski-Wattens haben gezeigt, daß diese Glasperlen durch Beigabe von Kupfer- bzw. Bronzestücken aus der Lagerstätte Schwaz-Pirchanger blau gefärbt wurden. Als Handelsobjekte finden sie sich in Ober- und Niederösterreich, und im Zuge der weiträumigen Beziehungen während der Urnenfelderzeit sind sie sogar bis in das östliche Mittelitalien gekommen.
Wie lange der urzeitliche Bergbau im Bereich der Berta-Gänge gedauert hat, läßt sich vorläufig noch nicht genauer bestimmen. Diesbezüglich sind bloß Vermutungen möglich. So sind z. B. die Latène-Kette samt Fibeln von Biberwier aus einem reinen Berta-Gruben-Kupfer hergestellt und auch die in einer spätlatènezeitlichen Abfallschicht auf dem „Himmelreich" bei Volders gefundenen Bronzebleche zeigen den gleichen ungemischten Rohstoff. Dies könnte bedeuten, daß man damals keine Veranlassung besaß, Altkupfer verschiedener Herkunft zu mischen, um daraus neue Objekte herzustellen. Wenn dies richtig ist, dann ergäbe sich daraus noch ein Abbau für die vorgeschrittene Latènezeit, womit eine rund 1500jährige Abbauperiode angedeutet erschiene. Vielleicht gelingt es durch weitere spektralanalytische Untersuchungen noch genauere Angaben in dieser Hinsicht zu gewinnen. Für die älteste Tiroler Bergbaugeschichte wäre dies wohl von einigem Wert.
Quelle: Richard Pittioni, Der älteste Erzbergbau Tirols, in: Tiroler Heimatblätter, 35. Jahrgang, Heft 10/12, Oktober - Dezember 1960, S. 107 - 109.
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